Editorial

Spamgrüße aus Martinsried

Neben günstigen Viagra-Pillen und preiswerten Rolex-Uhren schwemmt es neuerdings allerlei Aktientipps ins Mailfach. Beispielsweise solle man Papiere eines bayerischen Biotechunternehmens kaufen - dessen Wert würde schon bald rasant steigen. Ein heißer Tipp?

(18.04.2007) Ideenlosigkeit will sich die Martinsrieder Biotechfirma 4SC nicht vorwerfen lassen - und deshalb haben die Bayern beschlossen, sich an der von der Bundesregierung ausgedachten und vom Bürger bezahlten Initiative "Deutschland - Land der Ideen 2007" ("Deldi-07")zu beteiligen. Ein für die Allgemeinheit anfallender Nutzwert dieser kostspieligen Marketingmaßnahme ist zwar nicht zu erkennen, doch immerhin profitieren industrielle Deldi-07-Teilnehmer - und damit auch 4SC. Am 14. August etwa wird das Biotechunternehmen aus dem Münchener Südwesten eine Führung durch seine Forschungslaboratorien veranstalten, und die ebenfalls anwesenden "Medienpartner" vom Springer-Verlag werden den (bisher) weithin unbekannten Firmennamen "4SC" zuverlässig in ihre Publikationen (Welt, Bild, etc.) einstreuen.

Auf eine weitere Idee zur Steigerung des eigenen Marktwerts scheint die Firma nun gekommen zu sein: Seit Mittwoch, dem 18.4., kursieren Mails, in denen dazu aufgerufen wird, Aktien von 4SC zu kaufen. Deren Wert, so heißt es in ungelenkem Deutsch, hätten "schon ihre Steigerung angefangen", und weiter, "sehr bald wird der Preis 5,4 Euro betragen". Man wolle, so der Mailschreiber, "bei einer von den meist dynamisch entwickelnden Gesellschaften aufmerksam machen". Den aktuellen Kurs der 4SC-Aktie wird mit 3,23 Euro angegeben. Ein Kursanstieg auf 5,4 Euro würde somit einer Wertsteigerung um immerhin 67 Prozent entsprechen - und das alles, wie gesagt, "sehr bald".

"Aktien der Gesellschaft haben schon ihre Steigerung angefangen"

Nun ist es zwar einerseits kaum zu glauben, dass ein mit rudimentären Großhirnresten ausgestattetes menschliches Wesen derartige Mails als Anlass für einen Aktienkauf nehmen könnte - zumal literarische Perlen wie "In Zusammenhang mit dem, dass die Gesellschaft der Welt Erarbeitungen auf dem Gebiet der Behandlung Krebserkrankungen vorzustellen fast bereit ist, stieg Preis der Aktie hart" selbst den allerdümmsten Anleger misstrauisch machen sollten.

Andererseits scheint es durchaus Zeitgenossen zu geben, die selbst auf derart plumpe Bauernfängerei hereinfallen - andernfalls hätte sich die Volksseuche "Spam-Mails" schon längst totgelaufen. Und tatsächlich: der normalerweise eher träge Aktienkurs von 4SC ist am heutigen 18. April bis zum Börsenschluss um immerhin 5,9 Prozent nach oben geschossen.

Ob die diesem Anstieg zugrundeliegenden Käufe von Trittbrettfahrern stammen, die die günstige Gelegenheit nutzen wollten, von der Dummheit anderer zu profitieren - oder doch eher von den erwähnten Großhirnrestinhabern in Auftrag gegeben wurden, lässt sich nicht sagen. Vermutlich trifft beides zu.

In jedem Fall ist folgendes zu vermuten (aus rechtlichen Gründen leider notwendige Vorbemerkung: Achtung, die folgenden Sätze sind KEINE Empfehlung zu irgendwelchen Transaktionen!): Erstens wird der Kurs des 4SC-Papiers höchstwahrscheinlich nicht "sehr bald" bei 5,4 Euro ankommen, und b) haben die Urheber dieser ominösen Spammail ihre Schäfchen längst ins Trockene gebracht (sprich: verkauft) und damit einen beachtlichen, 5,9-prozentigen Gewinn innerhalb von 24 Stunden eingestrichen.

Eine kurze Frage dazu an die deutsche Börsenaufsicht: Liebe Damen und Herren, warum gucken Sie sich nicht mal an, wer in den letzten Tagen bzw. Wochen verdächtig viele 4SC-Aktien gekauft und diese seit dem 18.4. versucht, wieder abzustoßen? Könnte ja sein, dass diese Person(en) mit dem Absender der o.g. Spam-Mails Gemeinsamkeiten aufweist/aufweisen... Immerhin ist die Kursmanipulation durchs Internet nach Paragraf 88 Börsengesetz strafbar und kann, zumindest theoretisch, bis zu drei Jahren Gefängnis nach sich ziehen.

US-Börsenaufsicht greift durch, doch was ist mit den deutschen Aufpassern?

Die Amerikaner haben da wesentlich mehr Mumm als die verpennten Deutschen: Erst neulich (im März 2007) hat die US-Börsenaufsicht (SEC) 35 Firmen für zehn Handelstage vom Handel ausgesetzt, deren Aktien wiederholt mit Spam-Kampagnen beworben worden waren (mit dieser "Operation Spamalot" sollen Anleger vor fragwürdigen Börsentipps per Massen-E-Mail beschützt werden). Laut SEC kursieren rund 100 Millionen Aktien-Spams pro Woche.

Derartige Spamkampagnen blasen Handelsvolumen und Kurs beworbener Firmen massiv auf, ehe die Spam-Verursacher ihre bereits vorher günstig erstandenen Anteile wieder abstoßen - und damit den Kurs wieder nach unten treiben (im Fachjargon nennt man so etwas "Pumping and Dumping"). Verlierer sind meistens die oben mehrfach erwähnten Großhirnrestinhaber.

4SC laut eigener Aussage "nicht Initiator dieser Spam-Mails"

Laborjournal wollte selbstverständlich auch wissen, was die Leitung der Firma 4SC zu dieser Angelegenheit zu sagen hat. Firmenmitgründer und Vorstandschef Ulrich Dauer, ein promovierter Chemiker, verwahrte sich telefonisch dagegen, Initiator dieser Mails zu sein: "Solche Aktionen sind unserem Image alles andere als zuträglich", betonte er, doch könne seine Firma dagegen "leider wenig machen". Auf die Frage, ob man nicht wenigstens Strafanzeige stellen wolle, meinte Dauer: "Das bringt doch nichts - außer Kosten, die ins Leere laufen."

Winfried Köppelle



Letzte Änderungen: 18.04.2007