Editorial

Morgen frag’ ich ihn!

(12.08.2022) Aus unserer Reihe „Anekdoten aus dem Forscherleben“: Monolog eines Doktoranden, der seinen Chef nach Urlaub fragen will.
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Sonne, Strand, Meer. Türkisblaue Lagunen – und du schnorchelst, bis die Haut schrumpelt. Dann kommt da diese Qualle angeschwommen. Du kennst sie, Aequorea, die mit dem Green Fluorescent Protein im Bauch. Das, was dich die letzten Wochen quasi urlaubsreif gemacht hat. Nicht mal hier hat man seine Ruhe vor dem Zeug. Die Qualle grinst dich blöde an und sagt: „Hallo“! …

Du wachst auf und bist schon am frühen Morgen schlecht gelaunt. Was bleibt, ist die Frage, ob du tatsächlich im wirklichen Leben mal die Chance haben wirst, auf Aequorea zu treffen.

Naja, die nächsten Jahre wohl kaum. Bei diesem Chef, der Urlaub für höchst überflüssige Zeitvergeudung hält. Er selbst könnte sein müdes Hirn auch mal wieder mit frischen Winden beleben, weit weg von muffigen Chefsesseln. Aber das muss jeder für sich selbst entscheiden.

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Effektiv? Wohl kaum!

Nur wir brauchen uns über Urlaub nicht den Kopf zu zerbrechen. Wann mit wem wohin und woher das Geld nehmen? – all das kostet schließlich unnütz Kraft und Energie. Nein, unser Chef regelt das schon für uns. Grund genug gibt’s immer, im Labor zu bleiben.

Ob das pausenlose Malochen unterm Strich allerdings mehr bringt? Topmanager von großen Unternehmen sagen nein. Doch spielt Effektivität an deutschen Unis ja sowieso eher eine untergeordnete Rolle. Tatsächlich werden frische Ideen eher von den jährlichen Neuzugängen mitgebracht. Und manchmal sind sogar welche dabei, die die schon lange ausgelaugten Köpfe kurz vorm Abschiedsgruß noch schnell in ihre Doktorarbeit übernehmen dürfen.

Aber warum jammern? Später bringt der häufige Aufenthalt an exotischen Tagungsorten allerlei Kurzweil. Du lernst die Hörsäle des Rockefeller Instituts in New York und der Osaka City University kennen. Mehr Urlaub wäre doch schon fast kriminell …

Klon weg, Gel kaputt, ...

Anyway, morgen wirst du ihn fragen und dich wieder auf Diskussionen einlassen, die man eigentlich als normaler Mensch gar nicht in Erwägung ziehen dürfte. Aber wer ist schon normal?

Am nächsten Morgen blickst du in den Spiegel und rote Lämpchen tanzen vor deinen Augen. „Urlaubsreif“ steht da drauf! Ein teigig aufgequollenes Gesicht mit Augenringen bis zum Kinn ringt sich ein müdes Lächeln ab. Ein Mund mit aufgesprungenen Lippen verzieht sich. Bloß schnell weg hier, im Labor gibt’s ja Gott sei Dank keine Spiegel.

Dafür aber andere böse Fallen: Dreimal rutscht dir heute das Reagenzglas aus den Händen, du vergisst den Platten das Antibiotikum zuzugeben, saugst das Pellet deines einzigen positiven Klons mit der Wasserstrahlpumpe ab – und zum Schluss flutscht dir auch noch ein DNA-Elektrophorese-Gel von der Glasplatte und schlittert den halben Flur entlang. Chefchen schaut mitleidig auf dich herab und geht weiter. Kein blöder Spruch wie sonst.

Doch mal verschnaufen?

Das ist ein gutes Zeichen, denkst du dir und machst dich auf den Weg ins Sekretariat, um den Urlaubsschein zu holen. Vielleicht hat dein Chef heute ja doch begriffen, daß seine Söldner auch mal verschnaufen müssen.

Auf zu Aequorea!

Text: Sirene

(Illustr.: „Forscher Ernst“ von Rafael Florés)

 

 

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Letzte Änderungen: 02.08.2022