Editorial

Tod in Schottland

Am 8. Juli wurde bekannt, dass es bei einer klinischen Studie mit einem experimentellen Arthritis-Medikament einen Todesfall gegeben hat (siehe untenstehenden Artikel vom 09.07.08). Georg Dönges, Pressesprecher der betroffenen Firma Medigene, beantwortete uns einige Fragen.

(14.07.2008)

Frage: Herr Dönges, klassischerweise findet eine Phase-II-Studie nach der betreffenden Phase-I-Studie statt. Im vorliegenden Fall scheint diese Reihenfolge aber verdreht: Am 24. Juni veröffentlicht Medigene eine Pressemitteilung mit der Überschrift "MediGene erzielt positive Ergebnisse mit RhuDexTM in der klinischen Phase IIa-Studie" - und wenige Tage später, am 8. Juli, heißt es dann plötzlich "MediGene hält Phase I-Studie mit RhuDexTM vorläufig an". Wie das?

Georg Dönges (Medigene): In der Vergangenheit wurden bereits vier Phase-I-Studien mit dem Arthritis-Mittel RhuDex durchgeführt. In diesen Studien erhielten etwa 50 gesunde Probanden das Mittel entweder in flüssiger Form oder als Kapsel. In der erwähnten, erfolgreichen Phase-II-Studie [zur Therapie von rheumatoider Arthritis; Beginn: Januar 2007] erhielten die Testpersonen ebenfalls eine Flüssig-Formulierung des Mittels. - Im Gegensatz dazu haben die zwölf Versuchspersonen in der nun angehaltenen - fünften - Phase-I-Studie RhuDex erstmals als Tablette erhalten.

Frage: RhuDex ist keine Medigene-Eigenentwicklung...

Dönges: Wir haben im September 2006 die britische Biotechfirma Avidex (Oxford) übernommen. Neben anderen Arzneimittelkandidaten waren damals auch die Rechte am klinischen Medikamentenkandidaten RhuDex, einem oral verabreichbaren CD80-Inhibitor, im Kaufpreis enthalten.

Frage: Wieviel Personen haben RhuDex bisher erhalten?

Dönges: Das Mittel wurde insgesamt bisher etwa 80 Personen im Alter von 17 bis 75 Jahren verabreicht. Dabei kam es zu keinerlei Zwischenfällen.

Frage: Die nun allerdings nach der Einnahme einer RhuDex-Pille gestorbene Person war ein 48-jähriger Mann. Als Teilnehmer einer Phase-I-Studie sollte er gemäß den Richtlinien eigentlich pudelgesund sein. An Erkrankten beziehungsweise Patienten wird ja normalerweise erst ab Phase II getestet.

Dönges: Tja... jedenfalls möchte ich festhalten, dass zwischen der Verabreichung der RhuDex-Pille und dem Kollaps der Versuchsperson elf Tage liegen. Zudem haben wir in der Phase-II-Studie...

Frage: ...allerdings mit flüssig verabreichtem RhuDex...

Dönges: ... keine Hinweise darauf erhalten, dass RhuDex Effekte aufs kardiovaskuläre System haben könnte. Der Mann ist ja dem Anschein nach an Herzproblemen verstorben.

Frage: Mehr wollen Sie uns noch nicht sagen?

Dönges: Mehr kann ich noch nicht sagen. Die britischen Behörden - die Studie läuft an einer Klinik in Edinburgh - untersuchen den Fall noch. Die polizeilichen Ermittlungen sind abgeschlossen, der Obduktionsbericht allerdings noch nicht freigegeben.

Frage: Was ist eigentlich so revolutionär an RhuDex? Der Wirkmechanismus - die Blockierung der CD28/CD80-Interaktion - ist ja ein alter Hut, der bereits in den 1990er-Jahren bekannt war (und beispielsweise in einer Psoriasis-Studie wenig Erfolg zeigte).

Dönges: Mit dem BMS-Medikament Orencia existiert bereits ein Produkt auf dem Markt, das ähnlich wirkt. [dieses Arthritismedikament bremst die Aktivierung von T-Zellen und hemmt somit eine zerstörende Immunreaktion u.a. an Gelenken; die Red.]. Allerdings muß es per Infusion verabreicht werden, wirkt relativ unspezifisch und hat eine Halbwertszeit von etlichen [13; die Red.] Tagen, was eine individuelle Dosierung schwierig macht. - RhuDex kann im Gegensatz dazu als Pille verabreicht werden, und dessen Halbwertszeit beträgt lediglich 8 bis 10 Stunden.

Interview: Winfried Köppelle



Letzte Änderungen: 15.07.2008