Editorial

Pharma-Ghostwriter: von Geistern, die keine sind

Im Dezember brachte der britische Observer einen Skandal. Viele Fachartikel, die unter dem Namen von Ärzten erschienen, hieß es, seien in Wirklichkeit von Ghostwritern geschrieben, die im Dienste der Pharmafirmen stehen. Eine heiße Story! So interessant sie uns aber erschien - die deutschen Fälle hielten unserer Nachrecherche nicht stand.

In dem Observer-Artikel beschreibt etwa eine ehemalige Medical Writerin, wie sie vor dem elektronischen Einreichen des Manuskripts alle Hinweise auf die ursprünglichen Auftraggeber aus dem Dokument tilgen musste. Und ein britischer Psychiater erzählt, eine Pharmafirma hätte ihn "eingeladen", Autor eines Reviews über Antidepressiva zu werden. Doch weil dem Arzt das Firmenprodukt zu positiv beschrieben war, zog der Hersteller seine Einladung zurück und der Beitrag erschien unter dem Namen eines anderen Arztes. (Nachzulesen unter: http://observer.guardian.co.uk/uk_news/story/0,6903,1101680,00.html.)

Zum ersten Fall heißt es im Observer, das renommierte New England Journal of Medicine (NEJM) habe den entsprechenden Artikel zurückziehen müssen. Durch den Anruf des deutschen Kardiologen Hubert Seggewiss, einer der Co-Autoren, sei herausgekommen, dass er und einige andere das Manuskript vor der Veröffentlichung nie gesehen hatten.

Mit bekannten Namen protzen

Schon beim Blick auf das Thema des Papers wunderten wir uns. Eine neue Operationstechnik zur Therapie von Kardiomyopathie? Das ist nicht gerade etwas, worauf die Pharmabranche heimlich ihre Ghostwriter ansetzen müsste. Seggewiss, Chefarzt am Schweinfurter Leopoldina Krankenhaus bestätigte dann auch nur, dass beim Einreichen des Papers seine Unterschrift gefälscht wurde. Mit Pharma habe das aber gar nichts zu tun. "Einer der Autoren wollte wohl einfach ein paar bekannte Namen auf seinem Artikel", vermutet er. Komisch. Hat der Observer-Redakteur da etwas falsch verstanden?

Beim zweiten deutschen Fall schien ein solcher Irrtum auf ersten Blick unwahrscheinlicher. Geht es doch um eine Medikamenten-Studie zu Pro-tonenpumpeninhibitoren (PPIs). Stein des Anstoßes sind die Danksagungen, in denen eine gewisse Made-line Frame auftaucht. Was der Autor der Studie, ein deutscher Magenforscher, nicht erwähnt: Frame ist als Medical Writer bei Astra Zeneca angestellt.

Paper und Autor zu finden erweist sich mit Hilfe des Internet als nicht allzu schwierig (Labenz et al., Alimentary Pharmacology and Therapeutics 17, S. 1015). Doch wir finden über "Google" auf Anhieb noch eine Hand voll Paper mehr, bei denen Frame in den Danksagungen auftaucht. Sind denn die alle so blöd, eine direkte Spur zu einer Pharma-Ghostwriterin auf sich zu ziehen?

Es sind dann auch gleich mehrere Gastroenterologen, die dieser Deutung widersprechen. "Klar kenne ich Madeline Frame", meint etwa der Bayreuther Gastropathologe Manfred Stolte. "Sie hat gerade drei Manuskripte von mir zur sprachlichen Überarbeitung." Und ja, sie arbeite für Astra Zeneca. Das stünde bei ihm auch immer dabei. "Aber eine Ghostwriterin? Nein, das ist die Dame bestimmt nicht."

Und bei der PPI-Studie? Erstautor Labenz vom Siegener Jung-Stilling-Krankenhaus stellt klar: "Madeline Frame war inhaltlich überhaupt nicht beteiligt." Das Paper sei vorher auf Deutsch im Deutschen Ärzteblatt erschienen. Frame habe lediglich bei der Übertragung ins Englische geholfen.

Reine Freundschaftsdienste?

Aber warum hat er den Namen Astra Zeneca nicht genannt? "Es ist einfach nicht üblich, in die Acknowledgements zu schreiben, wo die Leute arbeiten", erklärt Labenz gequält. Er sei seit Jahren freundschaftlich mit Frame verbunden, und sie würde ein solches Lektorieren für viele Wissenschaftler anbieten.

Dass er damit nicht allein ist, bestätigt auch ein anderer unserer "Google-Funde": ein Review von Helicobacter-Forscher Sebastian Suerbaum von der MH Hannover (NEJM 347, S.1175). Auch hier finden sich dankende Wort für Frau Frame. Und auch hier fehlt ein Hinweis auf Astra Zeneca. "Sie hat in einem 24-Stunden-Einsatz den Word Count des Artikels verringert", erklärt Suerbaum. Er kenne die Dame aber nicht persönlich, ihre Hilfe sei ein Gefallen für seinen Mit-Autor Pierre Michetti gewesen.

Nun kann man sich streiten, welche Formen der Beziehungspflege öffentlich gemacht werden muss. Ist das Lektorieren eines Papers ein Fall von Sponsoring? Gehört der Hinweis auf Astra Zeneca in die Acknowledgements? Selbst wenn man diese Fragen mit ja beantwortet - mit Pharma-Ghostwriting haben diese Fälle trotzdem nichts zu tun. Was immer den Observer-Redakteuer da auch geritten hat.

Wer weiß mehr?

Aber können wir jetzt entspannt aufatmen? Ist die Pharmaindustrie doch nicht so hintertrieben? Geben sich Deutschlands Ärzte für so etwas nicht her? Wir wollten es gern glauben. Dann aber lasen wir im Internet wie ein Medical Writer für seine Dienste wirbt... (Abb. S. 16 unten)

Wer mag da noch glauben, dass es für solch ungenierte Ghostwriter-Angebote keinen Markt gibt? Daher würden wir von Ihnen, liebe Leser, gern wissen: Haben Sie als Forscher schon mal ein "unmoralisches Angebot" erhalten? Wollte Sie schon einmal ein Medikamenten-Hersteller als Autor für ein Paper gewinnen, das schon fertig geschrieben war?

Egal in welcher Form Pharma-Ghostwriting Ihnen begegnet ist, erzählen Sie uns davon: redaktion@laborjournal.de.

Brynja Adam-Radmanic



Letzte Änderungen: 09.06.2004