Editorial

Unter Verdacht

Die Staatsanwaltschaft ermittelt, ob der Vorsitzende der Deutschen Gesellschaft für Stammzellforschung, der Kölner Jürgen Hescheler, gegen das deutsche Stammzellgesetz verstoßen hat.

(8.12.2008) Der Kölner Stammzellforscher Jürgen Hescheler taucht gerade öfter in den Medien auf als ihm lieb ist. Vor allem, da die Überschriften sich nicht besonders schmeichelhaft lesen: "Im Dunkeln der Labore" (Rheinischer Merkur) "Kölner Forscher verletzt Gesetz" (Rheinische Post), "Verbotene Stammzellforschung?" (Die Welt).

Hescheler soll mit humanen Embryonalen Stammzellen (hES-Zellen) gearbeitet haben, ohne die entsprechende Genehmigung durch das Robert-Koch-Institut (RKI) erhalten zu haben. Offenbar hat er diese zum Teil nicht einmal beantragt. Damit hätte Hescheler klar gegen das Stammzellgesetz (StZG) verstoßen, weswegen jetzt die Staatsanwaltschaft ermittelt.

Die Arbeit mit hES-Zellen ist in Deutschland nach StZG nur in Ausnahmefällen erlaubt. Zuvor muss auf jeden Fall ein Antrag an das Robert-Koch-Institut (RKI) in Berlin gestellt werden. Dieses prüft, ob bestimmte Kriterien erfüllt sind und erteilt erst dann eine offizielle Genehmigung für die Versuche. So dürfen etwa die Stammzellen nicht nach dem Stichtag 1. Januar 2007 hergestellt worden sein.

Hescheler ist Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Stammzellforschung. Als Pionier in diesem Forschungsfeld hat er sich vornehmlich auf Herzstammzellen spezialisiert. Er spricht sich für eine Abschaffung des Import-Stichtags und anderer Restriktionen aus und fordert somit weitgehende Freiheit für die Stammzellforschung.

Das RKI hatte Hescheler in der Vergangenheit bereits vier Studien mit hES-Zellen genehmigt. Unter anderem erlaubte es Hescheler mit der Linie H1 zu arbeiten, die älteste etablierte Stammzelllinie aus den USA.

Das StZG beinhaltet nun die Möglichkeit, bestehende Zulassungen durch einen Folgeantrag zu erweitern. Im betreffenden Fall hatten Tübinger Forscher um Arnulf Stenzl und Thomas Skutella spermatogoniale Stammzellen (SSC) aus Hoden-Biopsien mit hES-Zellen verglichen um sie auf Stammzelleigenschaften, wie etwa Pluripotenz, zu untersuchen. Das Team publizierte die Ergebnisse in Nature (Bd. 456, S. 344-9), Hescheler erscheint als Co-Autor.

Die Vergleichsexperimente mit hES-Zellen fanden in Heschelers Kölner Labor statt. Dazu verwendeten die Forscher sowohl H1-Zellen, als auch eine weitere hES-Zelllinie, die Hescheler vom britischen Forscher Steven Minger bezogen hatte. Dieses Projekt soll sich allerdings nicht unter den genehmigten Anträgen des RKI befunden haben.

Die Sache wurde erstmals publik, als die Rheinische Post am 13. November in einem Online-Artikel darüber berichtete. Darin kam auch der CDU-Bundestagsabgeordnete und Bioethiker Hubert Hüppe zu Wort. Dieser ist stellvertretender Vorsitzender der "Christdemokraten für das Leben", die Stammzellforschung grundsätzlich ablehnen.

Einen Tag später veröffentlichte Hüppe eine Pressemitteilung mit dem Titel "Verstoß gegen das Stammzellgesetz - aus Steuergeldern finanziert?". Darin wirft Hüppe Hescheler vor, er habe ohne Genehmigung des RKI, sondern stattdessen nach "eigenem Gutdünken" geforscht. Hüppe forderte daher eine Überprüfung der Sachlage.

Das RKI, welches dem Bund zugeordnet ist, nahm sich umgehend der Sache an. Es prüfte alle vorliegenden Anträge Heschelers in Bezug auf die Nature-Publikation und leitete die Unterlagen an die Staatsanwaltschaft Köln weiter. Von Seiten Heschelers, der Universität Köln sowie der Staatsanwaltschaft Köln sind dazu keine weiteren Informationen zu erhalten, bis die Ermittlungen abgeschlossen sind. "Die Unterlagen werden zur Zeit ausgewertet.", so Justizsprecher Günther Feld von der Staatsanwaltschaft Köln.

Kritiker werfen Hescheler unterdessen vor, neben der H1-Linie unerlaubt eine Stammzelllinie aus dem Londoner Labor von Steven Minger für die Studie verwendet zu haben. Laut Nature-Artikel untersuchten Hescheler und Co. lediglich die genomische DNA sowie RNA der "Londoner" hES-Zellen. Daher hätten sie auch nicht die Stammzellen selbst, sondern nur die entsprechenden DNA- und RNA-Proben von Minger angefordert.

Dieses Vorgehen ist nicht strafbar. Der Methodenteil des Nature-Papers jedoch ist in diesem Punkt nicht eindeutig: "Total RNA was isolated from n = 3 independent cell preparations of spermatogonial cells (directly after matrix selection), human adult GSCs (from lower and higher passages), human ES cell line H1 and from human ES cells (obtained from S. Minger) using the RNeasy Mini Kit (Qiagen) followed by an amplification step with the MessageAmp aRNA Kit (Ambion)."

Sollte Hescheler nun doch gegen das Stammzellgesetz verstoßen haben, drohen ihm im schlimmsten Fall laut Paragraph 13 (1) des StZG eine Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder eine Geldstrafe. Bestraft wird, "wer ohne Genehmigung nach Paragraph 6 Abs. 1 embryonale Stammzellen einführt oder verwendet".

Die tatsächliche Sachlage wird wohl erst nach den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft geklärt sein. Durch die negative Berichterstattung ist Hescheler allerdings schon jetzt zu einem Imageproblem für die deutsche Stammzellforschung geworden.

Birgit Hertwig / Ralf Neumann



Letzte Änderungen: 09.12.2008