Editorial

MPG will sich von Springer nicht ausnehmen lassen!

Zeitschriften des Springer-Verlages sind der Max-Planck-Gesellschaft zu teuer geworden. Die MPG droht mit Open access.

(25.10.2007) Da kann man als Verleger schon neidisch werden: Über 1200 wissenschaftliche Zeitschriften besitzt der Springer Verlag, wir, der Laborjournal-Verlag, dagegen schlappe zwei: Laborjournal und Lab Times. Schlimmer: Wir schreiben die Artikel selber oder bezahlen freie Mitarbeiter dafür. Der Springer Verlag bekommt seine Artikel umsonst. Bei den elektronischen Zeitschriften hat er nicht einmal Druckkosten. Noch schlimmer: Wir verteilen unsere Hefte umsonst, Springer kassiert Gebühren. Diese sind so exorbitant, dass sogar der gutmütigen und reichen MPG der Kragen platzte:

"Durch Auswertung der Nutzungsstatistiken und Vergleiche mit anderen wichtigen Verlagen wurde deutlich, dass Springer für die angebotenen Zeitschriften etwa das Doppelte des Preises forderte, den die Max-Planck-Gesellschaft noch für vertretbar erachtete", schrieb die MPG kürzlich in einer Pressemitteilung. Sie droht, "Strategien zu erarbeiten, um die Versorgung mit unverzichtbaren Inhalten kostengünstig sicherzustellen".

Worin bestehen die Strategien? Aus dem kryptischen Text der MPG-Pressemitteilung lässt sich erraten, dass einerseits Lobbyarbeit beim Gesetzgeber geplant ist – er soll die Marktmacht der Verlage beschneiden – und andererseits der Aufbau von Open access-Zeitschriften.

Nun ist ersteres ein Mittel von zweifelhafter Wirksamkeit und zweifelhaften Folgen, das zudem durch Lobbyismus der Verlage gekontert werden kann. Die Mittel dazu scheinen sie ja zu haben. Aussichtsreicher und auch sauberer scheint mir der Aufbau von Open access-Zeitschriften. Das aber ist eine langwierige Angelegenheit, die davon abhängt, ob man die Forscher dazu bringt, ihre Beiträge an Open access-Zeitschriften zu schicken und die Springer-Medien zu boykottieren.

Die Drohungen der MPG scheinen die Springer-Mächtigen denn auch für das zu halten, was sie vermutlich sind: leere Gebärden. Das war jedenfalls der Eindruck, den ich bei einem Telefongespräch mit einem Pressevertreter von Springer erhielt. Definitives war allerdings nicht zu erfahren, nicht einmal in welcher Preisklasse verhandelt wurde. "Wir fühlen uns nicht bedroht", "wir begrüßen Open access", "weitere Gespräche finden statt", hieß es und diese Phrasen wurden gebetsmühlenartig wiederholt.

Ein Anruf bei der MPG wiederum vermittelte den Eindruck von Ratlosigkeit. Wir haben rückwirkenden Zugriff (bis 1997), aber wie es mit den zukünftigen Artikeln aussieht, darüber wird noch verhandelt, hieß es.

Ein Ohnmächtiger kann aber schlecht mit einem Muskelprotz verhandeln. Er kann lediglich um Gnade bitten. Vielleicht lässt ja Springer gnadenhalber ein paar Prozent nach. Bringen wird das nichts, denn wenn die MPG bei Springer einknickt, werden die anderen Wissenschaftsverlage nachziehen und ihre Preise ebenfalls hochsetzen.

Die MPG muss sofort ein eigenes Verlagswesen aufbauen. Das kostet Geld – aber weniger als die Beträge, die die MPG zur Zeit an Springer und andere Semi-Monopolisten abzudrücken gezwungen ist. Sie müsste zudem ihre Forscher verpflichten, nur in MPG-eigenen Open access-Zeitschriften zu publizieren – jedenfalls fürs Erste. Auch sollten diese ihre Editor- und Refereedienste auf nicht kommerzielle Open access-Zeitschriften beschränken. An den Universitäten sollte die MPG dafür werben, dass auch Universitätsforscher MPG-Zeitschriften beschicken. Zudem könnten die Universitäten das Beispiel der MPG nachahmen. International sollte man mit Anzeigen für die nicht kommerziellen Open access-Zeitschriften werben, so dass auch französische, englische und amerikanische Wissenschaftsorganisationen dem Beipsiel der MPG folgen.

Das allerdings braucht Initiative und daran scheint es der MPG zu mangeln. Ihr Gremienwesen lässt nur den Schneckengang zu. So war das Problem schon in den 90er Jahren des vorigen Jahrhunderts sichtbar (siehe Laborjournal 4/99), aber erst 2003 hat die MPG die "Berlin Declaration on Open Access to Knowledge in the Sciences and Humanities" initiiert. Und mit einer bloßen Deklaration ist wenig getan. Die obige Initiative sollte einer einzigen mit Vollmachten ausgestatteten Person anvertraut werden, die direkt dem Präsidenten verantwortlich ist, und kein Komittee und kein Ausschuss sollte da reinreden dürfen.



Siegfried Bär

Kommentare zu diesem Artikel

Ich habe die Verlage, insbesondere die Wissenschaftsverlage, bei den Auseinandersetzungen um das Urheberrecht schon vor Jahren eindringlich gewarnt: die Autoren sind nicht von den Verlagen abhängig, sondern umgekehrt müssen die Verlage sich um die wissenschaftlichen Autoren bemühen, denn die k-nnen jederzeit selbst publizieren und sparen sich dabei auch noch Belästigungen durch Lektoren oder andere Unbill.

Dann kam die PLoS: www.plos.org

Micropayment-Systeme sind noch in den Kinderschuhen. Noch! Doch man braucht nicht einmal Micropayment-Systeme. Der Versand der Dateien per Email an den Leser ist alltäglich geworden und die Abrechnung dank (heute) konventioneller Zahlungssysteme kein Problem. Jeder sein eigener Verleger...

Aribert Deckers, 09-Nov-2007 15:27:00




Letzte Änderungen: 09.11.2007