Editorial

Kleiner Fauxpas bei Leibniz-Preis-Feier!

Am 11. Februar wurde der Gottfried Wilhelm Leibniz-Preis verliehen, Deutschlands höchstdotierter Forschungspreis. DFG-Präsident Matthias Kleiner hielt die Laudationes. Bei einer war er jedoch nicht ganz richtig informiert...

(21.02.2008) Am 11. Februar 2008 wurden in Berlin die Leibniz-Preise vergeben. Wie immer eine erhebende Feier, die – wie immer – leicht an eine Beerdigung erinnerte: dunkle Anzüge, dunkle Kostüme, Musik für Gebildete, prominentes Publikum, gediegene Langeweile ...

Letztere wurde durch Reden erzeugt, und geredet wurde was das Zeug hielt. Sowohl Bundesministerin Schavan als auch Ministerin Kramp-Karrenbauer quälten aus ihren Phrasendreschmaschinen professionelle Produkte: Wohlklingend, nichtssagend, ahnungslos. Die größte Mühe aber gab sich DFG-Präsident Matthias Kleiner. Er musste die "Laudationes" auf die Preisträger halten und der ehemalige Blechumformer tat es mit Begeisterung. Von "höchst innovativer Forschung" sprach Kleiner, von "fruchtbarer Zusammenarbeit", von "höchst originellen Einsichten". Damit das auch wirkte, wiederholte er sich, wobei es ihm die höchst originelle Formulierung "höchst originell" besonders angetan zu haben schien.

Einer von Kleiners Einsichten konnten wir uns jedoch nicht anschließen. In seiner Laudatio auf Elena Conti und Elisa Izaurralde behauptete er: "Die beiden Preisträgerinnen untersuchten sowohl mechanistische als auch strukturelle Aspekte des RNA-Abbaus und des RNA-Spleißens." So weit so gut. Aber: "Dabei machten sie die höchst originelle Entdeckung des Nonsense-mediated mRNA decays (NMD)..." – Dem ist nicht so.

Als Entdeckerin des NMD gilt Lynne Maquat, die diesem Phänomen in den späten 70er Jahren in ihrer Zeit als Postdoc auf die Spur gekommen war und bis zum heutigen Tage Aufklärungsarbeit leistet. Sie untersuchte das Knochenmark von β-Thalassämie-Patienten, die offensichtlich kein β-Globin synthetisieren konnten, und fand heraus, dass deren β-Globin-mRNAs ungewöhnlich schnell abgebaut wurden (L.E. Maquat et al., Cell 1981,3(2):543). Schuld daran schien die Anwesenheit zusätzlicher Stop-Codons zu sein, die durch "nonsense"-Mutationen in den β-Globin Genen entstanden waren. Stuart Peltz und Allan Jacobson, die zusammen mit anderen die Abbaumechanismen von mRNAs in der Hefe untersuchten, gaben 1993 dieser Art der mRNA-Degradation den Namen "nonsense-mediated mRNA decay" (S. W. Peltz & A. Jacobson et al., Academic, New York 1993;S.291-328, sowie PNAS 1993;90(15):7034-8).

Wahr ist also, dass sich Elisa Izaurralde und später auch Elena Conti bei der Aufklärung zum Mechanismus des NMD Meriten erworben haben – nur eben nicht die der Erstentdeckung. Auf Nachfrage von Laborjournal gab die DFG den Fauxpas zu, wies aber darauf hin, dass der Leibniz-Preis für die in der Laudatio genannte Gesamtheit der Forschungsleistungen verliehen worden sei, und die Forschungsarbeiten zum NMD dabei keine zentrale Rolle gespielt hätten. In der Tat – alles nicht tragisch: Herr Kleiner ist, wie erwähnt, von seiner Expertise her Blechumformer und kennt sich wohl in den Feinheiten der biologischen Entdeckungsgeschichte nicht aus, und anscheinend hat sich in der DFG, als oberster Hüterin aller staatlich zu vergebenden Forschungsgelder, auch kein Referent gefunden, der seinen Chef vor einem Ausrutscher auf fachfremdem Terrain bewahrte. Das kann ja mal passieren ...

Nur eines nahm uns wunder: Warum haben die beiden Preisträgerinnen nicht protestiert? Die mussten es doch am besten wissen. Sie haben es schlicht deswegen nicht getan, weil sie Herrn Kleiners in Deutsch gehaltene Rede nicht verstanden haben: weder Frau Conti noch Frau Izaurralde sind des Deutschen mächtig. Anscheinend hat bei der DFG auch das keiner gewusst. Und der Rest der Preisträger und Experten? Haben sie auch nichts verstanden – ihre eigene Laudatio vielleicht ausgenommen? Möglich. Wahrscheinlich aber hat nur keiner richtig zugehört, und Kleiners schöne originelle Worte rauschten zum einen Ohr hinein und zum anderen wieder raus und jeder dachte nur: "Ich hab' solchen Hunger."

Hubert Rehm, Karin Wiebauer



Letzte Änderungen: 04.08.2008