Editorial

Backpfeife fürs Helmholtz-Zentrum

Der vor einem Jahr gekündigte Institutsleiter Jean-Marie Buerstedde hat den Prozess gegen seinen Arbeitgeber gewonnen: Die Kündigung des Wissenschaftlers ist unwirksam. Das Helmholtz-Zentrum München muss Buerstedde weiterbeschäftigen.

(5. April 2009) Unter dem Titel Selbstzerfleischung eines Instituts berichtete Laborjournal im Dezember über dubiose Vorkommnisse rund um die fristlose Entlassung eines Institutsleiters am Münchener Helmholtz-Zentrum (Ausgabe 12/2008, Seite 12-18). Im Juni 2008 hatte man diesen gefeuert und ihm gleichzeitig Hausverbot erteilt - eine ungewöhnlich heftige Maßnahme, die damals unter Wissenschaftlern für Kopfschütteln gesorgt hatte.

Massive Verfehlungen?

Der bewusste Institutsleiter, Jean-Marie Buerstedde, habe sich "massiver Verfehlungen" gegenüber seinen Mitarbeitern schuldig gemacht, das Fortführen des Arbeitsverhältnisse sei somit "nicht zumutbar" gewesen. So lautete die Version des Geschäftsführers des Helmholtz-Zentrums, Nikolaus Blum, im Herbst 2008 gegenüber Laborjournal. Ansonsten gab sich das Helmholtz-Zentrum geheimniskrämerisch.

Der beschuldigte Institutsleiter, Jean-Marie Buerstedde, bestritt die Vorwürfe. Er habe nichts zu verheimlichen und sei vom Rausschmiss "völlig überrascht" worden. Die zahlreichen, der LJ-Redaktion vorliegenden Dokumente stützten Buersteddes Darstellung weitgehend (siehe o.g. Artikel in der LJ-Ausgabe 12/2008).

Buerstedde klagte 2008 beim Arbeitsgericht München gegen die Rechtswirksamkeit der Entlassung sowie auf Weiterbeschäftigung. Seit etwa neun Monaten kann der Wissenschaftler wegen des erwähnten Hausverbots seine Forschungen nicht fortführen. Auch einige von ihm betreute Doktoranden erlitten durch Buersteddes Kündigung Nachteile (erhebliche Zeitverzögerung der Promotionen etc.).

Informationssperre

Buersteddes Ankläger (etwa fünf Personen, darunter eine Doktorandin, TAs und der stellvertretende Institutsleiter) wollten im Herbst 2008, trotz mehrmaliger Bitte, gegenüber Laborjournal keine Stellungnahme abgeben. Die Personalstelle des Helmholtz-Zentrums bestritt wenig glaubhaft, dass ein "Maulkorb-Erlass" verhängt worden sei. Dem gegenüber gaben einige der erfolglos von Laborjournal Befragten damals an, sie dürften gegenüber der Presse nichts sagen. Das sei ihnen "verboten worden".

Nun existiert ein Richterspruch. Die 37. Kammer des Amtsgerichts München gab Buerstedde weitgehend Recht. Das Gericht erkannte unter anderem, dass die Klage Buersteddes "zulässig und begründet" sei, und dass das Arbeitsverhältnis zwischen Buerstedde und dem Helmholtz-Zentrum nicht (!) beendet wurde.

"Klage gegen Kündigung ist begründet"

Die Gründe, welche vom Arbeitsgericht angeführt werden, sind eine schallende Ohrfeige für das Helmholtz-Zentrum München bezeihungsweise für dessen ausführende Personen: den Vorstand, den Betriebsrat und die Personalchefin. Es sieht nämlich so aus, dass das Helmholtz-Zentrum im Falle der Buerstedde-Kündigung vorschnell und schlampig gehandelt hat:

- Buerstedde wurde nicht abgemahnt, obwohl eine vorhergehende Abmahnung laut Gericht bei einer derartigen Kündigung "grundsätzlich erforderlich" sei.

- Der vom Helmholtz-Zentrum vorgebrachten Sachverhalt (sprich: der Kündigungsgrund) sei laut Gericht "nicht präzise genug". Man könnte daher "nicht von schwerwiegenden Persönlichkeits-, Ehr- oder Gesundheitsverletzungen [...] ausgehen, die eine Abmahnung entbehrlich machen würden".

- Die gegen Buerstedde vorgebrachten Klagen seien laut Gericht "nicht ausreichend mit konkreten Tatsachen belegt".

Der etwas durchsichtige Versuch des Helmholtz-Zentrums, mit dem (nachgeschobenen) Vorwurf der missbräuchlichen Arbeitsmittelbenutzung den Prozessverlauf noch zu drehen, scheiterte ebenfalls: Angeblich habe Buerstedde seinen Arbeits-Laptop rechtswidrig für private Zwecke benutzt, behaupteten die Helmholtz-Oberen (wohl um einen "harten" Grund für eine fristlose Kündigung zu haben). Pech gehabt: "[Es sei] nicht unüblich, wenn dieser Laptop auch von zu Hause aus und auf Reisen genutzt [werde]", urteilten die Richter.

Das Helmholtz-Zentrum kann noch bis zum 27. April 2009 gegen dieses Urteil Berufung einlegen. Falls es darauf verzichtet, kann Jean-Marie Buerstedde ab Mai wieder in seinem Münchener Labor forschen.

Winfried Köppelle



Letzte Änderungen: 29.04.2009