Editorial

„Die größte Hürde war
der Bankkredit“

(24.03.2022) Mit ihrem Start-up PiNa-Tec entwickelt Katja Werner Reagenzien für den Protein-Nachweis, indem sie Nanomaterialien mit Biomolekülen kombiniert.
editorial_bild

Katja Werner verkauft pinke HIgh-Tech aus Familienhand

Was hat Sie dazu bewogen, Ihre eigene Firma zu gründen?
Katja Werner: Mich hat es schon immer gereizt, den nächsten Schritt zu gehen und aus den Forschungs­ergebnissen Produkte werden zu lassen. Nach verschiedenen Stationen in akademischen Einrichtungen habe ich bei einer universitären Ausgründung Start-up-Luft geschnuppert. Das hat mir gut gefallen. Ich habe dann zwei Jahre bei einem Medizinprodukte-Entwickler gearbeitet, um Erfahrungen im Management einer kleinen Firma zu sammeln. Danach war die Zeit reif, meine Ideen in vermarktungs­fähige Produkte umzusetzen.

Welche Hürden mussten Sie bei der Gründung überwinden?
Werner: Erklären Sie mal einem Banker, was ein Protein ist, was Goldnanopartikel sind oder was ein Immun­reagenz ist. Das war ja alles noch vor Corona. Meine Firma PiNa-Tec ist weder ein kleiner Buchladen noch eine universitäre Ausgründung mit renommierten Professoren als Gesellschaftern, sondern eine quasi private Gründung im High-Tech-Bereich. Daher stellte der Bankkredit die größte Hürde dar. Ich habe schließlich einen Gründungs­kredit der Investitions- und Förderbank erhalten.

Editorial

Ist auch Ihr privates Umfeld eingebunden?
Werner: Ja. Mein Mann kümmert sich um die administrativen und IT-bezogenen Belange der Firma und war mein bester Gründungs­berater. Mein Sohn muss immer wieder für größere und kleinere Hilfsarbeiten einspringen und soll demnächst die Betreuung der Website übernehmen. Selbst unser Hund wird immer wieder mal zu PR-Zwecken tätig. Für den Vertrieb haben wir einen Handels­vertreter als Freien Mitarbeiter.

Inwiefern haben Sie von Ihren vorherigen beruflichen Stationen profitiert?
Werner: Meine Forschungs- und Entwicklungs­tätigkeit habe ich als Technische Angestellte (TA) im öffentlichen Dienst begonnen und erst später studiert. Ich hatte anfangs ausschließlich Zeitverträge, sodass ich häufig wechseln musste. So habe ich Einblick erhalten in die Viren­forschung, Zoologie, Botanik, Struktur­analytik, Nanotechnologie und Medizin­produkte-Forschung. Am EMBL sowie am Centrum für Angewandte Nano­technologie (CAN GmbH) in Hamburg war ich viele Jahre angestellt. Die gewonnene Erfahrungs­vielfalt und -tiefe hilft mir, die Arbeiten zur Produkt-Entwicklung mit Bedacht zu planen und effizient durchzuführen.

Welche Personen haben Sie beruflich besonders gefördert und beeinflusst?
Werner: Leider kann ich hier nur wenige der vielen Personen aus meiner 30-jährigen Berufstätigkeit nennen. Ganz besonders beeinflusst hat mich mein CAN-GmbH-Kollege Theo Schotten. Trotz hoher persönlicher Differenzen hat er mich Beharrlichkeit gelehrt und bei mir Spaß an strategischem Denken entflammt. Gefördert hat mich am meisten Frank Schröder-Oeynhausen, damals CEO der CAN GmbH. Er war der Erste in meiner beruflichen Laufbahn, der mein Potential auch finanziell anerkannt und mir eine Stelle als wissen­schaftliche Angestellte verschafft hat. An der Universität Düsseldorf hat mich Georg Groth in meinem wissen­schaftlichen Ehrgeiz bestärkt. Bei ihm musste und durfte ich auch als TA Paper lesen und Arbeits­gruppenvorträge halten und mit auf Dienstreisen gehen. So kam ich zum ersten Mal an das EMBL auf dem Campus des Deutschen Elektronen-Synchrotron (DESY) und musste mich in englischer Sprache verständigen – damals für mich ein Horror.

Wie ist Ihre Karriere dann weiterverlaufen?
Werner: Am EMBL in Hamburg hat mich Victor Lamzin ganz besonders gefördert. Ich bekam völlige Forschungs­freiheit und konnte meine Kreativität voll ausfahren. Nach neun Jahren EMBL kam der Schritt in die Nanotech­nologie an der CAN GmbH. Hier wurde ich im wahrsten Sinne von physikalischer Chemie und grell leuchtenden, nicht ausbleichenden Quanten-Dots geflasht. Unschätzbar wertvolle Kollegen wie Carsten Ott und Jan Niehaus haben mir diese Welt eröffnet und damit den Grundstein für die Geburt der PiNa-Tec gelegt.

Sie haben vor der Firmen­gründung einen Master of Science in Drug Research und Management an der Deutschen Universität für Weiterbildung, heute Teil der Steinbeis-Hochschule Berlin, abgeschlossen?
Werner: Ja, richtig. Ich habe dieses Fernstudium berufsbegleitend absolviert. Finanziell unterstützt wurde das Studium von der CAN GmbH. Ich war die einzige Nicht-Promovierte und musste eine Anerkennungs­prüfung für den Bachelor machen, um zugelassen zu werden. Ich habe mit 1,6 abgeschlossen und konnte dann Projekte so aufsetzen, dass die Pharma­industrie die Ergebnisse auch nutzen kann.

Ihre Firma ist im Innovation Village auf dem DESY-Campus in Hamburg angesiedelt. Wie sind dort die Bedingungen für Start-ups?
Werner: Die Bedingungen sind super, vieles ist möglich und es gibt viel Unterstützung. Wir haben im Augenblick zehn Quadratmeter Laborfläche, was uns völlig reicht und kostengünstig ist. Anfangs war PiNa-Tec das einzige Life-Science-Start-up auf dem Campus. Die Nachbarschaft war eher durch gegenseitiges Staunen und Interesse geprägt. Mittlerweile gibt es mehrere Start-ups aus diesem Gebiet, sodass nun auch Kollaborationen und Gemeinschafts­entwicklungen möglich werden. Ich bin dem Bereich Innovation & Technologietransfer des DESY sehr dankbar, dass PiNa-Tec hier eine passende Kinderstube erhalten hat. In den nunmehr drei Jahren habe ich hier höchste Flexibilität und Problemlösungs­kompetenz erfahren. Eine tolle, inspirierende Atmosphäre.

Welche Antikörper-Produkte bieten Sie an?
Werner: Derzeit bieten wir mit Goldnano­partikeln markierte Sekundär-Antikörper der Spezifität anti-Maus und anti-Kaninchen an. Diese Spezifitäten decken etwa 70 % der auf dem Markt befindlichen IgG-Typ Primär-Antikörper ab [siehe dazu auch den „Tipp 238: Western Blot mit PIA-PINK-Sekundär-Antikörpern“ auf LJ-Online]. In der Entwicklung befinden sich Goldnano­partikel-markierte Sekundär-Antikörper der Spezifität anti-Human IgG, IgM und IgA sowie hybride Produkte. Letztere werden neben der Sichtbarkeit durch die Goldnano­partikel auch Fluoreszenz- beziehungsweise Peroxidase-Funktion aufweisen. So lässt sich Multiplexing realisieren und auch die Nachweis­grenze weiter reduzieren.

Was sind Ihre nächsten Pläne?
Werner: In den letzten Wochen habe ich intensiv an der Reduktion der Produktions­kosten gearbeitet und freue mich, das PIA-PINK-Kit ankündigen zu können. Es enthält Blockierungs- und Färbelösung, also PIA-PINK anti-Maus- oder anti-Kaninchen-Antikörper, für fünf Blots. Sobald der Umsatz die erforderliche Höhe und Stabilität erreicht hat, werden wir zunächst in das Marketing investieren. Später steht die Schaffung weiterer Laborarbeits­plätze an. Dies wird mit einem Umzug einhergehen. Das alles soll, gemäß der Firmen­philosophie, organisch und mit einer bodenständigen Bescheidenheit erfolgen. Ich würde mich freuen, wenn wir es schaffen, im Laufe dieses Jahres zwei, drei Teilzeit­arbeitsplätze für kreative, arbeits­freudige Fachkräfte zu schaffen, deren private Umstände eine begrenzte Arbeitszeit erfordern.

Brauchen Sie aktuell noch Tester für Ihre Produkte?
Werner: Wir freuen uns immer über Tester. Derzeit betrifft das die Anwendungen im ELISA-Format, aber auch mikroskopische Analysen. Auch über Application Notes aus dem klassischen Anwendungs­bereich, also dem Immunoblot, freuen wir uns sehr.

Welche Entwicklungs­möglichkeiten sehen Sie für Ihr Gebiet?
Werner: Die Nanotechnologie ist noch jung. Weitere Erkenntnisse und höher integrierte Nanopartikel oder -flächen wie beispielsweise Nanoporen werden in der Kombination mit Biotechnologie zu immer neuen Produkten und Anwendungen führen. Bei der PiNa-Tec fokussieren wir uns auf derzeit auf die Entwicklung analytischer Produkte für Forschung und Entwicklung. Auch hier ist noch viel Raum für anwendungs­optimierte Produkte.

Das Interview führte Bettina Dupont

Bild: DESY, A. Heimken


Weitere Biotech-Firmen im Porträt


- Gutes aus Grünzeug

Reaktiver Sauerstoff, Malaria-Wirkstoff und Tabakbauern in Kentucky – ArtemiFlow aus Potsdam bringt all das unter einen Hut.

- Ein Taschenmesser für den Laborgebrauch

Ein handliches Gerät, welches unter anderem Zellviabilität mikroskopisch bestimmen und Spektren messen kann – das hat das Dresdner Start-up anvajo entwickelt.

- Wenn Moleküle schwingen

Glasfaserknäuel statt Spiegelkabinett – das Münsteraner Start-up Refined Laser Systems beschleunigt die Raman-Spektroskopie.

 

 



Letzte Änderungen: 24.03.2022