Editorial

Ende eines Sonderforschungsbereichs



Der Waldforschung an der Universität Göttingen droht die Holzaxt. Bei der Beantragung und Verwendung von Forschungsgeldern soll es zu Unregelmäßigkeiten gekommen sein. Bisherige Folgen: Ein zurückgezogener Antrag, 8,6 Millionen Euro Verluste und ein riesiger Imageschaden.

(20. Mai 2009) Im Sonderforschungsbereich (SFB) 552 "Stabilität von Randzonen tropischer Regenwälder in Indonesien" der Universität Göttingen soll es zu Täuschungsversuchen gekommen sein. Der Vorwurf: Angabe nicht existenter Publikationen in einem Antrag an die DFG. Nach Angaben der Universität Göttingen waren im Antrag 294 Publikationen aufgelistet. 63 dieser Publikationen waren als "eingereicht" vermerkt. Bei der Überprüfung stellte sich jedoch heraus, dass 29 davon später eingereicht wurden als angegeben, vier Manuskripte waren gar nicht eingereicht worden und drei Manuskripte konnten nicht einmal vorgelegt werden. Auch die Verwendung bewilligter Mittel ist Gegenstand von Untersuchungen durch DFG und Universität.

Überflüssige Täuschungsmanöver

Erste Verdachtsmomente hatten sich bei der Begutachtung des Fortsetzungsantrags durch die DFG im Februar 2009 ergeben. Gerüchte gab es schon früher: Im November 2008 wurde Laborjournalist Rehm auf einen sich anbahnenden "riesigen" Skandal in Göttingen hingewiesen, dem er aus Zeitmangel aber nicht nachging. Im März 2009 leitete die DFG ein Verfahren zur Untersuchung des Vorwurfs wissenschaftlichen Fehlverhaltens ein und bat die unter Verdacht stehenden Wissenschaftler um eine schriftliche Stellungnahme. Im gleichen Monat zog die Universität Göttingen den Fortsetzungsantrag an die DFG zurück - im Einvernehmen mit den beteiligten Wissenschaftlern.

Unmittelbar nach Bekanntwerden des Verdachts beim SFB 552 war auch die Ombudskommission der Universität Göttingen eingeschaltet worden. Ihre Vorprüfung ergab hinreichenden Verdacht in 16 Einzelfällen. Die unter Verdacht Geratenen sind an unterschiedlichen Teilprojekten beteiligt und hatten ihren eigenen Teilantrag gestellt. Gemäß den Göttinger Statuten überwies die Ombudskommission das Verfahren dann an eine Untersuchungskommission der Universität Göttingen zur förmlichen Untersuchung. Die bemüht sich seitdem um die Aufklärung der Vorgänge im SFB 552.

Dass es überhaupt zu einem Skandal kam, ist wohl das traurige Ergebnis hochgradiger Dummheit. Die DFG-Generalsekretärin, Dorothee Dzwonnek, sagte, der im Jahre 2000 gegründete SFB habe in den vorangegangenen Förderperioden ausgezeichnete wissenschaftliche Arbeit geleistet und sei dementsprechend jeweils weiter bewilligt worden. Wahrscheinlich, so der Eindruck der Laborjournal-Reporterin, wäre der Antrag durchgegangen, hätte es keinen Betrugsversuch gegeben.

Am SFB sind etwa 100 deutsche und indonesische Wissenschaftler beteiligt. Wegen der Falschangaben einiger ihrer Kollegen endet die Finanzierung des SFB 552 nun vorzeitig Ende Juni diesen Jahres, nachdem der SFB in den vergangenen neun Jahren 16,6 Millionen Euro an Fördergeldern erhielt. Den Betroffenen gehen 8,6 Millionen Euro durch die Lappen. Zudem überprüfen Universität und DFG aufgrund von internen Hinweisen die Verwendung bewilligter Mittel im SFB 552. Bereits im September 2007 war es zu Beanstandungen gekommen. Laut Spiegel Online habe die Universität Kassel, die bis 2008 am Göttinger Forschungsprogramm beteiligt war, Abrechnungsprobleme über eine Summe von weniger als 1000 Euro gehabt. Zudem seien Reisekosten und Fremdleistungen in Indonesien über knapp 10 000 Euro nicht ordnungsgemäß belegt worden. Hat hier etwa jemand Urlaub auf Kosten der DFG gemacht oder gab es in Indonesien für Bestechungsgelder keine Quittungen? Darüber hinaus soll es laut Spiegel Online im SFB 552 zur kreativen Umbuchung überschüssiger Mittel gekommen sein - unter Umgehung von DFG-Richtlinien. Die Leitung der Universität Göttingen betont, sie habe Tricks zu Lasten der DFG stets abgelehnt.

Verdacht auf Falschangaben bei eingereichten Manuskripten kam auch auf, als die DFG den Verlängerungsantrag des thematisch und personell mit dem SFB 552 verflochtenen Graduiertenkollegs 1086 begutachtete. Dieses beschäftigt sich mit der "Bedeutung der Biodiversität für Stoffkreisläufe und biotische Interaktionen in temperaten Laubwäldern". Auch hierzu haben die Universität Göttingen und die DFG Untersuchungen eingeleitet. Die Entscheidung über den Verlängerungsantrag wurde auf Ende November verschoben. Bis dahin erhalte das Graduiertenkolleg im Interesse der Doktorandinnen und Doktoranden eine Überbrückungsfinanzierung, so die DFG gegenüber Laborjournal.

Sollten sich die Vorwürfe erhärten, drohen den Schuldigen Disziplinarmaßnahmen und Mittelrückforderungen.

Richtlinien zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis unbekannt?

1998 hatte die DFG im Nachklang des Skandals um Friedhelm Herrmann und Marion Brach Empfehlungen zur Selbstkontrolle der Wissenschaft herausgegeben. Um Mittel der DFG in Anspruch nehmen zu können, mussten Hochschulen und andere Forschungseinrichtungen in eigener Regie entsprechende verbindliche Regeln einführen. Auch an der Universität Göttingen gibt es solche "Richtlinien (...) zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis". Sie sind über das Internet frei zugänglich. Als wissenschaftliches Fehlverhalten nennen sie explizit "unrichtige Angaben in einem Bewerbungsschreiben oder einem Förderantrag (einschließlich Falschangaben zum Publikationsorgan und zu in Druck befindlichen Veröffentlichungen)". Die von den Täuschungsvorwürfen Betroffenen seien des Deutschen mächtig, teilte die Pressestelle der Universität auf Anfrage von Laborjournal mit. Man sollte daher annehmen, dass ihnen diese Vorschriften bekannt waren und sie sie verstanden haben. Die derzeit untersuchten Vorfälle in Göttingen sind kein Einzelfall. Dies zeigen die Berichte des Ombudsman-Gremiums der DFG (mehr...). Der Ombudsman ist eine unabhängige Beratungs- und Vermittlungsinstanz, an die sich Forscherinnen und Forscher in Deutschland bei Verstößen gegen die wissenschaftliche Redlichkeit wenden können. Ein Bezug zur DFG ist dazu nicht nötig. Auch Vertrauenspersonen an der eigenen Forschungseinrichtung sind Ansprechpartner.

Die Sprecherin des Ombudsman-Gremiums, Ulrike Beisiegel, stellte im DFG-Magazin forschung fest, dass die Richtlinien zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis zwar formal an allen Forschungseinrichtungen in Deutschland eingeführt seien - ihr Inhalt sei jedoch noch nicht im Alltag der Wissenschaft angekommen. Der Ombudsman berichtet immer wieder über die gleichen Missstände: Benachteiligung bei der Autorschaft, unberechtigte Mitautoren, mangelnde Förderung von Nachwuchswissenschaftlern, Plagiate, Falschangaben in Forschungsanträgen sowie Fehlverhalten von Gutachtern.

Die Hinweisgeber werden immer noch mit Undank belohnt

"Eine ausgesprochen traurige Erfahrung ist, dass den Hinweisgebern zum Teil deutliche Nachteile entstehen", so Beisiegel. Dies kann bis zum erzwungenen Ausscheiden aus der Forschung gehen. Der DFG-Ombudsman berät ausdrücklich auch Hinweisgeber, die Sanktionen ausgesetzt sind.

"Vor allem die Universitätsleitungen müssen sensibilisiert werden, denn statt aktiv gute wissenschaftliche Praxis zu fördern und Verstöße ernsthaft zu ahnden, wird bisher fragliches Fehlverhalten immer wieder heruntergespielt und nicht weiter verfolgt", kommentierte Beisiegel. Angesichts des Imageschadens und der finanziellen Verluste, die die Universität Göttingen erlitten hat, könnten diese Damen und Herren nun nachdenklich werden.



Bettina Dupont



Letzte Änderungen: 04.09.2009