Editorial

„Ein weltweiter Immunschutz ist entscheidend“

(28.01.2022) Die Hamburger Impfstoff-Forscherin und Infektiologin Anahita Fathi spricht über Corona-Impfauffrischungen – und warum Impfangebote erweitert werden sollten. 
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Laborjournal: Seit Jahren arbeiten Sie an Vektorimpfstoffen gegen neuauftretende Infektionserkrankungen wie MERS. Ahnten Sie, dass eine Pandemie bevorsteht? 

Anahita Fathi » Durch die Ebola-­Epidemie waren wir in der wissenschaftlichen Gemeinschaft sensibilisiert. Als die Epidemie 2014 in Westafrika begann, existierte schon lange ein Impfstoffkandidat gegen das Ebolavirus, der in der präklinischen Entwicklung gute Ergebnisse gezeigt hatte. Allerdings war er jahrelang nur schleppend entwickelt worden, weil das Bewusstsein fehlte, Impfstoffprojekte gegen neuauftretende Infektionserkrankungen vor einer Epidemie voranzutreiben. Für die Eindämmung der Epidemie kam er letztendlich zu spät. Aus dieser Erfahrung haben wir gelernt.

Als ich Ende 2019 erstmals von einem neuartigen Coronavirus in China hörte, ahnte ich, dass es pandemisches Potenzial hat, habe aber nicht erwartet, dass es sich so schnell ausbreiten und unser Leben so lange beeinflussen würde.

 

»Homologe Impfschemata mit mRNA-Vakzinen bieten einen sehr guten Schutz, der dem einer Kreuzimpfung nicht nachsteht.«

 

Wie schätzen Sie die Wirksamkeit der COVID-19-Impfstoffe ein? 

Fathi » Ich war überrascht, dass ­mRNA-Vakzinen und Vektorimpfstoffe initial einen über neunzigprozentigen Schutz vor symptomatischen ­COVID-19-Erkrankungen zeigen. Schließlich werden sie intramuskulär appliziert, also weit entfernt von den Replikationsorten der Coronaviren, und induzieren eine systemische Immunantwort mit IgG-Antikörpern. Das Infektionsgeschehen findet bei respiratorischen Viren aber in der Lunge statt, wo diese von IgA-Antikörpern abgefangen werden, die mit einer intramuskulären Impfung nur schwer zu generieren sind. Deshalb ist es bei respiratorischen Infektionen fast unmöglich, jegliche Infektion zu unterbinden. Die Wirksamkeit der Vakzinen hat meine Erwartungen daher übertroffen.

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Bei respiratorischen Viren sollten also inhalative Vakzinen effektiver sein? 

Fathi » Es gibt gute Argumente für sie, da sie Immunzellen in der Schleimhaut stimulieren. Gegen Influenza existiert beispielsweise eine lebendattenuierte Vakzine, die als Nasenspray verabreicht wird. Allerdings sind intranasal angewandte Impfstoffe im Vergleich zu intramuskulären Ansätzen noch wenig verbreitet. Auch intranasale Impfstoffkandidaten für SARS-CoV-2 befinden sich noch in klinischen Studien.

Alternativ bieten Kreuzimpfungen mit unterschiedlichen mRNA-Vakzinen einen zusätzlichen Immunschutz. Wie erklären Sie sich das? 

Fathi » Von Kreuzimpfungen ist umgangssprachlich die Rede, wenn zwei unterschiedliche Impfstofftechnologien kombiniert werden, was vorteilhaft sein kann. So sind mRNA-Vakzinen sehr immunogen und induzieren insbesondere die Entwicklung neu­tralisierender Antikörper. Vektorimpfstoffe dagegen stimulieren auch die zelluläre Immunität gut. Für die Frage, ob eine Kombination unterschiedlicher mRNA-Impfstoffe von Vorteil ist, gibt es noch keine klaren Daten, und es muss beachtet werden, dass die Zusammensetzung der Vakzinen und auch die Konzentrationen der mRNA unterschiedlich sind.

Es wäre also clever gewesen, erst mit einem Vektorimpfstoff besonders hohe Konzentrationen an B- und T-Gedächtniszellen zu induzieren, um in der zweiten Impfung dann mit einer mRNA-Vakzine für besonders hohe IgG-Titer zu sorgen? 

Fathi » In der Praxis war das schwierig, da es ja keine bereits lizenzierten SARS-CoV-2-Impfstoffe gab. Um klinische Studien zu Kreuzimpfungen durchführen zu können, sollten die Sicherheitsprofile der einzelnen Vakzinen schließlich bekannt sein. Nach Lizenzierung der Vektor- und mRNA-Impfstoffe gegen COVID-19 führten aber eine Reihe von Forschern solche Studien durch. Tatsächlich lösen auch Kreuzimpfungen sehr gute Immunantworten aus. Tendenziell treten im Vergleich zu homologen Impfschemata etwas mehr Impfreaktionen auf, wenn erst ein adenoviraler Impfstoff und dann eine mRNA-Vakzine verabreicht wird. Auch homologe Impfschemata mit mRNA-Vakzinen bieten jedoch einen sehr guten Schutz, der dem einer Kreuzimpfung nicht nachsteht.

Spricht die Notwendigkeit von ­Booster-Impfungen nicht eigentlich gegen die Effizienz vorhandener Impfstoffe? 

Fathi » Es ist richtig, dass die  Fallzahlen einige Monate nach der Grundimmunisierung steigen, insbesondere in Risikogruppen wie hochbetagten Patienten. Trotzdem schützt die Grund­immunisierung vor schwerer Erkrankung. Um sie zu optimieren, empfiehlt die Ständige Impfkommission (STIKO) nun – insbesondere in Anbetracht der rasanten Verbreitung der Omi­kron-Variante – Auffrischungsimpfungen ab drei Monaten nach der Grundimmunisierung.

Bekanntermaßen fallen Antikörpertiter in den Monaten nach der Grundimmunisierung. Wie schnell verschwindet denn gleichzeitig die zelluläre Immunantwort? 

Fathi » B- und T-Gedächtnis-Zellen sind oft noch viele Jahre und teilweise lebenslang nach einer Impfung oder Infektion vorhanden. Entsprechend können Booster-Impfungen sowohl Antikörper-Antworten als auch die Konzentration cytotoxischer T-Zellen rasch re­induzieren, selbst wenn diese zuvor nicht mehr nachweisbar waren.

Auch bei SARS-CoV-2? 

Fathi » Wahrscheinlich sind Gedächtnis-Zellen nach langer Zeit noch vorhanden. Da dieses Virus jedoch erst seit kurzem zirkuliert, wissen wir noch nicht, wie lange eine robuste zelluläre Immunantwort nachweisbar bleibt und wie viele Impfungen oder Virusinfektionen dafür notwendig sind.

Auffrischungsimpfungen werden also auch in Zukunft nötig sein? 

Fathi » Booster-Impfungen wird man sicherlich liberaler für Personen mit hohem Risiko für eine schwere COVID-19-Erkrankung empfehlen, also zum Beispiel Senioren. Todesfälle zu verhindern, ist schließlich das primäre Ziel der Impfstrategie. Wie viele Booster-Impfungen dafür notwendig werden, hängt unter anderem vom Verlauf der Pandemie und dem Auftreten neuer Virus-Varianten ab. Glücklicherweise schützen aktuelle Impfungen auch vor schweren Verläufen und Hospitalisierungen, obwohl sie gar nicht auf neue Varianten wie Omikron abgestimmt sind. Eine Grundimmunisierung wird also auch in Zukunft einen gewissen Schutz vor neuen Varianten bieten.

 

»Kann das Virus weniger replizieren, kann es weniger mutieren.«

 

Wäre ein Pan-Coronavirus-Impfstoff, also einer, der gegen alle Coronaviren wirkt, eine zukunftsträchtige Alternative? 

Fathi » Vorteilhaft wäre es. Die Herausforderung besteht jedoch darin, dass der immunogene Teil des Virus, also das Spike-Protein, zwar gute Immunantworten induziert, damit aber gleichzeitig einem hohen Selektionsdruck unterliegt. Es muss mutieren, um dem Immunsystem zu entgehen, weswegen sich Virus-Varianten besonders in ihren ­Spike-Domänen unterscheiden. Vakzinen gegen das Spike-Protein macht das wirkungsloser. Eine Vakzine gegen sämtliche Sarbeco­viren, zu denen auch SARS-CoV-1 und -2 gehören, also eine Pan-Sarbecovirus-Vakzine müsste daher humorale oder zelluläre Immunantworten gegen konservierte Sequenzen auslösen. Solche Bereiche sind aber deshalb konserviert, weil sie keinem hohen Immunselektionsdruck unterliegen, eben weil sie vergleichsweise wenig immunogen sind. Eine Vakzine zu entwickeln, die einen Immunschutz für eine Breite verschiedener Coronaviren und deren Varianten induziert, ist daher eine Herausforderung.

Glauben Sie, dass das Evolutionspotenzial von SARS-CoV-2 mit der Omikron-Variante ausgeschöpft ist? 

Fathi » Ich glaube, viele Wissenschaftlerinnen waren eher überrascht, dass überhaupt so viele Virus-Varianten auftreten. Zumindest war ich es. Schließlich sind Coronaviren nicht für extreme Mutationsraten bekannt. Allerdings ist die Infektionsaktivität anhaltend und weltweit hoch und es gibt noch viele Menschen ohne Immunität, was die Evolution von SARS-CoV-2 begünstigt. Eine Prognose kann ich nicht abgeben.

Wie vermeiden wir neue Fluchtmutanten bestmöglich? 

Fathi » Beeinflussen können wir am besten die Infektionsaktivität. Kann das Virus weniger replizieren, kann es weniger mutieren. Ein weltweiter Immunschutz der Bevölkerung ist also entscheidend.

Wohlhabende Länder sollten ihre Booster-Impfungen somit besser in Drittländer verschiffen? 

Fathi » Grundimmunisierungen haben einen größeren Effekt auf das weltweite Infektionsgeschehen und die Krankheitslast als Booster-Impfungen. Daher sollten sie absolute Priorität haben. Denn eine Impfung, die eine immunnaive Person zu neunzig Prozent vor Erkrankung schützt, hat auf einen Menschen, dessen Schutz nach Primärimmunisierung mit der Zeit zum Beispiel auf sechzig Prozent gefallen ist, nur einen Effekt von dreißig Prozent.

Andererseits verfügen nur Personen mit einer Auffrischungsimpfung über einen relevanten Schutz vor der Omikron-Variante. Booster-Impfungen sind also notwendig, um einer Überlastung des Gesundheitssystems entgegenzuwirken und Risikogruppen zu schützen.

Was ist zur Infektiosität und Symptomatik der Omikron-Variante bekannt? 

Fathi » Breitet sich eine neue Variante aus, lässt sich anfänglich schwer zwischen Störfaktoren, wie etwa zufälligen Superspreader-Events, und höherer Infektiosität unterscheiden. Omikron entstammt aber mit Südafrika einer Region, deren Bevölkerungsgroßteil durch vorherige Varianten immun sein sollte. Da es nun weltweit die Delta-Variante verdrängt, scheint es infektiöser zu sein.

Seine Symptomatik ähnelt dabei der Delta-Variante. Allerdings stammen unsere Daten größtenteils von jungen, geimpften oder genesenen Menschen mit einem entsprechend geringen Risiko für schwere Verläufe.

Wie viele Todesfälle sind bisher für ­Omikron bekannt?  

Fathi » Den ersten deutschen Todesfall meldete das Robert-Koch-Institut (RKI) kurz vor Weihnachten. Insgesamt wurden bislang wenige Todesfälle beschrieben. Aber es ist noch zu früh, hieraus Schlüsse über die Fall­sterblichkeitsrate zu ziehen.

 

»Die meisten Ungeimpften auf unserer Station sind keine  Impfgegner, sondern haben  das eigene COVID-19-Risiko  als niedrig angesehen.«

 

Vermehren sich die Delta- und Omikron­-Varianten bevorzugt an unterschiedlichen Stellen im menschlichen Körper? 

Fathi » Dazu ist wenig bekannt. Eine Hypothese, warum Infektionen mit der Omikron-Variante einen milderen Verlauf haben könnten, ist, dass es noch mehr im Nasen-Rachen-Raum und den oberen Atemwegen als in den tiefen Atemwegen repliziert. SARS-CoV-1 vermehrte sich ja bevorzugt in den tiefen Atemwegen, was zwar einen schwereren Krankheitsverlauf bedingte, aber auch dazu führte, dass gesundheitlich stark eingeschränkte Personen das Virus nicht so stark verbreiteten. Ob Omikron die oberen Atemwege im Vergleich zu Delta besonders bevorzugt, ist noch Gegenstand der Forschung.

Was wäre eine andere Erklärung für milde Verläufe? 

Fathi » Ein Grund für eine schwere ­COVID­-19-Symptomatik sind überschießende Immunantworten. Induziert Omikron sie nur schwach, könnte das ebenfalls in milden Verläufen resultieren – ganz unabhängig vom bevorzugten Replikationsort.

Was spielt eine größere Rolle für den weiteren Pandemieverlauf im deutschsprachigen Raum: Omikrons immunevasiven oder seine infektionssteigernden Mutationen? 

Fathi » Das kommt ganz auf die Dynamik der Bevölkerungsimmunität an. Aktuell gibt es noch Millionen Deutsche, die weder durch eine Impfung noch durch eine ­COVID-19-Erkrankung einen Immunschutz haben. Für diese Gruppe würde eine erhöhte Transmissibilität des Virus eine größere Rolle spielen, denn Varianten mit Immun-Escape-Mutationen haben keinen Selektionsvorteil in einer immunnaiven Population. In einer größtenteils geimpften oder genesenen Bevölkerung haben dagegen immunevasive Mutationen einen großen Einfluss auf das Infektionsgeschehen. Wie beide Mutationsarten epidemiologische Modellierungen beeinflussen, kann ich allerdings nicht qualifiziert beurteilen.

Eine fünfte Welle ist unvermeidbar? 

Fathi » Ich glaube, wir stehen kurz davor. Auch wenn die Infektionszahlen gerade [Ende Dezember 2021] fallen, wiegen wir uns in falscher Sicherheit. Kontakte während der Weihnachtsfeiertage, Pandemiemüdigkeit und ein falsches Vertrauen auf ausreichenden Impfschutz ebnen der Omikron-Variante den Weg. Ein Blick auf die hohen Infektionszahlen in unseren Nachbarländern zeigt, wie es bei uns in wenigen Wochen aussehen kann. Auch auf unserer Station steigen die SARS-CoV-2-Infektionen mit der Omikron-Variante.

Wie viele Impfdurchbrüche sind unter ihnen? 

Fathi » Für einige Patienten auf unserer COVID-19-Normalstation wurde trotz vollständiger Impfung eine SARS-CoV-2 Infektion nachgewiesen. Oft sind dies jedoch Personen, bei denen die SARS-CoV-2-PCR im Rahmen eines Routinescreenings zum Beispiel bei Krankenhausaufnahme positiv ausfiel, die aber keine oder nur milde COVID-19-Symptome zeigen und aus anderem Grund bei uns sind, beispielsweise wegen einer Tumor­erkrankung oder eines Herzinfarkts. Der überwiegende Teil der Patienten, die wir auf der Intensivstation wegen einer SARS-CoV-2-Infektion behandeln, ist dagegen ungeimpft oder hat aufgrund einer Einschränkung des Immunsystems – sei es medikamentös oder durch eine Grunderkrankung – einen unzureichenden Impfschutz.

Wie wichtig sind Impfdurchbrüche für den weiteren Pandemieverlauf? 

Fathi » Mit dem Anteil Geimpfter an der Bevölkerung steigt natürlich auch die Anzahl an Impfdurchbrüchen und besonders in Hinblick auf die sich verbreitende Omikron-Variante müssen wir von einem Anstieg von Impfdurchbrüchen ausgehen. Im Falle einer Infektion nach Impfung verläuft COVID-19 nur selten schwer, allerdings haben auch Personen, die sich trotz Impfung infizieren, eine hohe Viruslast und können SARS-CoV-2 weiter übertragen und das Infektionsgeschehen beeinflussen.

Müssen wir Bedenken haben, dass Omi­kron die Rate an Impfdurchbrüchen erhöht? 

Fathi » Ja, das wird ein Problem sein. In In-vitro-Experimenten neutralisieren Seren von Geimpften und Genesenen Omikron deutlich schlechter als Delta. Die Booster-Impfung schützt im Vergleich zu einer Zweifach-Impfung zwar besser vor Infektionen mit Omi­kron, aber wir sehen solche Infektionen auch bei dreifach Geimpften. Deswegen wird die Anzahl an Impfdurchbrüchen höchstwahrscheinlich steigen.

 

»Wir müssen besser erklären, was Wissenschaftlichkeit bedeutet, und dass es normal ist, wenn sich Empfehlungen durch eine neue Datenlage ändern.«

 

Das macht eine Impfpflicht noch dringender ... 

Fathi » Ich kann mir gut vorstellen, dass eine Impfpflicht kommen wird, wenn andere Möglichkeiten versagen, ungeimpfte Personen zu einer Impfung zu motivieren.

Ab wann halten Sie eine Impfpflicht für medizinisch unumgänglich? 

Fathi » Eine medizinische Grundvoraussetzung ist sicherlich, dass der Nutzen der Impfung ihre Risiken überwiegt. Mit der Zulassung und Empfehlung der SARS-CoV-2-Impfstoffe ist das gegeben. Die Impfung sollte außerdem nicht nur vor schweren Erkrankungen schützen, sondern das Infektionsgeschehen auch beeinflussen. Vor der Einführung einer Impfpflicht ist es noch wichtig, Impfungen flächendeckend und niederschwellig anzubieten, um der Bevölkerung den Zugang zu erleichtern. Die meisten Ungeimpften auf unserer COVID-19-Station sind keine Impfgegner, sondern haben das eigene COVID-19-Risiko als niedrig angesehen und daher keinen Impftermin vereinbart. Diese Personengruppe kann man auch ohne Impfpflicht mit niederschwelligen Impfangeboten erreichen.

Greift diese Behauptung nach zwei Jahren Pandemie wirklich noch? 

Fathi » Andere Länder bieten Impfungen in Apotheken, Drogerien oder sogar Drive-­throughs an. In Deutschland tun wir uns noch schwer damit, Impfungen außerhalb von Arztpraxen und Impfzentren zu verabreichen. Das muss sich ändern.

Was würden Sie aus Ihrer klinischen Perspektive noch verändern?  

Fathi » Erstens müssen wir die Wichtigkeit und den Mechanismus evidenzbasierter Entscheidungen besser kommunizieren. Beispielsweise hat die scheinbare Zögerlichkeit der STIKO, Empfehlungen nicht auf Basis theoretischer Überlegungen, sondern erst beim Vorliegen harter Daten auszusprechen, viele Menschen verunsichert. Zweitens müssen wir besser erklären, was Wissenschaftlichkeit bedeutet, und dass es normal ist, wenn sich Empfehlungen durch eine neue Datenlage dynamisch ändern. An die jeweilige Pandemielage angepasste Abstands-, Masken- und Testregeln sowie Impfempfehlungen haben in den Köpfen der Menschen ein Unverständnis für dieses scheinbare Hin und Her zurückgelassen.

Deswegen finde ich es sehr positiv, dass der neue Expertenrat der Bundesregierung nicht nur aus Virologen, Epidemiologen und Medizinern, sondern auch aus Psychologen und Medizinethikern besteht, die das Meinungsbild der Bevölkerung einbringen.

(Die Ärztin Anahita Fathi erforscht Vakzinierungsstrategien am Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin und versorgt Corona-Patienten in der Infektiologie des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf.)

Interview: Henrik Müller (27.12.2021)

(Foto: UKE)


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Letzte Änderungen: 28.01.2022