Editorial

RNAi als Auslaufmodell

Was stört mich mein Geschwätz von gestern: Roche machte im Dezember den Anfang und schraubte die RNAi-Forschung drastisch zurück. Zwei Monate später folgt Pfizer.

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Hat RNAi ausgedient? Für manche Firmen anscheinend schon.

(18. Februar 2011)  Die erst vor wenigen Jahren nobelgepreiste RNAi-Technologie verliert weiter an Boden – zumindest in der Pharmabranche. Dass der Schweizer Roche-Konzern unlängst seine RNAi-Abteilungen zugemacht hat, dürfte mittlerweile hinlänglich bekannt sein (Informationen darüber sind u.a. hier und hier zu finden, ferner in den gedruckten Ausgaben von Laborjournal (Heft 12/2010, Seite 52) sowie von Lab Times (Heft 1-2011, Seite 42-43).

Doch vor wenigen Tagen entsorgte auch der weltgrößte Pharmakonzern Pfizer weite Teile der hauseigenen RNAi-Forschung. Am 1. Februar verkündete die US-Firma während der Vorstellung ihrer Unternehmensergebnisse fürs abgelaufene Jahr 2010, dass man die deutsche Filiale in Düsseldorf schließen werde.

 

Einstmals eigenständig

 

Diese Filiale nannte sich früher „Coley Pharmaceutical GmbH" und erforschte und entwickelte als solche Therapeutika, die auf Nukleinsäuren basieren. Im November 2007 wurde Coley vom Pfizer-Konzern für 164 Millionen US-Dollar übernommen und in „Pfizer Oligonucleotide Therapeutics Unit (OTU)" umbenannt (Hauptsitz: Cambridge). Die Web-Adresse der frisch einverleibten Tochterfirmen in Cambridge und Düsseldorf lautete seitdem www.pfizerrnai.com.

Deren Motto: „… to develop the therapeutic applications of RNAi, and to apply innovative science to solve the difficulties inherent in RNAi therapeutics. Applying our capabilities across a broad range of technologies, our mission combines the best of both worlds - small innovative scientific groups, with the backing of a large pharma."

Die einstmals selbständige Biotechfirma Coley Pharmaceutical wurde 1997 vom US-Forscher Arthur Krieg (University of Iowa) gegründet. Krieg hatte als einer der ersten entdeckt, dass bestimmte synthetische DNA-Moleküle bei Zellen des Immunsystems (genauer: an Toll-ähnlichen Rezeptoren, TLR) eine Wirkung hervorrufen und sich somit eventuell als Arzneimittel einsetzen lassen: Man könne auf diese Weise die natürlicherweise vorhandene, körpereigene Attacke auf unerwünschte Störenfriede (Krankheitserreger oder Krebszellen) verstärken.

In Düsseldorf befand sich aus historischen Gründen (Qiagen war seinerzeit an der Gründung beteiligt) das Europäische Hauptquartier mit den Forschungslaboren des Unternehmens. Zahl der Mitarbeiter: etwa 40. Coley-Gründer Krieg leitete seit 2007 von Cambridge aus die RNAi-Forschung des Pfizer-Konzerns.

 

Mangelhafte Qualität von RNAi-Studien?

 

Krieg ist allerdings auch ein erklärter Kritiker der angewandten RNAi-Forschung. In der NY-Times vom 7. Februar wird er wie folgt zitiert:

"[…] Krieg […] said he looked at 35 studies in which RNAi drugs were reported to have shrunk tumors in animals. Only two of the studies used controls that could rule out the possibility that the tumor shrinkage was caused by an immune response, rather than a silencing of specific  genes."

Mit anderen Worten: Krieg bezweifelt ernsthaft, ob es wirklich immer RNAi-Effekte seien, die letztlich zum therapeutischen Effekt führten – oder ob nicht vielmehr eine unbemerkte – Immunantwort aufs RNAi-Therapeutikum einen Heilungserfolg verursacht habe.

Der erwähnte NY Times-Artikel thematisiert ferner das nach wie vor ungelöste Problem des siRNA-Wirkstofftransports:

„But the biggest challenge has been delivery. RNA is quickly broken down in the bloodstream. And even if it gets to the cells in the body where it is needed, it has trouble entering the cells."

Doch diese Delivery-Hürden sind nichts Neues – und hatten die Pharmafirmen bisher auch nicht davon abgehalten, Milliarden in die RNAi-Technologie zu investieren.

Seit Anfang Februar jedenfalls ist klar, dass die Zukunft der 40 deutschen Pfizer-Angestellten sowie (laut NY Times) die von 60 weiteren Kollegen weltweit auf wackeligen Beinen steht. Der nordrhein-westfälische Standort von Pfizers „Oligonucleotide Therapeutics Unit" werde geschlossen. Ob die laufenden Projekte und Partnerschaften weitergeführt würden, sei „unklar", so Pfizer in einer Pressemitteilung.

Times they are a Changing

Wie schnell sich die Zeiten ändern. Während der Firmenübernahme vor drei Jahren verkündete der damalige Coley-Firmenchef noch mit inbrünstiger Überzeugung, man könne wirklich keinen „engagierteren oder kompetenteren Partner" finden als Pfizer. Und gegenüber einer Lab-Times-Reporterin behauptete der deutsche Pfizer-Sprecher Martin Fensch doch glatt noch vor wenigen Wochen (im Januar 2011):

"Technologies with the aim to silence specifically pathogenic genes are promising. However, there are some hurdles to get over."

Was Fensch wohl mit „Hürden" meint? Etwa die Herausforderung, ab sofort ohne „innovative scientific groups" und ohne „innovative science" an  „promising technologies" zu forschen?

Winfried Köppelle



Letzte Änderungen: 04.03.2013