Editorial

Exzellenzrechnereien

(18.03.2022) Wie bekommt man mehr "Exzellenz"? Wer sagt der Forschungspolitik, dass das nicht so einfach ist, wie viele denken?
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„Ich bin an einer Exzellenzuni, also bin ich exzellent.“

Was sollte daran falsch sein?? Schließlich prodzuziert ein Fußballverein Fußballer, eine Schraubenfabrik Schrauben – warum sollte dann ein Exzellenzverein nicht Exzellentes hervorbringen? Namen sind schließlich Programm.

Ja, ja, schon klar – so einfach geht es natürlich nicht. Wie aber dann? Schwer, ganz schwer geht es. Denn schon wer allein nur "gut" sein will, muss dazu erst einmal produktiv sein; und wer gar "exzellent" sein will, muss in aller Regel sehr produktiv sein. Kein Zweifel, Exzellenz und Produktivität hängen miteinander zusammen.

Für die Wissenschaft heißt das zwar sicher nicht, dass diejenigen, die die meisten Paper schreiben, automatisch auch die Exzellentesten sind. Umgekehrt dürfte man allerdings mit nur wenigen Artikeln ganz gewiss nicht dazugehören.

Editorial

Der Anteil hochproduktiver Wissenschaftler bleibt immer gleich

Womit wir bei einem sziento­metri­schen Gesetz angekommen wären, das der Mathematiker Alfred Lotka bereits vor über neunzig (!) Jahren formulierte. Danach ist der Anteil der Personen, die n Aufsätze schreiben, immer proportio­nal zu 1/n2 – was konkret heißt: Auf hun­­dert Autoren, die in einem gewissen Zeitraum jeweils ein Paper verfassen, kommen 25 mit zwei, 11 mit drei,… – und nur einer von Hundert wäre mit zehn Papern „hochproduktiv“. Wollte ich also zehn Hochproduktive, bräuchte ich insgesamt tausend Forscher; wären aber tausend „Überflieger“ mein Ziel, müsste ich nach Lotka schon 100.000 Wissenschaftler anstellen.

Demnach kann ich also machen, was ich will: Der Anteil hochproduktiver Wis­sen­schaftler an der Gruppenstärke bleibt immer gleich. Was daraus folgt, ist trivial: Ich kann deren absolute Zahl also nur nennenswert steigern, indem ich die Ge­samt­zahl der Wissenschaftler kräftig erhöhe.

Etikettenschwindel

So, und jetzt die Fangfrage: Spricht etwas dagegen, dass es sich mit dem Anteil „exzellenter“ Wissenschaftler oder Institutionen an der Gesamtgruppe nicht genau gleich verhält wie mit den „produktiven“? Wohl kaum, oder? Vorausgesetzt natürlich, die Kriterien bleiben gleich – und man klebt nicht einfach „Exzellenzetiketten“ auf Dinge, die es bislang nicht waren oder es möglichst erst noch werden sollen.

Ralf Neumann

 

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Letzte Änderungen: 17.03.2022