Editorial

Ausgezeichnete Diagnostik

Die Tübinger CeGaT GmbH (Center for Genomics and Transcriptomics) macht Gendiagnostik im Hochdurchsatz und bekam dafür den von Stern, Sparkassen, ZDF und Porsche ausgelobten Gründerpreis 2011 als bestes „Start Up“-Unternehmen.

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Saskia Biskup von CeGaT

(8. Juli 2011) In der Finalrunde um den Gründerpreis 2011 setzte Biotech sich gegen Werkzeugbau und Messgerätetechnik durch: Saskia und Dirk Biskup, Gründer der CeGaT GmbH (Center for Genomics and Transcriptomics) aus Tübingen, erhielten den Preis als bestes Unternehmen in der Kategorie „Start Up“. Dafür bekommen sie jetzt zwar kein Preisgeld, aber zwei Jahre lang Nachhilfe in Sachen Marketing, Finanzierung, Betriebswirtschaft, Rechtlichem oder Medienkompetenz. Obwohl die Tübinger das bisher schon ganz gut alleine gemacht haben – sonst hätten sie den Preis wohl kaum bekommen!

CeGaT bietet seit Sommer 2008 Hochdurchsatzsequenzierung an, kombiniert diese mit Gendiagnostik und erstellt medizinische Befunde für Ärzte und Patienten. Dazu hat CeGaT Tübingens erste Hochdurchsatz-Sequenziermaschine angeschafft und inzwischen 37 hauseigene „Diagnostik-Panels“ entwickelt: Zusammenstellungen von Genen, deren Fehlfunktionen für verschiedene Krankheiten verantwortlich sind. „Über Forschungsgelder wären weder Personal noch Geräte finanzierbar gewesen“, so Saskia Biskup, Geschäftsführerin von CeGaT und Fachärztin für Humangenetik. Deshalb kam bei einer Projektbesprechung am Tübinger Hertie Institut für klinische Hirnforschung (HIH), wo Saskia Biskup auch heute noch in der Parkinson-Forschung mitarbeitet, die Idee zur Gründung der Firma. Die Startphase der Firma habe ein gutes halbes Jahr gedauert. „In dieser Zeit hätten wir von der DFG wahrscheinlich noch nicht einmal ein Feedback für unser Projekt bekommen.“

Kern des Projekts sind die Diagnostik-Panels, auf denen die Gendiagnose aufbaut. Diese sind in die vier Großgruppen Demenz/Amyotrophe Lateralsklerose (ALS), Epilepsie/Stoffwechsel, Parkinson und erbliche Augenerkrankungen eingeteilt; ein weiteres Panel zu neuromuskulären Erkrankungen soll im Herbst fertig sein. Gibt es eine ärztliche Indikation, sucht CeGaT im Genom des Patienten nach Genvarianten aus einem oder mehreren in Frage kommenden Panels.

Für unterschiedliche Formen von Epilepsie und Stoffwechselstörungen stehen dafür beispielsweise 20 Panels zur Verfügung, in denen zwischen 5 und 49 Gene stecken. Bei Epileptikern funktioniert oft die Erregungsweiterleitung zwischen Nervenzellen nicht richtig, weil spannungsabhängige Ionenkanäle oder Rezeptoren von Neurotransmittern gestört sind. Findet sich eine verantwortliche Genvariante, kann im besten Fall eine gezielte Therapie Abhilfe schaffen.

Um diesen Genvarianten möglichst schnell und billig auf die Spur zu kommen, sequenziert CeGaT in zwei Schritten: Erst wird das gesamte Panel im Hochdurchsatz gescannt und nur die Treffer werden anschließend noch einmal überprüft. Dazu reichert CeGaT aus einer Blut- oder Gewebeprobe des Patienten erst die gesuchten DNA-Abschnitte an und vervielfältigt diese per Emulsions-PCR. Anschließend läuft einige Tage oder Wochen lang die Hochdurchsatz-Sequenzierung auf dem SOLiD (Sequencing by Oligonucleotide Ligation and Detection)-System von Applied Biosystems/life technologies. Finden sich danach in der DNA des Patienten Abweichungen von einer Referenz-Sequenz, werden diese Abschnitte noch einmal mit einer Sanger-Sequenzierung genau validiert (J Lab Med 2010;34(6):305–9). Alles in allem dauert die Diagnostik auf diese Weise höchstens ein paar Wochen oder wenige Monate.

Das Geschäft mit der Sequenzierung läuft gut. Inzwischen hat CeGaT 17 Mitarbeiter. Kunden aus der ganzen Welt schicken ihre Proben ein – darunter auch Forschungseinrichtungen, denn CeGaT bietet neben der Diagnostik auch „normale“ Sequenzierungen an. Der Gründerpreis brachte der kleinen Firma bisher hauptsächlich Medienrummel. Doch Saskia Biskup freut sich über die Auszeichnung. Den Erfolg erklärt sie sich damit, dass sie zur richtigen Zeit die passende Idee gehabt hätten. „Außerdem haben wir ein tolles Team und das Glück, dass wir gleich am Anfang die richtigen Mitarbeiter gefunden haben.“

Den Gründerpreis verleihen Stern, Sparkassen, ZDF und Porsche in Kooperation mit dem Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie seit 2002 jährlich in der Kategorie „Start Up“ an Unternehmen, die zwischen ein und drei Jahre alt sind und unter anderem einen überzeugenden Businessplan haben, erfolgreich in den Markt eingetreten sind und sich gut finanzieren. Förderer sind die Verlage Bertelsmann und Gruner + Jahr, die Süddeutsche Zeitung und die Versicherungen der Sparkassen. Die zwei Konkurrenten aus dem Finale waren übrigens die TerraTransfer GmbH aus Bochum, die vollautomatische Wasserstandsmessnetze entwickelt, und die Webo Werkzeugbau Oberschwaben GmbH aus Amtzell (Baden-Württemberg), die Werkzeuge und Prototypen für die Getriebeherstellung macht.

 

 

Valérie Labonté
Foto: Bärbel Schmidt



Letzte Änderungen: 04.03.2013