Editorial

(Nun doch) Rückruf aus Martinsried!

Am 8. Juli baten wir die Medigene-Pressestelle um Informationen zu einer Studie an einem Arthritis-Medikament. Zugleich überstürzten sich die Ereignisse.

(09.07.2008) Es ist schon ein Kreuz: Da könnte man seinen Lesern endlich mal wieder gute Nachrichten aus der Biotechbranche anbieten – und dann so etwas. Die gute Nachricht wäre gewesen, dass der Martinsrieder Arzneimittel-Entwickler Medigene seine Phase IIa-Studie mit einem Arthritismittel erfolgreich beendet hat.

Die schlechte Nachricht ist, dass es bei einer anderen Studie mit dem gleichen Mittel einen Toten gab.

Todesfall nach Medikamenteneinnahme

Folgendes war passiert: Medigene wollte in einer Phase I-Studie herausfinden, in welcher Konzentration das experimentelle Mittel RhuDex im Blut vorkommt, wenn es als Pille verabreicht wurde. In den bisherigen Versuchen war die gegen Rheumatoide Arthritis wirkende Substanz an den Probanden ausschließlich in flüssiger Form getestet worden.

Bei elf Studienteilnehmern bewirkte die Arthritis-Pille laut Medigene, außer "vereinzelt leichten Nebenwirkungen wie Kopfschmerz", keine ungewöhnliche Erscheinungen. Beim zwölften seien wenige Tage nach der Einnahme des Arthritis-Medikaments Herzprobleme festgestellt worden. Er sei stationär behandelt worden, aber nach Verlassen des Krankenhauses Tage später einem Kollaps erlegen.

Zusammenhang mit experimentellem Medikament unklar

Laut Medigene "ist bisher unklar, ob ein Zusammenhang zwischen diesem [...] Vorfall und der Einnahme des Medikaments besteht". In den bisherigen Studien an insgesamt rund 80 Testpersonen habe es keine ungewöhnlichen Symptome gegeben, gab Medigene in einer Pressemitteilung bekannt. Die Firma hat die klinische Studie vorerst gestoppt. Nun wird "in enger Abstimmung mit den Behörden" Ursachenforschung betrieben: Hat RhuDex die Herzprobleme der Versuchsperson verursacht, oder liegt ein Zufall vor?

Für den Kurs der Medigene-Aktie war der Vorfall Gift: An der Börse ging die Medigene-Aktie am Dienstag um gut 25 Prozent in die Knie (von 6,25 Euro auf 4,60 Euro), stieg allerdings Tags darauf wieder leicht auf 5,00 Euro. In den vergangenen zwölf Monaten schaukelte das Papier fiebrig zwischen 3,90 und 6,60 Euro.

Wirkmechanismus seit Jahren bekannt

RhuDex bindet an das CD80-Zielprotein und blockiert so einen wichtigen Signalweg der T-Zell-Aktivierung (CD80 kann in der Folge nicht mehr an den T-Zell-Oberflächenrezeptor CD28 binden). Die T-Zellen werden nicht aktiviert, der entzündliche Prozess wird gestoppt, und die Krankheit klingt ab. Dieses Funktionsprinzip der sogenannten "disease modifying antirheumatic drugs" (DMARDs) ist ein alter Hut; bereits vor zehn Jahren hatte der US-Konzern Idec Pharmaceuticals den anti-CD80-Antikörper IDEC-114, der die Interaktion von CD80 mit CD28 verhindert, zur Behandlung der entzündlichen Hautkrankheit Psoriasis getestet (und anschließend nach enttäuschenden Ergebnissen in Phase II vorerst verworfen).

Medigene bezeichnet RhuDex als hauseigenen "key product candidate" und möchte mit ihm Umsätze in Milliardenhöhe machen: "Mit einem geschätzten Umsatzpotenzial von über einer Milliarde Euro pro Jahr gilt MediGenes klinischer Medikamentenkandidat Rhudex als möglicher Blockbuster." Die Firma konzentriert sich seit kurzem auf die Entwicklung von Medikamenten gegen Krebs und Immunerkrankungen. Rhudex sollte dabei eine tragende Rolle spielen.

"Positive Sicherheitsdaten"?

Bei aller Aufregung um den Todefall geriet eine andere Meldung von Medigene verständlicherweise in den Hintergrund: Eine zeitgleich ablaufende, placebokontrollierte Phase II-Pilotstudie an RhuDex hatte "positive Sicherheitsdaten und eine gute Aufnahme des Medikamentes auf oralem Weg" sowie "erste Hinweise auf eine biologische Aktivität von RhuDex" erbracht.

Ob die gleichzeitig angekündigte, "umfassende Phase II-Studie mit RhuDex" nun aber wie angekündigt 2009 überhaupt – und falls ja, wann – beginnen wird, ist nach dem geschilderten Todesfall der Versuchsperson mehr als fraglich.

Leider können wir unseren Lesern (noch) nicht mehr Details mitteilen. Trotz mehrfachen Versuchs hat uns die Medigene-Pressestelle am gestrigen Dienstag nicht zurückgerufen. Wir arbeiten daran.

Winfried Köppelle

Update Nun doch eine Rückmeldung der Medigene-Pressestelle! Bei den Martinsriedern glühen seit dem Bekanntwerden des Todesfalls die Telefondrähte. Am 14. Juli gelang es uns, mit dem Pressesprecher der Firma Medigene zu telefonieren. Mehr dazu im aktuellen Online-Editorial vom 14.07.2008 auf www.laborjournal.de!



Letzte Änderungen: 18.07.2008