Editorial

Kaffeekönig Wissenschaft

(01.07.2022) Wie kommt's, dass die Wissenschaft der Job ist, in dem am meisten Kaffee getrunken wird? So jedenfalls das Ergebnis einer Umfrage.
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Wer braucht am meisten Kaffee? Im Jahr 2012 zitierte der US-Blog Gizmodo dazu eine Befragung, in der 4.700 Angehörige verschiedener Berufsgruppen in den USA gefragt wurden, wie dringend und wie viel Kaffee sie benötigen, um in ihrer Arbeit entsprechend produktiv zu sein. Und wer hatte am Ende „gewonnen“? Ja, wirklich – Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sowie Labor-TAs!

Nun war die Studie selbst sicherlich nicht nach höchstem wissenschaftlichen Standard durchgeführt. Dennoch ist es nett, wie der Gizmodo-Artikel diese vermeintliche Kaffee-Abhängigkeit der Forscher zu begründen versuchte. Im Wortlaut: 

„Unter den Befragten waren Wissenschaftler und Labortechniker die stärksten Kaffeetrinker des Landes. Für jeden, der in der Wissenschaft arbeitet oder gearbeitet hat, ist dieses Ergebnis wahrscheinlich nicht überraschend. Schließlich ist Wissenschaft ein 24-Stunden-Job. Experimente laufen oft nach Zeitplänen ab, die in keiner Weise mit dem zirkadianen Rhythmus eines normalen Menschen – oder eines anderen Lebewesens – übereinstimmen. Viele Wissenschaftler arbeiten unter riesigem Druck, Ergebnisse vor konkurrierenden Labors oder Forschungsgruppen zu veröffentlichen. Zudem zwingen begrenzte finanzielle Mittel die Forscher dazu, unzählige Stunden mit dem Schreiben von Förderanträgen zu verbringen, obwohl sie eigentlich Wissenschaft betreiben könnten. (Es ist übrigens nicht so, dass sie Anträge schreiben anstatt Wissenschaft zu betreiben. Sie schreiben Anträge und betreiben Wissenschaft.)

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In der Wissenschaft gibt es immer ein Experiment durchzuführen, (Denk-)Fehler in unerwarteten Ergebnissen aufzuspüren, ein Poster vorzubereiten, eine Konferenz zu besuchen, neue veröffentlichte Forschungsergebnisse zu lesen, alte Forschungsergebnisse aufzufrischen, einen Minus-80-Schrank zu enteisen, Primer zu besorgen, ein Protokoll zu überarbeiten, einen Techniker auszubilden, einen Arbeitsplatz zu desinfizieren, Geräte zu bestellen, Reagenzien vorzubereiten, Glasgeräte zu reinigen und defekte Computer aus- und wieder einzuschalten.

Und natürlich gibt es keine Zeit, in der ein Wissenschaftler nicht über seine Forschung nachdenken kann. Oftmals zieht sich dieses Denken durch das gesamte Leben der Wissenschaftler – nicht weil sie dazu gezwungen sind, sondern weil sie dazu getrieben werden. Durch Neugier, durch Stolz sowie durch die ständige Herausforderung, das Wissen voranzutreiben. Wissenschaftler sind einfach Workaholics. Und wahrscheinlich feuert die Koffeinsucht ihre Arbeitssucht an.“

Nun ja, neu ist das sicher nicht. Schließlich machte ja schon früher immer wieder der Spruch quasi als Running Gag die Runde: „Wissenschaftler sind lediglich Instrumente, um Kaffee in Ergebnisse umzuwandeln.“

Ralf Neumann

(Foto: gemeinfrei)

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Letzte Änderungen: 23.06.2022