Editorial

Sensationeller Dokumentenfund: Charles Darwins Antrag auf Sachbeihilfe

Ein Fund von noch nicht abzuschätzender Bedeutung wurde der Laborjournal-Redaktion Mitte August 2009 von Frantisek Kolar zugespielt. Es handelt sich um unveröffentlichte Briefe aus dem Nachlass des Kapitäns Evariste Jan Kolar (1804-1883).

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(18. August 2009) Der aus Zhotovil gebürtige Böhme besaß mit 23 Jahren ein Kapitänspatent, einen Rauschebart und eine Leidenschaft. Letztere galt, wie sein Enkel Frantisek Kolar schreibt, den "Verwaltungsverschraubungen", d.h. Dokumenten , "die Sprachgewalt und Willkür über Inhalte setzen". Kostbarste Perle dieser "Verwaltungsverschraubungen" sind einige Briefe der Stiftung des Herzogtums Sachsen-Gotha und Gotha zur Förderung der Naturgeschichte an Charles Darwin. Diese Briefe sind der Darwin Forschung bis dato unbekannt gewesen. Kolar, so versichert uns sein Enkel, scheint Darwin am 19. November 1833 am Rio Negro kennen gelernt zu haben. Im Sommer 1838 besuchte Kolar den Naturforscher in London. Darwin wohnte damals in der Great Marlborough Street und war gerade auf einem Tiefpunkt seiner wissenschaftlichen Karriere angelangt. Er hatte anscheinend bei der oben erwähnten Stiftung einen Antrag auf Sachbeihilfe eingereicht - um die Artefakte auszuwerten, die er auf der Reise mit der Beagle gesammelt hatte - und dieser Antrag war abgelehnt worden. Darwin klagte seinem Freund Kolar seine Verzweiflung und war anscheinend so wütend über die Absage und insbesondere wohl über die Gutachten, dass er die von der Stiftung erhaltenen Briefe ins Kaminfeuer werfen wollte. Kolar hielt ihn davon ab und erbat sie als Geschenk.

Es handelt sich um acht Briefe und zwei anonyme Gutachten. Ein Zitat aus dem ersten Gutachten mag Darwins Wut verständlich machen: "Herr Darwin beantragt finanzielle Unterstützung zur Aufarbeitung von ihm gesammelter Proben der letzten fünf Jahre. Dies ist ein Erstantrag und der Antragsteller ist bislang keiner führenden antragsberechtigten Institution zugeordnet. Als Ziel seiner Studien erhofft sich Herr Darwin eine ultimate Erklärung der Ursachen über die angebliche Veränderlichkeit von Arten. Diese Frage ist nicht neu und keinesfalls innovativ; an zahlreichen Exzellenzzentren im In- und Ausland arbeiten etablierte und hoch vernetzte Arbeitsgruppen an dieser Fragestelleung, ich verweise hier nur auf die Arbeitsgruppen von Buffon, Lamarck, Saint Hilaire, Wells, von Buch, Grant etc. ..."

Gezeichnet wurde die Briefe unter anderen vom Abteilungsvorsteher Naturkunde der Stiftung des Herzogtums Sachsen-Gotha und Gotha, einem Professor Engelsbrunner, der keinerlei Eindruck im Brei der Wissenschaftsgeschichte gemacht zu haben scheint, dem Justitiarius Franz Casimir Polle, einem Doctor Martinus Brändle und dem Praktikanten und stud. phil. Hubertus Löckebömmel.

Frantisek Kolar hält seinen sensationellen Fund für Dokumente "schaumsprachlichen Imponiergehabes selbstgefälliger Wissenschaftsfunktionäre". Die Laborjournal-Redaktion ist sich jedoch nicht so sicher, ob die sorgfältige Arbeit der Stiftungsbeamten derart leichtfertig abgewertet werden darf. Immerhin handelt es sich bei dem Träger der Stiftung, einem ernestinischen Herzogtum, um einen Kleinstaat, dessen paar hunderttausend Bauern die Zahlung einer nicht unbeträchtlichen Zahl Thaler an einen Ausländer sauer aufgestoßen wäre. Dennoch haben wir bei Herrn Kolar angefragt, ob wir seine Dokumente veröffentlichen dürfen. Sobald das Jawort kommt, können Sie lesen, wie es Darwin auch nicht besser ging als Ihnen.



Hubert Rehm

Foto: iStock/webking


Letzte Änderungen: 04.03.2013