Editorial

„Wir stecken in
einer Zwickmühle“

(22.11.2022) Die Deutsche Kreditbank schließt gentechnisch veränderte Organismen explizit aus ihrem Finanzierungs-Portfolio aus. Warum? Wir fragen nach.
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Mit einem Geschäfts­volumen von 3,8 Milliarden Euro finanziert die Deutsche Kreditbank AG (DKB) aktuell rund 6.000 Landwirte und Landwirtinnen. Dabei stellt sie das Thema Nachhaltigkeit ganz obenan. Auf ihrer Website erklärt sie: „Deswegen schließen wir die Finanzierung von Atomkraft­werken, Rüstungs­gütern, gentechnisch veränderten Organismen, Pornografie, Prostitution und illegalem Drogenhandel aus.“ GVOs rangieren also neben Pornos, Drogen und Waffen und haben in einer Diskussion über Nachhaltigkeit nichts zu suchen? Wieso verteufeln öffentliche Institute GVOs im Nachhaltig­keitskontext?

Einen Schlüsselfaktor förderte kürzlich eine vom Gaters­lebener Pflanzen­biotechnologen Robert Hoffie angeregte Twitter-Diskussion zu Tage. Er hatte nachgefragt, warum genau die DKB gentechnisch veränderte Organismen als ebenso wenig finanzie­rungswürdig einstuft wie Prostitution und illegalen Drogenhandel. Über den Tweet stolperte Thomas Ott, Professor für Zellbiologie an der Universität Freiburg. Seit vielen Jahren forscht er zu den molekularen Mechanismen, die symbiotische Pflanzen-Mikroben-Interaktionen und besonders intrazelluläre Infektionen steuern – natürlich auch mit GV-Pflanzen. Kurzerhand schrieb er die Bank direkt an und wies auf den möglichen Beitrag von GVOs zu einer umwelt­freundlichen und klima­angepassten Nahrungs­mittel­produktion hin. Prompt erhielt er von Andreas Gruber, Leiter Public Affairs & Nachhaltigkeit der DKB, eine Einladung als Diskussions­partner zum DKB Sustainable Finance Board Meeting im September 2022. Mit 150 Teilnehmern aus allen Geschäfts­bereichen dient es der DKB als zentrale Austausch­plattform zum Thema Nachhaltigkeit.

Editorial

Konnte ein Pflanzen­forscher wie Thomas Ott bei einem öffentlichen Kreditinstitut wie der DKB etwas bewegen? Laborjournal fragte bei Andreas Gruber nach.

Für viele in der Wissen­schafts­welt ist es ein Schock, dass Kredit­institute gentechnisch veränderte Organismen gleichsetzen mit Rüstungs­gütern, Pornografie, Prostitution und illegalem Drogenhandel. Was sind Ihre Gründe?
Gruber: Diese Darstellung auf der DKB-Website ist unglücklich verkürzt und aus ihrem Kontext gerissen. Wenn wir landwirt­schaftliche Betriebe, die gentechnisch veränderte Pflanzen anbauen, von unseren Finanzierungen ausschließen, halten wir uns damit lediglich an die geltenden Vorgaben: In Deutschland dürfen GVOs aktuell nicht kommerziell angebaut werden. Das ist der eigentliche Kontext. Wir vergleichen Gentechnik also nicht mit Pornografie und Glücksspiel.

Zwischen roter Gentechnik in der Medizin und grüner Gentechnik in der Landwirtschaft besteht für die DKB also kein Unterschied?
Gruber: Doch, natürlich. Die Aussagen auf unserer Website sind auf unsere Kundengruppe „Landwirtschaft und Ernährung“ bezogen, weil wir in erster Linie dort Berührungs­punkte mit dem Thema Gentechnik haben.

Genau diese unterschiedliche Behandlung von roter und grüner Gentechnik ist es aber, was in der Wissen­schafts­welt auf Unverständnis stößt. Die Technologie in beiden Disziplinen ist identisch mit all ihren Nutzen und Risiken. Doch einmal heißt es „Safe, wollen wir! Rettet schließlich Leben“, dann ist es aber auch wieder „Teufelswerk“.
Gruber: Ich kann nachvollziehen, dass man da verzweifeln kann. Natürlich begrüßt die DKB Wissenschaft und Forschung. Gerade in Zeiten von Klimawandel und Hungerkrisen bietet Gentechnik vielleicht eine mögliche Antwort. Doch als Bank müssen wir das ein Stück weit anders sehen und vor allem gesetzliche Rahmen­bedingungen einhalten. Das schließt aber ein kritisches Hinterfragen nicht aus.

Sie „müssen“?
Gruber: Aus mehreren Gründen. Den Entschluss, keine Kredite im Zusammenhang mit GVOs zu vergeben, haben wir in enger Abstimmung mit den Kolleginnen und Kollegen aus unserem Landwirt­schafts­bereich – darunter auch viele Agraringenieure – getroffen. Sie betreuen rund 6.000 landwirtschaftliche Betriebe als Kunden und sagen klar: In Deutschland werden schon seit zehn Jahren keine gentechnisch veränderten Pflanzen mehr kommerziell angebaut. Wir halten uns an die gesetzlichen Vorgaben und finanzieren keine Gentechnik im Ackerbau. Zwar setzen die von uns finanzierten Landwirte teilweise GVOs als Futtermittel ein, dürfen sie aber nicht auf ihren landwirt­schaftlichen Flächen anbauen. Sie sehen weder die Notwendigkeit noch die Absatz­möglichkeiten dahinter. Warum? Weil es große Vorbehalte der Endverbraucher gibt. Schließlich müssen unsere Landwirte ihre Erzeugnisse irgendwo verkaufen.

Was sind die anderen Gründe?
Gruber: Die DKB hat sich seit Jahrzehnten dem Thema Nachhaltigkeit verschrieben. Wir finanzieren erneuerbare Energien mit einem Kreditvolumen von zwölf Milliarden Euro. Im Nachhaltig­keitsrating ISS-ESG wurden wir zum 7. Mal in Folge als Branchen­führer unter mehr als 270 Banken ausgezeichnet. Daran werden wir seitens der Öffentlichkeit gemessen und müssen auf Nichtregie­rungs­organisationen und Rating­agenturen Rücksicht nehmen. Und deren Umfragebögen haken klar nach: „Hat die DKB grüne Gentechnik ausgeschlossen?“ Wenn wir kein „Ja“ ankreuzen, hagelt es öffentliche Kritik und mein Nachhaltig­keitsteam beantwortet über Wochen kritische Kunden­anfragen. Wir stecken da in einer Zwickmühle.

Die Europäische Kommission kam 2014 auf Basis von 400 unabhängigen EU-finanzierten Studien zu dem Schluss, dass GVOs unbedenklich sind. Im April 2021 erklärte sie, geltende GVO-Rechts­vorschriften seien dringend reform­bedürftig. Dennoch gewichten Banken die Meinung von NGOs stärker als die Sichtweise der Europäischen Kommission? Warum?
Gruber: Das Argument spiele ich zurück: Warum dürfen GVOs in Deutschland dann nicht angebaut werden?

Lobbyismus-Umfragen zeigen auf, dass bestimmte Umwelt­organisationen als zentrale Meinungs­bildner fungieren – fernab ihnen wider­sprechender Forschungs­resultate und unabhängiger Risiko­einschätzungen. Politische Entschei­dungsträger schlagen sich auf ihre Seite, um nicht als „gekauft von der Industrie“ und „gleichgültig gegenüber der Umwelt“ gebrandmarkt zu werden. Welche moralische Verantwortung sehen Sie bei der DKB, durch Ihre Kreditvergabe Kapital in bestimmte Wirtschafts­zweige zu lenken?
Gruber: Wer Finanzströme lenkt, hat natürlich ethische Verantwortung. Unsere hohe moralische Messlatte sieht man beispielsweise an unserer umfangreichen Finanzierung erneuerbarer Energien. Doch im Bereich grüne Gentechnik haben wir ehrlich gesagt noch nie so einen intensiven Dialog wie den mit Herrn Professor Ott geführt.

Wie kann das sein, wenn die DKB doch eine der führenden Banken Deutschlands im Bereich Landwirtschafts- und Nachhaltig­keits­finan­zierung ist?
Gruber: Tatsächlich spiegelten uns bisher nur NGOs und kritische Privatkunden wider, dass sie einen Verzicht auf grüne Gentechnik erwarten. Die Twitter-Diskussion war das erste Mal, dass sich Gentechnik-Befürworter direkt an uns wandten.

Vorhin erwähnten Sie DKB-interne Agrar­ingenieure. Die sollten doch Überblick über die Fakten haben?
Gruber: Natürlich. Aber die kennen eben auch die gesetzliche Lage in Deutschland. Die DKB kann nur finanzieren, was erlaubt ist. Dieser ganze Diskurs ist also theoretisch. Und da kann ich unserem Landwirt­schafts­segment nicht böse sein, wenn eine Schein­diskussion nicht ganz oben auf der Agenda steht. Dennoch hat es uns die Augen geöffnet, dass sich Gentechnik-Befürworter und aktiv Forschungs­treibende bei uns zu Wort gemeldet haben.

Welche Strategien verfolgt die DKB dahingehend in Zukunft?
Gruber: Klar können wir uns nicht immer hinter die gesetzlichen Position zurückziehen. Der gesetzliche Rahmen kann sich schließlich ändern. Deshalb bemühen wir uns stärker, beide Seiten der Medaille zu hören. Entsprechend dankbar waren wir für die Kritik an der Aussage auf unserer Website und haben Professor Ott für eine Präsentation im DKB Sustainable Finance Board Meeting eingeladen.

Zu welchen Ergebnissen führte der Austausch?
Gruber: Herr Ott skizzierte den globalen Mehrwert, den grüne Gentechnik haben kann, vor allem im globalen Süden, aber sicher auch in Deutschland. Wir haben viel hinzugelernt und wollen in Zukunft intensiver mit der wissen­schaftlichen Seite sprechen.

Warum war eine faktenbasierte Sicht nicht überhaupt der Startpunkt für Ihre interne Diskussion?
Gruber: Die gesetzliche Lage und die Präsenz der kritischen Seite waren der Startpunkt – wie ja bereits erörtert. Übrigens haben wir in unseren Anlage- und Finanzierungs­grundsätzen bis vor zwei Jahren gar nicht mit Ausschlusslisten gearbeitet. Wir haben jedoch zur Kenntnis genommen, dass der kritischen Öffentlichkeit ein Positivkonzept – Welche Kundengruppen finanziert die DKB? – nicht ausreicht und sie klare und eindeutige Ausschlüsse von einer Bank einfordert.

Mit welchen NGOs sind Sie in Kontakt?
Gruber: Wir pflegen einen kontinuierlichen Austausch mit dem WWF, mit Urgewald, mit GermanWatch und mit Facing Finance e. V., um nur einige zu nennen. Hier wird uns sehr deutlich gespiegelt, was wir aus deren Sicht ausschließen sollten. Dabei reicht es nicht mehr aus, all das Positive unserer Finan­zierungs­arbeit zu betonen. Und das nimmt skurrile Züge an. Beispielsweise hat die DKB eine Finanzierung von Walfang ausgeschlossen, obwohl Walfang in unserem Geschäftsgebiet Deutschland gesetzlich verboten ist und null derartige Kunden existieren.

Wie wird sich die DKB in Bezug auf grüne Gentechnik weiterentwickeln?
Gruber: Wir überarbeiten gegenwärtig unsere Anlage- und Finan­zierungs­grundsätze und natürlich auch deren Kurz­zusammen­fassung. Am gesetzlichen Rahmen müssen wir uns natürlich weiterhin orientieren. Gern steigen wir mit dem Wissen von Professor Ott aber in eine kritischere Diskussion mit NGOs ein.

Was wünschen Sie sich dahingehend von der Wissenschaftswelt?
Gruber: Eben das, was Professor Ott getan hat. Wissenschaft sollte sich öffentlich mehr zu Wort melden, gern auch kritisch in unsere Richtung. Noch besser wäre es, wenn Forschungs­treibende direkt mit NGOs kommunizierten. Denn das würde sich perspektivisch auch auf unsere Kunden weitertragen.

Das Gespräch führte Henrik Müller

Das Interview erschien zuerst in Laborjournal 11/2022.

Bild: Foto: AdobeStock/Andrii Yalanskyi


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Letzte Änderungen: 22.11.2022