Editorial

DNA-Extraktion
mit flüssigem Salz

(13.04.2022) Mit magnetischen ionischen Flüssigkeiten lassen sich Zellwände von Pflanzen ruckzuck zerlegen. In PCRs stören die MIL nicht.
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MIL sind thermostabil, leitfähig und farbig

Gegenüber ihren Kollegen in der Tierforschung haben es Pflanzen­forscher ungleich schwerer, an Zellinhalte wie zum Beispiel DNA heranzu­kommen. Sie müssen zunächst die sehr stabilen Zellwände der Pflanzenzellen mithilfe von Mörsern oder Kugelmühlen knacken und dürfen sich danach oft mit Spielver­derbern herumschlagen, etwa Sekundär­metaboliten, die analytische Reaktionen stören oder ganz vereiteln.

Bei klassischen DNA-Extraktions-Verfahren werden die Zellwände mit kationischen Tensiden wie Cetrimonium­bromid (CTAB) oder Natrium­dodecyl­sulfat (SDS) behandelt und gleichzeitig erhitzt, um sie zu lysieren. Für die Aufarbeitung sind meist mehrere Zentrifugations­schritte nötig und die anschließende Extraktion der DNA mit Phenol-Chlorofom oder Spin-Säulchen ist nicht besonders angenehm beziehungsweise ziemlich teuer.

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Stabil, leitfähig, hydrophob

Weitaus einfacher funktioniert die Extraktion der DNA mit einer auf magnetischen ionischen Flüssigkeiten (MIL) basierenden Technik, die das Team des Chemikers Jared Anderson an der Iowa State University, USA, entwickelte. Ionische Flüssigkeiten (IL) sind Salze, deren Schmelz­temperatur unter hundert Grad Celsius liegt. Sie sind thermisch stabil, sehr leitfähig und hydrophob. Bringt man in ihren Kationen oder Anionen eine paramagnetische Komponente unter, werden sie zu magnetischen ionischen Flüssigkeiten, die mit einem Magneten greifbar sind. Moleküle, die an ihnen haften wie zum Beispiel DNA, lassen sich hierdurch bequem isolieren.

Anderson und seine Mitarbeiterin Miranda Emaus hatten bereits 2020 ein Protokoll veröffentlicht, mit dem man mithilfe von magnetischen ionischen Flüssigkeiten in einer Minute DNA aus Blutzellen isolieren kann (Anal Bioanal Chem, 412:8039–49). Die von den beiden verwendeten MIL perforieren die Zellen, worauf die Nukleinsäuren an sie binden. Mit einer Temperatur­erhöhung sowie durch eine wässrige Umgebung setzt man die Nukleinsäuren wieder frei und kann sie direkt als PCR-Template verwenden. Da die MIL in den PCR-Ansätzen nicht stören, lassen sich Zelllyse, DNA-Anreicherung und Amplifikation in einem Aufwasch erledigen.

Dürftige Ausbeute

Jareds Team fragte sich, ob MIL auch pflanzliche Zellwände knacken können. Die Gruppe wählte als Versuchsobjekte Arabidopsis thaliana, Nicotiana benthamiana, Quercus alba und Aloe vera. Die für die Experimente vorgesehenen MIL [P6,6,6,14+][Ni(hfacac)3] und [P6,6,6,14+][Co(hfacac)3]) testeten die Forscher zunächst an Blättern. Dass die beiden MIL die Blattober­flächen benetzten, war schon mal ein gutes Zeichen. Tatsächlich konnte das Team mit ihnen bereits mit einer simplen Technik wenige Nanogramm genomischer DNA aus den Blättern isolieren. Das Team pipettierte dazu sechs Mikroliter der MIL auf 40 Milligramm Blattgewebe, inkubierte den Ansatz einige Zeit und entnahm danach ein kleines Aliquot der MIL (einschließlich der an diese gebundenen DNA) für eine qPCR. Die Ausbeute von knapp einem halben Nanogramm DNA nach einer Stunde Inkubation war aber sehr dürftig und ließ sich nur signifikant steigern, wenn die Gruppe den Ansatz einen ganzen Tag inkubierte.

Also hieß es, den Aufschluss durch die MIL zu beschleunigen. Die US-Forscher versuchten dies, indem sie die Blätter zerschnipselten, pulverisierten oder vorab trockneten. Zudem erhöhten sie die Inkubations-Temperatur auf 60 Grad Celsius. Diese Maßnahmen bergen jedoch die Gefahr, dass Inhaltsstoffe freigesetzt werden, welche die PCR inhibieren. Bei Aloe vera sind dies meist Polysaccharide, die mit DNA unlösliche Komplexe bilden, Quercus alba nervt mit einer ganzen Palette störender Sekundär­metaboliten. Tatsächlich färbten sich die PCR-Ansätze braun, lieferten aber kaum oder kein Produkt. Mit zugesetztem Tween20 oder DMSO sah die Amplifikation etwas besser aus, ganz ungestört lief die PCR auch damit nicht ab. Jareds Team optimierte das Verfahren aber solange, bis es drei Extraktions-Protokolle etabliert hatte, die ausreichend DNA lieferten und gleichzeitig das Freisetzen von PCR-Inhibitoren minimierten.

Drei Protokolle und ein Wermutstropfen

Bei der einfachsten Variante werden sechs Mikroliter der MIL-Lösung ([P6,6,6,14+][Ni(hfacac)3]) direkt auf ein Blatt pipettiert, nach der Inkubation mitsamt den bis dahin freigesetzten Zellflüssig­keiten wieder abgesaugt und in einen qPCR-Ansatz (0,05 Prozent SSOadvanced SYBR green Supermix; 2,5 Prozent Tween sowie 5 mM DMSO) überführt. Die Inkubation kann je nach Pflanzen­material mehrere Stunden dauern.

Rascher geht es mit mechanisch aufgeschlossenem Material. Die MIL werden hierzu durch kurzes Vortexen mit der Zellsuspension gemischt. Anschließend kann man die MIL mit der daran haftenden DNA mit einem Magneten abtrennen und direkt in einen qPCR-Ansatz oder zunächst in Tris-Puffer pipettieren. Letztere Variante bietet die Möglichkeit, qPCR und DNA-Quantifi­zierung parallel durchzuführen.

Am einfachsten ist das One-Pot-Protokoll, bei dem man jedoch penibel darauf achten muss, nicht zu viel Pflanzen­material zu verwenden. Maximal 0,5 bis 1 Milligramm Blattgewebe werden direkt im PCR-Tube mit sechs Mikrolitern MIL vermischt, mit dem PCR-Puffer versetzt und dann vor der PCR bei 60 Grad Celsius inkubiert.

Einziger Wermutstropfen: Die von Jareds Team verwendeten MIL findet man nicht in einschlägigen Chemikalien­katalogen. Ihre Synthese ist aber nicht allzu kompliziert (New J Chem, 41: 5498-505).

Andrea Pitzschke

Emaus M. et al. (2022): Simple and efficient isolation of plant genomic DNA using magnetic ionic liquids. Plant Methods, 18:37

Bild: Pixabay/SimachtBilder (Eichenblatt) & New J Chem, 41:5498-505)




Letzte Änderungen: 13.04.2022