Editorial

Kleinvieh
macht auch Mist

(28.09.2022) Die gestiegenen Gas- und Strompreise zwingen auch Unis zu noch konsequenterem Energiesparen. Die größten Energiefresser sind meist Labore.
editorial_bild

Nicht nur Haushalte und die Industrie bekommen die steigenden Energiepreise zu spüren, sondern auch Universitäten. Sie haben ihr Budget zu Zeiten verhandelt, als von Gas- und Strom­knappheit noch nichts zu ahnen war. So rechnet laut ORF zum Beispiel die Universität Innsbruck (5.600 Mitarbeiter, 28.000 Studierende, Globalbudget 2022: 273 Mio Euro) mit Mehrkosten zwischen sieben und acht Millionen Euro für Strom und zwei bis drei Millionen Euro für Gas.

Den Preis für die Energie können Unis nicht beeinflussen, wohl aber ihren Verbrauch. Wenn jedoch Öffnungszeiten gekürzt, die Arbeit im Homeoffice forciert und der Betrieb in energie­effiziente Gebäude umgeleitet und abgespeckt werden muss, leidet die Qualität von Forschung und Lehre. Um dies zu vermeiden, versuchen Universitäten zunächst mit weniger drastischen Eingriffen über die Runden zu kommen. Viele der geplanten Maßnahmen, wie Räume auf höchstens 19 Grad Celsius zu heizen, nicht benötigtes Licht konsequent abzuschalten, auf LED-Beleuchtung umzusteigen oder etwa vermehrt Photovoltaik (PV)-Anlagen zu installieren, ergeben auch aus Klimaschutz­gründen Sinn. So hat sich zum Beispiel die Universität Kassel schon vor der Energiekrise das Ziel gesteckt, bis 2030 pro Jahr etwa 990.000 kWh des Strom­verbrauchs mit eigenen PV-Anlagen zu decken.

Editorial

Kaltes Wasser im Labor

Dem Energiesparen widmet sich auch die Kampagne „HHU handelt“ der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf (HHU, 36.000 Studierende, 4.000 Mitarbeiter). Auf ihrer Website rechnet sie vor: „Jedes Hochschul­mitglied verbraucht pro Jahr durchschnittlich: 830 kWh Strom und 1.060 kWh Wärme. Unser Gesamtenergie­verbrauch am Campus lag 2019, im letzten Jahr vor Corona, bei rund 33.400 MWh für Strom und bei 42.800 MWh Fernwärme. Das entspricht einem Strom­verbrauch von ca. 8.350 Haushalten mit vier Personen im Einfamilienhaus und beim Wärmebedarf ungefähr 1.900 Einfamilien­häusern. Der Strom­verbrauch ist an der Uni im Vergleich zu Wohn­gebäuden hoch, da die hohe Technisierung der Labore und die Kühlung zusätzliche Energie verbrauchen.“ In zahlreichen Laboren wird daher das Warmwasser abgeschaltet. Ebenso werden Steuerungen von Heizungs- und Lüftungsanlagen für einen energie­sparenden Betrieb angepasst.

Laborluft ist teuer – das Gros des Stroms verbrauchen Heizung, Lüftung und Klimatechnik (HVAC). 18 Prozent ihres bisherigen Verbrauchs konnte die Universität für Bodenkultur in Wien einsparen, indem die entsprechenden Anlagen nicht rund um die Uhr liefen, sondern abhängig von der Belegung, die anhand einer Bewegungs­meldung erfasst wurde (Energy and Buildings, 263:112031). Universitäts­bibliotheken könnten ihre HVAC-Leistung bedarfs­gerecht mit CO2-Sensoren steuern und 33 Prozent Energie einsparen (Energy, 143: 606-14). Eine Studie der University of California in Irvine kommt auf über 50 Prozent Energie­einspar­potenzial, wenn Labore auf „smart labs“ umgestellt werden. Auch hier liegt die größte Hebelwirkung im Wechsel von konstanter zu variabler, bedarfs­orientierter Belüftungs­leistung.

Alles ausschalten

Abgesehen von Lufterforder­nissen sind Labore aufgrund ihrer energie­intensiven Geräte wie zum Beispiel Tiefkühlern, Inkubatoren, Pumpen und Abzügen die SUVs unter den Uni-Räum­lichkeiten. In Laborgeräten schlummert meist ein umfangreiches Einspar­potenzial. Mit der einfachen Regel „Alles, was viel Krach macht, viel Wärme oder Kühlung braucht oder große Massen schnell bewegt“ sind die lukrativsten Einspar­kandidaten schnell gefunden. Und es sollte grundsätzlich gelten, dass alles ausgeschaltet wird, was nicht gebraucht wird – denn Kleinvieh macht auch Mist.

Die Wirkungen einer Sparmaßnahme tatsächlich verfolgen zu können, spornt an. Natürlich kann sich auf die Schnelle kaum eine Universität große Umbauten oder die Anschaffung neuer Geräte leisten, doch allein das Nutzerverhalten macht viel aus. Trivial, unmittelbar umsetzbar, wirksam und allgemein­gültig ist, Geräte nicht im Standby laufen zu lassen. Auch die Überlegung, ob ein Experiment nicht auch im reduzierten Maßstab funktioniert, beispielsweise mit kleineren Kulturvolumen oder in Multiwellplatten, kann helfen Energie und Ressourcen zu sparen.

Zu den vermeidbaren Energie­fressern gehören insbesondere Abzugshauben, die nur während der tatsächlichen Nutzung offenstehen sollten. Oft hilft es schon, mit einem bunten Aufkleber mit einem Pfeil nach unten und dem Hinweis „more safe, less energy“ daran zu erinnern (Front Built Environ, 5:146) – weniger Krach gibt’s als positiven Nebeneffekt noch gratis dazu.

Schüttler gemeinsam nutzen

Ein -80°C-Gefrierschrank (250 l) benötigt 10 bis 12 kWh pro Tag, ungefähr so viel wie 20-mal Wäschewaschen. Alte Geräte liegen sogar bei 30 kWh/Tag, eine Neuanschaffung kann sich da schnell amortisieren. Meist genügen für die Lagerung von Proben auch -70°C, was bis zu 33 Prozent Strom spart. Entrümpeln und Archivieren zahlen sich ebenfalls aus, da die Geräte weniger Wärme verlieren, wenn sie nur kurz geöffnet werden müssen, um die Proben zu finden. Dass sich mit diesen simplen Maßnahmen durchaus etwas bewegen lässt, zeigt die „Freezer Challenge“ von amerikanischen Universitäten im Jahr 2018. Bei der Aktion wurden insgesamt 2,7 Millionen kWh Energie und damit 1.900 Tonnen CO2 eingespart sowie circa 200.000 überflüssige Proben entsorgt.

Auch Sicherheits­werkbänke (Laminar Flow Hoods) sind wahre Stromfresser. Ein Umstieg auf ein effizienteres Gerät kann den jährlichen Energie­verbrauch von 650 kWh auf 160 kWh reduzieren und nebenbei auch den Lärmpegel senken. Geräte gemeinsam zu nutzen, kann ebenfalls dazu beitragen, Energie zu sparen. Bevor man den Schüttel­inkubator für einen einzigen Kolben rotieren lässt, fragt man besser im Nachbarlabor nach einer „Mitfahr­gelegenheit“ nach oder bietet sie selber an. Kleine Schüttler verbrauchen bis zu zwei Drittel weniger Strom als größere Geräte, wie die Green Light Laboratories Ltd schreibt. Bei Vollbesetzung und auf Energie pro Kolben gerechnet, sind die Unterschiede jedoch vergleichsweise gering (0,021-0,026 kWh/h/Kolben).

12 statt 4 Grad Celsius

Ein Trick, der eigentlich für Labor-freie Wochenenden sorgen soll, funktioniert auch unter der Woche und spart Energie: Ausplattierte E.-coli-Platten kann man auch zwei Tage auf der Bench lagern statt über Nacht im 37°C-Schrank. Die Kolonien wachsen zwar langsamer, doch das Endergebnis ist das gleiche. Falls ein 37°C-Schüttel­inkubator ohnehin gerade in Betrieb ist, kann man die Platten auch einfach darin platzieren, unter der schüttelnden Plattform ist meist noch freier Stauraum.

Ein No-Go sollte es sein, die PCR nach Reaktionsende über Nacht oder gar übers Wochenende auf 4 Grad Celsius weiter zu kühlen. Überhaupt genügen dafür auch 12 Grad Celsius, schreibt die Molekular­biologin Anna Albecka vom MRC Laboratory of Molecular Biology in Cambridge (UK) auf Twitter. Es geht aber noch schonender für Gerät und Stromverbrauch: Fertige Reaktionen in den Kühlschrank zu transferieren, ist ein simpler Handgriff, den gegebenenfalls auch fachfremdes Personal (Portier auf Patrouille …) übernehmen kann.

Zur Herstellung von einem Kilogramm Trockeneis sind 0,55 bis 0,6 kWh nötig, das entspricht ungefähr dem Stromverbrauch von vierzig Minuten Haare föhnen. Das Eis sollte daher möglichst effektiv und lange genutzt werden, indem man es zum Beispiel an das Nachbarlabor weiterreicht. Mehr Austausch untereinander hilft zudem, die vielen kleinen Tricks beim Energiesparen in den Laboren zu verbreiten. Und falls nötig kann man sich auf der Suche nach Energie­einsparungen auch an universitäre Experten wenden – immerhin wird „Energie­effizienz­management“ schon an Universitäten gelehrt, etwa an der Universität Krems.

Andrea Pitzschke

Bild: Pixabay/Diermaier




Letzte Änderungen: 28.09.2022