Editorial

Wenn man es
genau wissen muss

(28.07.2022) Die Bremer Firma Ribocon identifiziert Mikroorganismen mithilfe bioinformatischer Methoden. Dafür setzt sie auf hochwertige DNA-Sequenz-Datenbanken.
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Die Identifizierung von Mikroorganismen erfolgt heute in der Regel anhand von DNA-Analysen. Meistens werden dazu Markergene verwendet wie das Gen für die 16S-ribosomale RNA bei Bakterien oder ihr Pendant bei Eukaryoten. Damit diese Analysen verlässliche Ergebnisse liefern, müssen allerdings sowohl geeignete Referenzdatenbanken als auch Software für den Sequenzvergleich existieren.

Beides ist heute beispielsweise über die Internetseite des National Center for Biotechnology Information (NCBI) frei zugänglich. Allerdings gibt es dort keinerlei anwendungsspezifischen Fokus – womit Erfahrung und Zeit benötigt werden, um aussagekräftige und zuverlässige Ergebnisse abzuleiten. Dies wiederum sind schwierige Rahmenbedingungen für Bereiche, die strengen Qualitätskontrollen unterliegen – wie etwa die pharmazeutische Industrie. Auf deren Unterstützung ist die Ribocon GmbH spezialisiert.

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Mitten im Neuland

Das Unternehmen ist eine Ausgründung der Arbeitsgruppe Mikrobielle Genomik und Bioinformatik des Max-Planck-Instituts für Marine Mikrobiologie in Bremen. An die Gründung im Jahr 2005 erinnert sich Jörg Peplies, der als einer von vier Gründern auch heute noch zur Firmenleitung gehört: „In unserer Arbeitsgruppe haben wir uns damals viel mit bioinformatischen Fragen beschäftigt. Weil zu der Zeit viele Wissenschaftler Bioinformatik nutzen wollten, diese für viele aber noch Neuland war, wurden wir regelmäßig von anderen Gruppen um Hilfe gebeten.”

Schnell merkten Peplies und Kollegen, dass sie mit ihrem bioinformatischen Know-how einen Service anboten, für den es einen großen Markt zu geben schien. Diesen Ansatz wollten die Bremer professionalisieren – die Idee für Ribocon war geboren: „Anfangs wollten wir eine Art Consulting rund um bioinformatische Fragen anbieten, und das spiegelt sich ja auch in unserem Firmennamen wider“, so der Ribocon-Gründer. „Ribo verweist auf unsere Arbeit mit ribosomalen Markergenen, die letzte Silbe leitet sich von Consulting ab.“

Entgelt-Probleme

Schnell mussten die Gründer – drei Mitglieder des MPI und ein dazugeholter Betriebswirt – jedoch feststellen, dass ihr Konzept im akademischen Umfeld nicht wirklich griff. Dort wird inhaltliche Unterstützung üblicherweise in der Währung „Co-Autorschaft“ entgolten; die Bereitschaft, nicht nur die DNA-Sequenzierung, sondern auch die grundlegende Aufbereitung der erhaltenen Daten an einen Dienstleister abzugeben und dafür auch zu bezahlen, hat sich dagegen als anhaltend gering erwiesen.

 „Entsprechend hat sich unser Fokus dann ganz organisch hin zu den nicht-akademischen Kunden verschoben, die andere Anforderungen an die Bioinformatik stellen als das wissenschaftliche Umfeld”, erzählt Peplies. „Hierbei konzentrieren wir uns mittlerweile auf regulierte Umgebungen, also auf Unternehmen mit hochstandardisierten Abläufen und höchsten Anforderungen an die Qualitätskontrolle.“ Typische Kunden gehören zur pharmazeutischen Industrie oder arbeiten auf dem Gebiet der medizinischen Diagnostik. Das Hauptgeschäft von Ribocon sei die Identifizierung von Mikroorganismen mithilfe von DNA-Analysen – und zwar hauptsächlich in Reinkulturen, so der Bioinformatiker. „Damit können unsere Kunden beispielsweise in Produktionsansätzen Kontaminationen mit pathogenen Mikroorganismen früh erkennen und viel Geld sparen.“

Veredelte Daten

Noch immer erfolgt die Identifizierung hauptsächlich über die 16S-rDNA. Prinzipiell macht Ribocon also nichts, was mit GenBank von NCBI nicht auch möglich wäre. Warum also Geld für den Service bezahlen? Der Unterschied liegt in der Zugänglichkeit und Verlässlichkeit der Daten aus Sicht unserer Kunden, wie Peplies erklärt: „Das Ergebnis eines Sequenzabgleichs ist immer nur so gut wie die Datenbank, die ihr zugrunde liegt. Wir haben daher den Anspruch, unseren Kunden ein Ergebnis zu liefern, das nicht mehr hinterfragt werden muss.”

GenBank beschreibt der Ribocon-Gründer als eine Art riesiges globales Sammelbecken, in das alle möglichen Sequenzen hineingegeben werden. Zwar wird auch dort mit zunehmendem Aufwand Eingangskontrolle betrieben, aber es gibt keinen anwendungsbezogenen Fokus sowie natürlich auch Einschränkungen durch die Unmengen an Daten, die dort eingehen. Zwar greift auch Ribocon letztlich auch auf GenBank-Daten zurück, doch werden diese dann anwendungspezifisch „veredelt“, bis die notwendigen Kriterien erfüllt sind.

Zeitfresser Dokumentation

Neben dem Aufbau von Referenzdatenbanken und der Weiterentwicklung von Software investiert Ribocon in Know-how rund um alle Methoden, die mit der Analyse von DNA-Sequenzen zu tun haben. Hinzu kommt eine umfassende Dokumentation, die eine maximale Konformität aller Prozesse gewährleistet. „Da wir für hoch regulierte Bereiche arbeiten, müssen wir viel Zeit in Qualitätskontrollen und Dokumentation stecken”, betont Peplies. So sind alle Prozesse bei Ribocon GMP-(good manufacturing practice) und GCP-(good clinical practice) konform. Dafür müssen zum Beispiel alle Unterlagen 15 Jahre lang als Papierdokumente in feuerfesten Aktenschränken aufgehoben werden; jegliche Änderungen an Protokollen und Prozessen sind genehmigungs- und dokumentationspflichtig.

Die Kunden merken allerdings von all dem nichts. Die Ribocon-Dienste sind Cloud-basiert, sodass sich eine Suchanfrage nicht wesentlich von der bei einer öffentlichen Datenbank unterscheidet: Der Kunde besucht eine Internetseite und gibt die zu analysierende Sequenz in eine Suchmaske ein – nur, dass der Zugang im Unterschied zu NCBI passwortgeschützt ist. Je nach Grad der Regulation müssen die Daten auch automatisiert und geschützt vom Sequencer zur Software übertragen werden, um jegliche Manipulation auszuschließen. Innerhalb weniger Sekunden steht das Ergebnis in Form eines Berichts zur Genehmigung und Ablage bereit. Die Cloud-basierte Analyse hat unter anderem den Vorteil, dass Firmen von jedem Unternehmensstandort darauf zugreifen können und sich nicht mit Aktualisierungen von Betriebssystemen und veralteter Software beschäftigen müssen.

Selbstgewählgter Stresstest

Während das kommerzielle Produkt von Ribocon – dblast – zurzeit noch auf Markergene setzt, orientiert sich Ribocon zunehmend in Richtung genomweite Sequenzanalyse. Dafür betreibt das Unternehmen einen eigenen Webserver, den JSpeciesWS. Im Unterschied zu dblast handelt es sich dabei um einen akademischen Dienst, den jeder frei nutzen kann. Auf die Frage, ob sich Ribocon damit nicht selbst Konkurrenz macht, findet Peplies eine überzeugende Antwort: „Mit JSpeciesWS unterziehen wir unseren Daten einem „Stresstest“, weil eine wissenschaftliche Community damit arbeitet.” Zudem ist den Bremern der enge Kontakt zur akademischen Welt wichtig. „Unsere kommerziellen Produkte können nur funktionieren, wenn wir verstehen, was der Stand der Dinge in der akademischen Forschung ist. Über JSpeciesWS bekommen wir wichtiges Feedback und können herausfinden, ob unsere Arbeit in die richtige Richtung geht.”

Insgesamt wird Networking bei Ribocon groß geschrieben, weshalb die Bremer sich auch am ebenfalls kostenlos nutzbaren SILVA rRNA Database Project beteiligen. „SILVA ist eine sekundäre Datenbank“, erklärt Peplies. „Sie lädt im Prinzip die GenBank-Datenbank herunter und greift nur die 16S-rDNA-Daten heraus. Dieses gefilterte Subset an Daten erleichtert die Identifizierung von Mikroorganismen deutlich.“ Im nächsten Schritt wird die sekundäre Datenbank noch einmal auf die Typenstämme verkleinert. Hier setzt Ribocon an und entwickelt die Datenbank zugeschnitten auf seine Kunden weiter.

Beständig etabliert

Für die Wissenschaft sei es oft wichtig, Zugriff auf eine möglichst breite Datenbasis zu haben – und die daraus resultierende Notwendigkeit, die Analyseergebnisse zu hinterfragen, sei integraler Bestandteil akademischer Arbeit – so der Ribocon-Chef. „Für unsere Kunden in der Routine muss das eine Ergebnis dagegen ohne Wenn und Aber zuverlässig sein. Referenzdaten, die unsere Kriterien nicht erfüllen, existieren in gewisser Weise für uns nicht.”

Mit seinen Dienstleistungen ist Ribocon inzwischen seit rund 17 Jahren am Markt etabliert. Wachstum stand dabei nie im Vordergrund, sondern vielmehr Beständigkeit und Qualität. Von den ursprünglichen vier Gründern sind drei noch an Bord. Das Team aus Biologen, Bioinformatikern und Computerwissenschaftlern ist mit aktuell knapp unter zehn Leuten klein, aber sehr stabil. „Wir sind bislang immer organisch gewachsen und haben dies nicht durch das gezielte Einbinden von externen Geldgebern forciert”, fasst Peplies die Unternehmensstrategie zusammen. „Natürlich kann sich das eines Tages ändern, aber bislang hat das für uns gut funktioniert.“

Die Zukunft sieht Ribocon indes in genomweiten Analysen, die die Analyse von Markergenen auf Dauer verdrängen werden. Schon heute würden die meisten Kunden Next Generation Sequencing durchführen und damit schnell ganze Genome sequenzieren. „Unser Name passt eigentlich immer weniger zu dem, was wir machen”, gibt Peplies zu. Dennoch geht er davon aus, dass Ribocon auch in Zukunft Ribocon bleiben wird. „Einfach weil unsere Kunden uns unter diesem Namen kennen und schätzen gelernt haben.” 

Larissa Tetsch

(Foto: Futurelearn)

 

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Letzte Änderungen: 28.07.2022