Editorial

Eiskalt Energie
sparen

(23.11.2022) Ultratiefkühlgeräte fressen viel Strom. Anstatt ihre Temperatur von -80°C auf -70°C zu erhöhen, sollte man zu anderen Energiesparmaßnahmen greifen.
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Wird die Tür eines Ultratiefkühlgeräts geöffnet, erwärmen sich Innenraum und Bioproben schnell.

Einrichtungen wie Universitäten, Kliniken und Forschungs­institute haben einen besonders hohen Energiebedarf. Nicht allein aus finanziellen Erwägungen, sondern auch aus Gründen des Klimaschutzes sollte der Verbrauch reduziert werden.

Auf verschiedene Optionen zum Energiesparen ist Andrea Pitzschke im Laborjournal-Artikel „Kleinvieh macht auch Mist“ vom 28.09.2022 eingegangen. Darin erwähnt sie unter anderem die Energie-intensive Lagerung von humanen Bioproben. Hier lohnt sich ein genauerer Blick darauf, wie dieser Teil des „Biobankings“ möglichst sparsam und nachhaltig gestaltet werden kann. Die German Biobank Alliance (GBA) hat dazu entsprechende Empfehlungen formuliert.

Editorial

Stromhungrige Tiefkühlgeräte

Für die Lagerung von Bioproben werden häufig Ultratief­kühlgeräte (ULT) verwendet, die bei minus 80°C arbeiten – sowohl in kleinen Laboren als auch in großen Biobanken. Der Stromverbrauch dieser Geräte hängt vom Alter und Wartungszustand sowie ihrem Kühlvolumen ab. Berücksichtigt man, dass in vielen Einrichtungen noch ältere Geräte genutzt werden, und geht man von einem Stromverbrauch von durchschnittlich 20 kWh pro Tag aus, liegt ihr Bedarf bei dem Anderthalb­fachen eines Drei-Personen-Haushaltes im Jahr.

Im Artikel „Kleinvieh macht auch Mist“ ist zu lesen, dass die Lagerung bei minus 70°C für die meisten Proben ausreicht. Nach unserer Meinung ist diese Empfehlung sehr kritisch zu bewerten. Für manche Probenarten, wie zum Beispiel DNA, die sogar bei minus 30°C gelagert werden können, mag die Aussage zutreffen (Biopreserv Biobank, 16(2):106-113). Für viele andere flüssige Bioproben liegt bei minus 70°C ein kritischer Schwellenwert für die Lagerung, der zu keinem Zeitpunkt überschritten werden sollte – vor allem wenn die spätere Verwendung noch nicht feststeht und verschiedenste analytische Optionen theoretisch möglich sein sollen.

Lieber Pufferzone einplanen

Die Temperatur in einem ULT ist nicht überall gleich. Darüber hinaus erwärmt sich der Innenraum schnell, wenn die Tür geöffnet wird, um beispielsweise Proben einzulagern oder zu entnehmen. Hierdurch erreicht die Temperatur rasch für die Proben kritische Werte. Im Fall einer Havarie des Kühlgeräts können die Proben, aufgrund der höheren Lagerungs­temperatur, zudem schneller auftauen und unbrauchbar werden. Um die gelagerten Proben nicht zu gefährden, bedarf es deshalb einer Temperatur-„Pufferzone“ – die Freezer sollten daher sicherheits­halber auf minus 80°C eingestellt werden.

Wie kann der Energieverbrauch der Kühlgeräte dennoch reduziert werden? Übereinstimmend mit dem Artikel von Andrea Pitzschke empfehlen wir, ältere Geräte auszusortieren und nur so wenige ULT wie nötig zu verwenden. Auf halb volle Freezer, die mit größtenteils vergessenen Proben­beständen irgendwo im Keller ihr Dasein fristen, sollte man unbedingt verzichten. Um Platz und damit Energie zu sparen, empfiehlt sich eine möglichst kompakte Lagerung von Bioproben. Auch das Verwerfen bestimmter Proben kann eine Option sein. Hierfür kommen Proben in Frage, die für Forschungszwecke unbrauchbar sind – zum Beispiel Proben ohne zusätzliche Daten, unbekannter Qualität oder Herkunft.

Zusammenarbeiten und teilen

Biobanken sind aus verschiedenen Gründen die sparsamere und nachhaltigere Variante für das Handling von Bioproben. So können sie ihre Lager­kapazitäten mithilfe von Proben­management-Systemen optimal ausnutzen. Biobank-MitarbeiterInnen verwenden die Tiefkühlgeräte korrekt und warten sie regelmäßig, was für den Energieverbrauch ebenfalls eine Rolle spielt. Die wichtigsten Verhaltens­regeln für den Umgang mit den Tiefkühlgeräten, u. a. zusammengestellt von der Uni Edinburgh, umfassen beispielsweise regelmäßiges Enteisen, Reinigen der Türdichtungen und das Vermeiden von unnötig langen Türöffnungs-Zeiten. Viele Biobanken verfügen zusätzlich über vollautoma­tisierte Minus-80°C-Lagerungs­systeme, die etwa ein Drittel weniger Energie im Vergleich zu konventionellen ULT benötigen.

Nicht nur in Deutschland, auch in Europa existieren zahlreiche professionelle Biobanken, die sehr gut untereinander vernetzt sind. Im Sinne der Nachhaltigkeit sollte das hier vorhandene Proben-Reservoir möglichst effektiv genutzt werden – nicht zuletzt auch, um in manchen Fällen das Anlegen neuer Sammlungen zu vermeiden. Mithilfe des Online-Suchtools für Bioproben „Sample Locator” des German Biobank Node (GBN) finden Forscher und Forscherinnen für ihre Projekte geeignete Proben in GBA-Biobanken und können diese anfragen. Das Directory der europäischen Biobanken-Organisation BBMRI-ERIC bietet einen Überblick über Biobanken und Proben­sammlungen in Europa. Schließlich ist jede in der Forschung sinnvoll eingesetzte Probe wertvoller als „streng gehütete Schätze“ in versteckten Tiefkühlgeräten – für die Proben­spenderInnen, für die Gesundheits­forschung und für das Klima.

Heidi Altmann, Ronny Baber, Jörg Geiger, Michael Hummel, Verena Huth, Michael Kiehntopf, Alexandra Nieters, Sara Y. Nussbeck, Johanna Schiller und Cornelia Specht im Namen der German Biobank Alliance (GBA)

Bild: German Biobank Node




Letzte Änderungen: 23.11.2022