Editorial

Zellzahl statt
Proteingehalt

(14.09.2022) Zellexperimente werden oft mit dem BCA-Assay normalisiert, der die Proteinmenge misst. Der Kristallviolett-Assay nutzt hingegen die Zellzahl.
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Zellkulturen in Multiwell-Platten zu züchten und ihre Reaktion auf verschiedene Stimuli zu beobachten, ist praktisch und platzsparend. Das gemessene Signal, etwa Fluoreszenz, repräsentiert die Antwort der gesamten Kultur. Wie seine Stärke zu bewerten ist, weiß man aber erst, wenn man das Signal normalisiert und auf die Anzahl der gemessenen Zellen bezieht.

Weil es mitunter schwierig ist, Zelldichten zu messen oder Zellen zu zählen, bestimmt man meist den Gesamtproteingehalt nach der Zelllyse. Der Klassiker hierfür ist der BCA-Assay, der auf der reduzierenden Wirkung von Peptid­bindungen auf Cu2+-Ionen beruht. Die hierdurch entstandenen Cu+-Ionen bilden mit Bicinchonin­säure (BCA) einen lilafarbenen Chelat­komplex mit einem Absorptions­maximum von 562 Nanometern. Die Protein­konzentration korreliert mit der Absorption und lässt sich mit einer Eichkurve sehr einfach bestimmen.

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Test mit Tücken

Der seit Jahrzehnten eingesetzte BCA-Assay hat jedoch einige Tücken. So ist beispielsweise das für die Eichreihe eingesetzte Protein nicht immer repräsentativ für die Probe. Zusammen mit anderen Einflussgrößen wie der Inkuba­tionszeit und dem pH-Wert kann es einen höheren oder niedrigeren Proteingehalt vorgaukeln.

Julie Nilles, Johanna Weiss und Dirk Theile vom Universitäts­klinikum Heidelberg suchten daher nach einem einfachen und zuverlässigen Assay, dessen Ergebnisse nicht so stark von experimentellen Parametern abhängen wie der BCA-Assay. Das Trio konzentrierte sich dabei auf den Farbstoff Kristallviolett (Gentianviolett), der neben DNA und Lipiden auch Proteine anfärbt. Schon letztes Jahr hatten die Heidelberger Kristallviolett für Lebendzahl­messungen von Zellen eingesetzt (Pharmaceutics, 13(6): 808). Darauf aufbauend entwickelten sie schließlich einen Kristallviolett-Assay.

Keine großen Unterschiede

Für den Kristallviolett-Assay ist keine Zelllyse nötig. Die an der Well-Oberfläche anhaftenden Zellen werden einmal mit PBS gewaschen und danach mit 50 Mikrolitern der Färbelösung aus 2,5 Gramm Kristallviolett in 100 Milliliter Methanol und 400 Milliliter Wasser versetzt. Nach zehn Minuten wird die überschüssige Färbelösung entfernt und die Zellen werden dreimal mit destilliertem Wasser gewaschen, damit sie nur noch Zell-gebundenen Farbstoff enthalten. Mit 200 Mikrolitern Methanol wird der Farbstoff aus den Zellen herausgelöst, anschließend misst man die Absorption der Lösung mit einem Spektrometer bei einer Wellenlänge von 555 Nanometern. Für die Eichkurve säte das Team eine ansteigende Zahl von Zellen in die Wells aus und maß die Absorption nach der Kristallviolett-Färbung.

Die Heidelberger führten den Kristallviolett-Assay mit verschiedenen Zelldichten und nach unterschiedlichen Kultivierungs­zeiten (24 und 48 Stunden) durch und verglichen die Ergebnisse mit entsprechenden BCA-Assays. Die Gruppe fand keine signifikanten Unterschiede: beide Tests lieferten Absorptionswerte, die reproduzierbar und proportional zur vorliegenden Zellzahl waren.

Dass der Kristallviolett-Assay keine Zelllyse erfordert, ist einerseits praktisch, kann aber auch zu Komplikationen führen – etwa wenn man Zellaktivitäten in lysierten Zellen bestimmen muss. In diesem Fall kann man den Kristallviolett-Assay jedoch mit einem identisch behandelten Duplikat der Testplatte durchführen.

Andrea Pitzschke

Bild: AdobeStock/mehmet

Nilles J. et al. (2022): Crystal violet staining is a reliable alternative to bicinchoninic acid assay-based normalization. Biotechniques, DOI: 10.2144/btn-2022-0064





Letzte Änderungen: 14.09.2022