Editorial

Chancengleichheit an deutschen Hochschulen - Wunschtraum oder Realität ?

Das Center of Excellence Women and Science (CEWS) erstellte ein Ranking deutscher Hochschulen anhand von Daten zur Gleichstellung von Männern und Frauen. Bei der Chancengleichheit schneiden die Spitzenuniversitäten der Lebenswissenschaften mittelmäßig ab.

(1.September 2008) Das Bonner Center of Excellence Women and Science (CEWS), eine sozialwissenschaftliche Forschungs- und Serviceeinrichtung der Leibniz-Gemeinschaft, veröffentlichte vor wenigen Monaten ein Ranking deutscher Hochschulen nach Gleichstellungsleistungen. In der Gesamtbewertung liegt die FU Berlin an der Spitze, gefolgt von einer punktgleichen Gruppe aus Universität Göttingen, TU München, Universität Osnabrück und Universität Trier. Das Schlusslicht bildet die Katholische Universität Eichstätt. Die Daten geben die Situation für das Jahr 2005 wieder.

Die CEWS Studie untersuchte und bewertete den Frauenanteil bei den Studierenden, bei Promotionen und Habilitationen sowie beim hauptberuflichen wissenschaftlichen und künstlerischen Personal und bei den Professuren. Auch zeitliche Änderungen des Frauenanteils beim Personal und bei den Professuren wurden analysiert. Grundlage waren Daten des Statistischen Bundesamtes.

Gibt es in den Lebenswissenschaften Universitäten, die wissenschaftlich herausragen und gleichzeitig sehr gute Gleichstellungsleistungen aufweisen? Gibt es andere, die forschungsstark sind, aber im Gleichstellungsranking im unteren Drittel liegen?

In ihrem "Förder-Ranking 2006 Institutionen-Regionen-Netzwerke" bewertet die DFG Universitäten nach erhaltenen DFG-Fördersummen im Zeitraum 2002-2004. Im Fachgebiet Biologie weisen die Universitäten mit den zehn höchsten DFG-Fördersummen mit Ausnahme der Universität Göttingen eine mittelmäßige Gleichstellung auf. Die Universität Würzburg erhielt hier die niedrigste Wertung. Göttingen dagegen rangiert im Gleichstellungsranking im oberen Drittel.

Im Fachgebiet Medizin attestiert das CEWS-Ranking Universitäten mit den zehn höchsten DFG-Fördersummen durchgängig Mittelmaß bei der Gleichstellung. Die Universität Erlangen-Nürnberg erzielte die niedrigste Punktzahl. Die Medizinische Hochschule Hannover wurde nicht in das Gleichstellungs-Ranking einbezogen.

Im Fachgebiet Tiermedizin, Agrar- und Forstwissenschaften rangieren fünf von zehn Universitäten mit den höchsten DFG-Drittmittelbudgets auch bei der Gleichstellung im oberen Drittel. Dies sind die FU Berlin, die Universität Göttingen, die TU München sowie die Universitäten Gießen und Hannover. Die niedrigste Gleichstellungs-Wertung in der Gruppe der zehn am stärksten durch die DFG geförderten Universitäten erhielt die Universität Hohenheim. Die Tierärztliche Hochschule Hannover wurde nicht in das Gleichstellungs-Ranking einbezogen.

Auch den Gewinnern der Exzellenzinitiative in den Förderlinien Graduiertenschulen und Exzellenzcluster in den Lebenswissenschaften bescheinigte das CEWS-Ranking mehrheitlich mittelmäßige Gleichstellung. In der Förderlinie Graduiertenschulen erhielten die Universitäten Jena, Konstanz und Würzburg dafür die schlechteste Wertung. Nur die Universität Göttingen liegt hier im oberen Drittel des CEWS-Rankings. Bei den Exzellenzclustern glänzen die FU Berlin sowie die Universitäten Göttingen und Gießen durch ihre Gleichstellungswerte. Die Medizinische Hochschule Hannover wurde nicht in das Gleichstellungs-Ranking einbezogen.

Fünf von 23 analysierten Spitzenuniversitäten der Lebenswissenschaften liegen im oberen Drittel des Gleichstellungsrankings. Gute Forschung und Gleichstellung schließen sich also nicht zwingend aus. 18 Spitzenforschungsuniversitäten liegen jedoch nur im Gleichstellungs-Mittelfeld.

Die Gleichstellung von Frauen und Männern ist in ¤ 3 des Hochschulrahmengesetzes (HRG) als Aufgabe der Hochschulen verankert. Das HRG soll allerdings zum 1. Oktober 2008 zugunsten von Regelungen der Länder abgeschafft werden.

Die Voraussetzungen zur Verwirklichung der Gleichstellung an Hochschulen unterscheiden sich in den einzelnen Bundesländern. So bei den gesetzlichen Vorgaben, der institutionellen Verankerung und Ausstattung der Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten, der Einbeziehung der Gleichstellung in die Mittelverteilung und beim politischen Gewicht, das der Gleichstellung von Frauen und Männern in der Wissenschaft beigemessen wird. Beispielsweise können Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte hauptberuflich tätig sein wie in Berlin, Niedersachsen, den größeren Hochschulen Hamburgs, Schleswig Holsteins und an der Universität des Saarlandes. Sie können ihre Funktion aber auch nebenberuflich ausüben oder sogar ehrenamtlich tätig sein wie in Sachsen-Anhalt.

Wie lässt sich die Gleichstellung von Frauen und Männern an deutschen Hochschulen fördern ? Vom CEWS werden genannt: gesetzliche Regelungen zur Freistellung von nebenberuflich oder ehrenamtlich tätigen Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten und ausreichende finanzielle Mittel zur Bezahlung von Vertretungen.

Auch die Organisationskultur einer Hochschule beziehungsweise Leitbilder tragen zur Chancengleichheit bei. Auf der Grundlage einer Befragung der Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten von 88 Hochschulen aus dem Jahr 2007 stellte das CEWS fest, dass Hochschulen mit einem Frauenanteil von über 25 Prozent und mehr in der Hochschulleitung bessere Ergebnisse im Gleichstellungsranking erzielen als Hochschulen mit einem niedrigeren Frauenanteil. Der Median des Frauenanteils in Hochschulleitungen liegt bei 12,1 Prozent. In einem Viertel der befragten Hochschulen war keine Frau in der Leitung vertreten, in insgesamt zwei Dritteln der Hochschulen lag der Frauenanteil in der Leitung unter 20 Prozent.



Bettina Dupont



Letzte Änderungen: 02.09.2008