Editorial

Zirkularisierung statt
Klonierung (Update!)

(17.08.2022) Plasmide für die Expression von gRNAs lassen sich einfach und schnell auch mit synthetischer DNA herstellen, die zu einem Ring geschlossen wird.
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CRISPR/Cas9 und verwandte Gene-Editing-Technologien haben innerhalb weniger Jahre einen festen Platz im molekular­biologischen Werkzeugkasten vieler Labore gefunden. Schließlich funktionieren sie auch ganz einfach: guideRNA (gRNA) designen und in ein DNA-Plasmid klonieren, in E. coli transformieren, aufreinigen und mittels Gelelektro­phorese, PCR oder Sequenzierung validieren. Dann können die gewünschten Zellen auch schon mit der gRNA transfiziert und so ihr Genom verändert werden. Was sich jedoch unkompliziert anhört, kann viel Zeit und Nerven kosten. Zu oft wollen auf dem Papier einfach erscheinende Klonierungen aus unerklärlichen Gründen partout nicht funktionieren.

Eine neue Methode aus dem Labor von George Church an der Harvard Medical School in Boston könnte helfen, Frust zu vermeiden: Innerhalb von nur drei Stunden soll die Herstellung zirkulärer DNA-Konstrukte gelingen, die bereit sind für die Transfektion, berichten Erstautor Roman Oliynyk und Church in einem auf bioRxiv veröffentlichten Preprint.

Editorial

Von linear zu zirkulär

Ausgangspunkt der Circular-Vector-Methode von Oliynyk und Church ist eine von ihnen designte doppel­strängige lineare DNA. Diese enthält einen Promoter, etwa U6, gefolgt von der DNA-Sequenz, die für die entsprechende gRNA codiert. Ein Terminator bildet den Abschluss. Dieses Konstrukt wird von Erkennungs­sequenzen für Typ-IIS-Restriktions­enzyme flankiert. Beim Restriktions­verdau entstehen so zwei komplementäre Überhänge, die anschließend zu einem zirkulären DNA-Konstrukt ligiert werden können. Die Abwesenheit zusätzlicher Konstrukte mit Sticky Ends, wie das zum Beispiel beim Golden Gate Assembly der Fall ist, gewährleisten eine hochspezifische Ligation. Ein anschließender T5-Exonuklease-Verdau entfernt jegliche noch verbliebene lineare DNA, während die zirkuläre DNA davon unberührt bleibt.

Oliynyk und Church stellten mithilfe ihrer neuen Technik zirkuläre Vektoren zum Editieren dreier Gene mittels Prime Editing her. Die Prime-Editing-Methode wurde vor zwei Jahren von David Lius Gruppe am Broad Institute entwickelt und im vergangenen Jahr nochmals optimiert (Nat Biotechnol, 40(5):731-740). Im Gegensatz zu herkömmlichen CRISPR/Cas-Verfahren setzt man beim Prime Editing nicht auf DNA-Doppel­strangbrüche. Stattdessen bestehen Prime-Editoren aus einer Cas9-Nickase, die mit einer modifizierten Reversen Transkriptase fusioniert ist. Die Prime-Editing-guide RNA (pegRNA) lenkt diesen Prime-Editor an die gewünschte Stelle im Genom, wo ein Einzel­strang­bruch gesetzt und ein neues DNA-Fragment durch die Reverse Transkriptase mit der pegRNA als Vorlage synthetisiert wird. Die zellulären DNA-Reparatur­systeme bauen das neu synthetisierte DNA-Fragment ein und ändern den gegenüber­liegenden DNA-Strang entsprechend. Mit dieser Methode lassen sich bis zu 44 Basenpaare einfügen oder bis zu 80 Basenpaare ausschneiden.

Achtung! Concatamere

pegRNA Plasmide wurden bisher standardmäßig mittels Klonierung hergestellt. Oliynyk und Church wandten die Circular-Vector-Methode an, um die benötigten Konstrukte für das Editieren dreier Gene in HEK293T-Zellen herzustellen. Fast 50 Prozent des 452 Basenpaare langen pegRNA-Konstrukts wurden innerhalb einer Stunde Reaktionszeit zu zirkulärem Vektor umgesetzt. Bei einer zwölfstündigen Reaktionszeit stieg die Ausbeute auf 62 Prozent. Eine längere Reaktionszeit für mehr Ausbeute also? Nicht notwen­digerweise, sagen Oliynyk und Church. Denn neben zirkulären Vektoren aus einem linearen DNA-Molekül kommt es auch zur Bildung von Concatameren, die aus mehreren aneinander­gefügten DNA-Molekülen bestehen. Bei längerer Reaktionszeit nimmt auch der Anteil an Concatameren im Reaktions­gemisch zu.

Wie sieht es mit der Herstellung längerer Vektoren aus? Die Ausbeute an zirkulärem Vektor ist für Längen von 450 bis 950 Basenpaaren relativ ähnlich. Ab einer Vektorlänge von 1.000 Basenpaaren nimmt die Effizienz der Reaktion jedoch rapide ab und liegt beispielsweise für einen 1.332 Basenpaare langen Vektor bei unter 10 Prozent.

Besser mit Basenpaar-Polster

Und die Effizienz der Editierung? Für zwei der drei getesteten Konstrukte war die Effizienz vergleichbar mit der mittels Klonierung hergestellter Vektoren. Bei dem dritten Konstrukt überstieg sie sogar die des Liu Labors. Interessan­terweise erreichte das Concatamer-Gemisch aus zirkulären Vektoren eine bessere Effizienz als ein aufgereinigter zirkulärer Vektor, in dem das lineare DNA-Fragment nur einmal vertreten ist. Zudem beobachteten Oliynyk und Church eine verbesserte Effizienz, wenn sie dem pegRNA-Fragment 500 Basenpaare zusätzlich anfügten. Will man die Effizienz der Editierung maximieren, kann dieses Basenpaar-Polster durchaus sinnvoll sein, empfehlen die beiden.

Eine aktuelle Hürde bei der Circular-Vector-Methode ist die relativ hohe Fehlerrate bei der kommerziellen Synthese von DNA-Fragmenten. Präzision ist eine Stärke traditioneller Klonierung, denn die Fehlerwahr­scheinlichkeit bei der E.-coli-DNA-Replikation liegt bei 5x10-10 pro Basenpaar. Zum Vergleich: Die Hersteller von synthetischer DNA geben Fehlerraten von 1/6.253 bis 1/6.757 Basenpaaren an. Bei einem zirkulären Vektor mit einer Länge von 452 Basenpaaren hätte also etwa jeder vierzehnte zirkuläre Vektor einen Fehler. Je nachdem, in welcher Region des Konstrukts dieser liegt, kann er eine verschlechterte Editing-Effizienz, Off-target-Effekte oder fehlerhafte Editierung in der gewünschten Region verursachen. Für eine breite Anwendung ihrer Technik wünschen sich Oliynyk und Church deshalb eine deutliche Verbesserung der Fehlerrate bei der DNA-Synthese. Dann kann die Circular-Vector-Methode für vielfältige Anwendungen, die die Expression von kurzen RNAs oder Proteinen erfordern, verwendet werden.

Mihaela Bozukova

Nachtrag aus der Redaktion:
Nach Veröffentlichung des Artikels von Mihaela Bozukova kontaktierte uns Erstautor Roman Oliynik via E-Mail: „Your article highlighted the clumsy wording of our discussion section, where it considered the Circular Vector method error rate. We appreciate that you opened our eyes on this shortcoming, because the majority of readers would come to the same conclusion, and not use our method. Our goal was the opposite, to show that the method is very useful, and introduces insignificant error level compared to the error level inherent to the editing methods like prime, base or CRISPR/Cas9.“

Mihaela hat daraufhin ihren Artikel auf den neuesten Stand gebracht. Korrekt muss es also zur Fehlerrate heißen: Präzision ist eine Stärke traditioneller Klonierung, denn die Fehlerwahrscheinlichkeit bei der E.-coli-DNA-Replikation liegt bei 5x10-10 pro Basenpaar. Führt die Verwendung synthetischer DNA zu mehr Off-target-Effekten? Die Forscher geben Entwarnung: Zwar ist die kommerzielle Synthese von DNA-Fragmenten mit einer relativ hohen Fehlerrate behaftet, doch dies führe nicht notwendigerweise zu mehr Off-Targets. Der Hersteller von synthetischer DNA Twist Bioscience rechnet beispielsweise mit einer Fehlerrate von 1 zu 6.253 Basenpaaren. Bei einem zirkulären Vektor mit einer Länge von 452 Basenpaaren hätte also etwa jeder vierzehnte zirkuläre Vektor einen Fehler. Von Relevanz ist hier jedoch nicht der gesamte Vektor, sondern vor allem Fehler in der Spacer-Region, die das Ziel des Enzyms im Genom bestimmt. Bei einer typischen Spacer-Länge von 20 Basenpaaren wird einer von 312 zirkulären Vektoren einen Fehler in dieser Region aufweisen. Die meisten dieser fehlerhaften Vektoren werden jedoch kein passendes Ziel im Genom finden. Die Forscher gehen davon aus, dass die zusätzliche Fehlerrate ihrer Methode um mehrere Größenordnungen niedriger ist als die der Gene-Editing-Methode selbst. Somit kann die Circular-Vector-Methode bedenkenlos für vielfältige Anwendungen, die die Expression von kurzen RNAs oder Proteinen erfordern, verwendet werden.

Oliynyk
R. & Church G. (2022): Efficient modification and preparation of circular DNA for expression in cell culture. bioRxiv, DOI: 10.1101/2022.06.28.497995

Bild: Pixabay/geralt




Letzte Änderungen: 17.08.2022