Editorial

Open Access nicht häufiger zitiert?

Frei zugängliche Open Access Artikel werden mehr gelesen und deshalb auch mehr zitiert als kostenpflichtige Artikel – so weit die Theorie. Doch die stimmt laut einer neuen Studie nur zum Teil.

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(7. April 2010) In Open Access (OA)-Zeitschriften zu publizieren bringt viele Vorteile. Erstens können Interessierte kostenlos auf die Artikel zugreifen. Zweitens ist es für die Autoren meist wesentlich billiger in einem OA-Journal zu publizieren, als in einem Abo-Journal. Allerdings, zu mehr Zitierungen – wie bisher vermutet – kommt man offenbar nicht. Diesen Schluss zieht Philip Davis von der Cornell University in Ithaca, USA in seiner aktuellen Studie im FASEB Journal (FASEB J. fj.11-183988; published ahead of print March 30, 2011).

Insgesamt untersuchte Davies 3.245 Artikel aus 36 Zeitschriften, die alle auf der Online-Datenbank Highwire abrufbar sind. Darunter waren beispielsweise Science und Genetics, aber auch Zeitschriften aus den Sozialwissenschaften und den Geisteswissenschaften. Für das Experiment wiesen die Herausgeber der teilnehmenden Zeitschriften ein Fünftel ihrer Artikel, die sie zwischen Januar 2007 und Februar 2008 veröffentlichten, nach dem Zufallsprinzip als OA-Artikel aus, die dann kostenlos für die Leser zur Verfügung standen. In Science beispielsweise waren in diesem Zeitraum zwölf Prozent der Artikel frei zugänglich, in Genetics 49 Prozent; insgesamt hatte Davis in seiner Stichprobe 712 OA-Artikel gegenüber 2.533 Bezahl-Artikeln.

Er erhob die Downloadzahlen im ersten Jahr – danach geben viele Zeitschriften ihre kostenpflichtigen Artikel ohnehin frei –, dazu die Anzahl der Zitationen für die ersten drei Jahre nach Erscheinen und fand folgendes heraus: OA-Artikel wurden im Schnitt doppelt so häufig heruntergeladen, gleichzeitig klickten die Nutzer um ein Fünftel weniger Abstracts an. Die Analyse der IP-Adressen der zugreifenden Computer ergab, dass ein Drittel mehr individuelle Leser die Artikel benutzten. Doch wurden die OA-Artikel in den ersten drei Jahren nicht häufiger zitiert als kostenpflichtige Artikel.

Davis erklärt das dadurch, dass diejenigen, die die Artikel auch zitieren – die aktiven Nutzer wissenschaftlicher Literatur – zumeist an „Elite“-Instituten seien, die ohnehin einen sehr guten Zugang zu Literatur hätten. Demnach sei es für diese Nutzergruppe weitgehend egal, ob Artikel kostenlos verfügbar seien oder nicht. Die aktiven Downloader vermutet er unter einer ganz anderen Gruppe: Schüler und Studenten, Pädagogen, Ärzte und Patienten, Regierungen und Forscher aus der Industrie, die sonst keinen Zugang zu den kostenpflichtigen Artikeln hätten. Wie diese Gruppen die Literatur verwenden und ob sie die heruntergeladen Artikel auch tatsächlich lesen, weiß man nicht. Nach Davis profitieren vom Open Access-Publishing jedenfalls vor allem diejenigen außerhalb der wissenschaftlichen Gemeinde.

Doch es gibt ähnliche Studien, die zu gegensätzlichen Ergebnissen kamen: Beispielsweise verglichen Yassine Gargouri et al. im Jahr 2010 die Zitationszahlen von 27.197 Artikeln aus 1.984 Journals, die zwischen 2002 und 2006 erschienen waren (PLoS ONE 5(10): e13636). Die Artikel waren entweder über das Magazin kostenpflichtig zu beziehen oder wurden vom Institut selbst archiviert und zum Herunterladen nach dem Open Access-Modell angeboten. In Gargouris Studie wurden die OA-Artikel signifikant häufiger zitiert, als die nicht frei zugänglichen des selben Jahres im selben Magazin.

Letztlich bleibt es jedem Forscher selber überlassen, für wen er publiziert: Ob nur für die „Elite“ mit gutem Bibliothekszugang, wie Davis sie nennt, oder tatsächlich frei verfügbar für alle Interessierten, ob nun Forscher oder nicht.


Valérie Labonté
Bildnachweis: Claudia Branca / photocase.com



Letzte Änderungen: 04.03.2013