Editorial

PCR-Recycling
mit Schutzkappe

(18.05.2022) Die DNA-Komponenten einer PCR sind zu schade, um sie nach der Reaktion in den Müll zu werfen. Mit geschützten Primern kann man sie zurückgewinnen.
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Lebende Zellen betreiben eine vorbildliche Kreislauf­wirtschaft. Was auch immer an Zwischen- oder Abbau­produkten anfällt, versuchen sie wieder in Synthese­prozesse einzuspeisen. Sie wären ja auch schön blöd, sich ständig zuzumüllen und ihre Energie immer wieder aufs Neue in aufwendige Lieferketten zu stecken.

Ganz anders im Labor. Hier werden jeden Tag wertvolle Reagenzien verschwendet. Oder haben Sie schon einmal daran gedacht, PCR-Ansätze nach einer Analyse wieder aus dem Müll zu klauben? Abwegig wäre es nicht, und vielleicht sogar lohnenswert, erst recht, wenn man an die Liefer­engpässe zu Hochzeiten der Pandemie denkt. Wie das Recycling von PCR-Kits tatsächlich funktionieren könnte, beschreiben Francesco Stellacci und Weina Liu von der École Polytechnique Fédérale de Lausanne (EPFL) in einem bioRxiv-Manuskript.

Editorial

Zu wertvoll für den Müll

Übliche PCR-Kits enthalten im Wesent­lichen Primer, Nukleotide und Enzyme. Nach einer erfolgreichen PCR findet man in dem PCR-Tube ein PCR-Produkt sowie Reste von Primern und Desoxy­nukleosid­triphosphaten (dNTPs). War kein PCR-Template vorhanden oder schlug die Reaktion fehl, sind die eingesetzten Komponenten praktisch noch unverbraucht – werden aber dennoch meist achtlos weggeschmissen.

Stellaci und Liu arbeiten schon seit geraumer Zeit an Ansätzen, mit denen man sogenannte Sequence-Defined Polymers (SDPs), wie zum Beispiel Proteine oder DNA, im Labor rückgewinnen kann. Bei der PCR sind neben den dNTPs insbesondere die teuren Primer ein wertvolles Recycling­material. Um sie nach der PCR erneut verwenden zu können, müsste man die PCR-Produkte nach der PCR gezielt depolymerisieren, ohne dabei die teuren Primer zu zerstören.

Dazu kann man Nukleasen verwenden, die sich in 3‘-5‘-Richtung vorarbeiten und Desoxy­nukleosid­monophosphate (dNMPs) aus den PCR-Produkten freisetzen. Die Nukleasen würden aber auch die Primer zerlegen. dNMPs lassen sich durch Phospho­rylierung wieder in dNTPs überführen, doch wie rettet man die Primer? Das Team aus der Schweiz nutzt eine 3‘-terminale Phosphorthioat (PS)-Schutzkappe für die Primer, die auch die Hersteller von Oligonukleotid-basierten Medikamenten verwenden.

Achtzig Prozent Rückgewinnung

Die beiden mussten aber zuerst abklären, ob Polymerasen durch die Kappe behindert werden. PCRs mit modifizierten Primern ergaben jedoch nur geringfügig geringere Ausbeuten als Reaktionen mit nicht-modifizierten Primern. Mit Fluoreszenz-markierten 20 bis 23 Nukleotiden langen Primern überprüften Liu und Stellaci anschließend, ob die PS-Schutzgruppe tatsächlich vor der Hydrolyse schützt. Dazu überführten sie die DNA mit den Restriktions­enzymen BanI und BstYi in handliche Fragmente, die ein Mix aus Exonukleasen letztendlich in dNMPs zerlegte. Die dNMPs phospho­rylierten sie anschließend mithilfe der T4-Nukleotid­monophosphat-Kinase (T4-NPM-Kinase) und einem E.-coli-S30-Extrakt sowie Acetyl-Phosphat und ADP zu dNTPs.

Achtzig Prozent der ursprünglich eingesetzten dNTPs konnten Liu und Stellaci auf diese Weise wieder­gewinnen. Leider tauchten auch einige unvollständig zerlegte drei bis sechs Nukleotide lange Oligos auf. In Maldi-TOF-Analysen konnten die beiden sehen, dass die Nukleasen ein bis drei Nukleotide von den Primern abgenagt hatten. Sie verlängerten daher die Schutzgruppe der Primer von 2-PS auf 4-PS und erhielten mit diesen eine Recycling-Ausbeute von etwas über 60 Prozent. Die Verluste entstanden vor allem beim Extrahieren und Aufreinigen.

Noch nicht ganz rund

Um zu testen, ob die recycelten PCR-Ansätze tatsächlich für weitere Reaktionen zu gebrauchen sind, erhitzten Liu und Stellaci eine PCR-Probe 15 Minuten auf 100 Grad Celsius, um die Polymerase zu inaktivieren. Danach hydrolysierten sie die Probe über Nacht mit dem Nuklease-Mix und inaktivierten diese mit einer Inkubation bei 80 Grad Celsius. Anschließend versetzten sie den Ansatz mit Kinasen, ATP sowie Acetyl-Phosphat, um wieder dNTPs zu erhalten und entfernten die Enzyme sowie nicht-hydrolysierte DNA schließlich mittels Ultrafiltration.

Die recycelten Komponenten setzten die beiden in einer PCR ein, zu der sie nur ein neues Template sowie eine Polymerase hinzufügten. Die PCR lieferte etwas weniger Ausbeute als die ursprüngliche Reaktion, in der Kontrolle ohne Template tauchte jedoch wie erhofft kein PCR-Produkt auf. So richtig rund läuft das PCR-Recycling also noch nicht, Liu und Stellaci arbeiten jedoch an weiteren Verbesserungen.

Andrea Pitzschke

Liu W. & Stellacci, F. (2022): Recycling of Polymerase Chain Reaction (PCR) kits. BioRxiv, DOI: 10.1101/2022.04.08.487615

Bild: Pixabay/Shirley810




Letzte Änderungen: 18.05.2022