Editorial

Skandal um Vioxx-Studien

Waren "Gastautorschaft" und Ghostwriting gängige Praxis im Zusammenhang mit dem zurückgezogenen Schmerzmittel Vioxx von Merck & Co Inc.? Hat Merck das mit Vioxx verbundene Herzinfarktrisiko verharmlost?

(23.04.2008)Würden Sie nicht auch gerne Ihren Namen auf eine bereits geschriebene klinische Studie oder einen Review-Artikel setzen – als Gegenleistung für ein paar Korrekturen und gegen Honorar? Dieser Traum wurde für einige medizinische Forscher wahr. "Gastautorschaft" und Ghostwriting waren gängige Praxis bei Veröffentlichungen in Zusammenhang mit dem zurückgezogenen Schmerzmittel Vioxx von Merck & Co Inc. Dies zeigt eine aktuelle Veröffentlichung in JAMA von Ross et al.. In einer weiteren Veröffentlichung in JAMA werfen Psaty und Kronmal der Firma vor, das mit der Einnahme von Vioxx verbundene Herzinfarktrisiko verharmlost zu haben.

Merck bestreitet diese Vorwürfe. So sollen der FDA kardiovaskuläre Risiken im Zusammenhang mit der Einnahme von Vioxx bekannt gewesen sein. In zwei aktuellen Berichten im Journal of the American Medical Association (JAMA 2008, 299:1800-1812 und 1813-1817) erheben Ross und Kollegen sowie Psaty und Kronmal massive Vorwürfe gegen die Pharmafirma Merck & Co Inc. Im Zusammenhang mit dem vom Markt genommenen Schmerzmittel Vioxx sollen medizinische Forscher als Aushängeschild auf klinischen Studien und Reviews fungiert haben, die in Wirklichkeit von Merck durchgeführt und von bezahlten medizinischen Ghostwritern verfasst wurden. Außerdem soll Merck das Herzinfarktrisiko nach Vioxx-Einnahme gegenüber der Zulassungsbehörde FDA heruntergespielt haben.

Die Autoren werteten wissenschaftliche Veröffentlichungen und Unterlagen von Merck aus, die im Rahmen von Gerichtsverfahren um Vioxx-Nebenwirkungen zugänglich gemacht wurden. Allerdings haben fast alle Autoren der JAMA-Studien als bezahlte Berater für Kläger gegen Merck gearbeitet. Die Firma zog Vioxx bereits 2004 zurück und willigte ein, 4,85 Milliarden US-Dollar an betroffene Patienten und ihre Familien zu zahlen.

Merck räumt ein, dass bei manchen wissenschaftlichen Publikationen medizinische Ghostwriter einen Entwurf schreiben. Auf der daraus hervorgehenden Veröffentlichung erscheinen aber nicht sie, sondern Ärzte als Autoren. Die Ärzte würden aber durchaus zur Forschung und zur Analyse der Ergebnisse beitragen und der endgültige Artikel gäbe die Fachmeinung der hinzugezogenen Ärzte wieder, versichert James Fitzpatrick, ein Firmenanwalt. Ross und Kollegen konnten dagegen bei zahlreichen Veröffentlichungen keinen wesentlichen Beitrag der angeworbenen "Gastautoren" entdecken.

Ein Erstautor einer Vioxx-Studie äußerte gegenüber der New York Times, er habe lediglich das von Merck vorgelegte Manuskript korrigiert. Ein solcher Beitrag rechtfertigt aber nach den Kriterien des Internationalen Komitees der Herausgeber Medizinischer Zeitschriften keine Autorschaft.

Dr. Steven Ferris, einer der Ärzte, dessen Beitrag zu einer Publikation in Frage gestellt wurde, bestreitet die Vorwürfe und wirft Ross und seinen Kollegen mangelhafte Recherche vor. Zumindest könne nicht ausgeschlossen werden, dass die Autoren telefonisch oder im persönlichen Gespräch zu dem Artikel beigetragen haben.

JAMA hatte 2002 ebenfalls einen Artikel zu Vioxx veröffentlicht, wobei die Beteiligung eines medizinischen Ghostwriters verschwiegen wurde. Die Herausgeber von JAMA fordern nun, dass jeder Autor einer wissenschaftlichen Veröffentlichung seinen Beitrag klar darlegen solle. Ghostwriter sollen zumindest im Acknowledgement genannt werden.



Bettina Dupont

Quellen: JAMA, iht



Letzte Änderungen: 04.08.2008