Editorial

Touche für Tuschl!

Können wir deutsche Eliteforscher aus den USA wieder nach Deutschland locken? Vielleicht mit einer Pensionsberechtigung und viel Geld zum Forschen? Klingt doch ganz gut - reicht leider nicht immer.

(4. März 2009) Der Entdecker der RNA-Interferenz in Säugerzellen, Thomas Tuschl, Associate Professor der Rockefeller Universität New York, hat laut einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung vom 28.2.09 eine Professur an der Freien Universität Berlin (Nachfolge Volker Erdmann) abgelehnt. Dies obwohl ihm ein 13 Millionen Euro Etat auf fünf Jahre zugesagt worden war.

Als Grund gibt Tuschl an, dass die FU Berlin nicht auf ihn eingegangen sei. Man habe nicht von Verhandlungen sprechen können, sondern von administrativen Vorgaben. Insbesondere habe die FU Lebenszeitstellen für seine Arbeitsgruppenleiter abgelehnt bzw. Tuschls diesbezügliche Forderungen ignoriert. Stattdessen habe er sich vor einem zwölfköpfigen Universitätsgremium, dem keine einzige Person mit molekularbiologischer Forschungserfahrung angehörte, wegen seiner Forderung nach einer Spülkraft und einer Sekretärin herumstreiten müssen. Tuschl gewann den Eindruck: "Die Verwaltung hatte offenbar ihre eigene Vorstellung, wie ein Professor sein Labor zu leiten hat. Was ich mir darunter vorstelle, hat niemanden ernsthaft interessiert." Tuschl kam in dem Interview zu dem Schluss: "Ich glaube, es ist dem Verwaltungsapparat offenbar sehr fremd, auf die Bedürfnisse einiger Wissenschaftler einzugehen. So demonstrierte die Verwaltung nur ihre Autorität, ohne eine konstruktive Lösung anzustreben."

Ja, Herr Tuschl genauso so isses!

Es spielt für die deutsche Wissenschaftsverwaltung kaum eine Rolle was einer kann und geleistet hat. Wichtig ist es, ob er sich in einen gegebenen Rahmen einfügen kann. Und warum ist das so? Weil es den deutschen Wissenschaftsbürokraten schlichtweg gleichgültig sein kann, was bei den von ihnen verwalteten Forschern herauskommt. Die Wissenschaftsbürokraten haben ihre Festzeitstellen, die werden nicht gekündigt, die bekommen das gleiche Geld - ob sie nun einen Nobelpreisträger an ihrer Uni haben oder nicht.

Die deutsche Universität müsste eine grundsätzlich andere Führungsstruktur bekommen: Statt von Gremien mit inkompetenten Klientelvertretern, die für die Folgen ihrer Handlungen nicht gerade stehen müssen, sollten Entscheidungen, insbesondere Berufungsentscheidungen, von einem Einzigen getroffen werden, sei es Dekan oder Präsident. Der aber muss dann auch die Folgen seiner Entscheidung spüren, und das sollte bis zur Entlassung gehen können.

Solch ein System gab es schon mal in Deutschland, am striktesten war es in Berlin, und es ist kein Zufall, dass damals die meisten Nobelpreise in diese Stadt gingen. Allein, so ändern sich die Zeiten ...

Lieber Herr Tuschl, seien sie froh, dass aus der Sache nichts geworden ist. In Berlin, oder an einer beliebigen anderen deutschen Universität, wären sie innerhalb von Monaten zum Bürokraten mutiert und nur noch von Sitzung zu Sitzung gerannt.



Siegfried Bär



Letzte Änderungen: 19.04.2009