Günstig in der Hand
amplifiziert
(05.01.2022) Ein simpler SARS-CoV-2-Test verknüpft die isothermale RNA-Amplifikation sehr smart mit der Steuerung der Genexpression durch Riboregulatoren.
RNA in einer Probe schnell, spezifisch und mit möglichst wenig Aufwand detektieren zu können, hat nicht nur im Wettlauf gegen SARS-CoV-2 höchste Priorität. Wer keine Hightech-Ausstattung zur Verfügung hat, muss umso kreativer mit molekularbiologischen Methoden und den vorhandenen Labor-Geräten umgehen können. Dazu zählt etwa, auf PCR sowie Thermocycler zu verzichten und die RNA isothermal zu amplifizieren. Zusätzliches Einsparpotenzial entsteht, wenn man einzelne Komponenten mit einem zellfreien Transkriptions-/Translationssystem selbst herstellt, statt sie online zu bestellen.
Omer Duhan Toparlaks Team von der Universität Trento in Italien hat diese Sparmaßnahmen geschickt zu einem SARS-CoV-2-Testverfahren kombiniert. Für dieses macht sich die Gruppe zwei Prinzipien zunutze: die Regulation der Genexpression mit sogenannten „toehold switch-mediated Riboregulatoren“ sowie die alpha-Komplementation der vom LacZ-Gen codierten b-Galactosidase. Toehold switch-mediated Riboregulatoren sind Nukleinsäure-Strukturen, die sich aufgrund ihrer Sequenz zu komplizierten Gebilden aus mehreren Stem-Loop-Strukturen verbinden und hierdurch die Translation nachfolgender Sequenzabschnitte vereiteln. Sie öffnen sich nur, wenn passende Trigger-DNAs oder Trigger-RNAs an sie binden und hierdurch die Translations-Blockade lösen.
UTRs gesucht
Um SARS-CoV-2-RNA mit der Technik detektieren zu können, identifizierten die Italiener zunächst in silico mögliche Riboregulator-Strukturen mithilfe des RNAfold-Servers der Universität Wien und suchten dazu passende SARS-CoV-2-RNA-Abschnitte. Letztere sollten vorzugsweise aus untranslatierten Regionen (UTR) des Virusgenoms stammen, da die Syntheserate von UTRs meist viel höher ist als die codierender Sequenzen. Der Hintergedanke: Je mehr einer RNA-Spezies in der Probe vorliegt, umso einfacher sollte sie zu detektieren sein. Nach einiger Vorauswahl fand die Gruppe schließlich die optimale Konstellation von Riboregulator-Sequenz und UTR-Spezies.
Mithilfe einer dreißigminütigen Recombinase Polymerase Amplification (RT-RPA) wird die UTR-Sequenz in der RNA-haltigen Probe zunächst vervielfältigt. Die hierzu nötige Temperatur von 37 bis 42 Grad Celsius liefert notfalls die eigene Körperwärme – man muss dazu lediglich das verwendete Reaktionsgefäß in der geschlossenen Hand halten.
Besser Mutanten verwenden
Die weiteren Komponenten des SARS-CoV-2-Detektors mit Toehold-Regulator gewannen die Italiener aus Zellextrakten manipulierter E.-coli-Zellen. Ihr Konstrukt besteht aus dem T7-Promotor, dem Toehold-Riboregulator sowie einem Fragment des LacZ-Gens, das für das alpha-Peptid der b-Galactosidase codiert. Aufpassen muss man bei der Wahl des E.-coli-Stamms: Die für Expressionen standardmäßig eingesetzten BL21-Derivate kommen nicht infrage, da sie von Haus aus ein LacZ-Gen mitbringen. Deshalb sollte man auf LacZ-Mutanten ausweichen, beispielsweise JM109 oder DH10b.
Damit das a-Peptid von dem Konstrukt exprimiert wird, müssen genügend Kopien der viralen UTR-Sequenz vorliegen. Außerdem muss die fehlende Komponente b-Galactosidase-w mithilfe eines MBP-Fusionsproteins ergänzt werden. Das von diesem exprimierte b-Galactosidase-w-Fragment ermöglicht die alpha-Komplementation, wodurch sich ein funktionsfähiges b-Galactosidase-Tetramer bilden kann.
Ergebnis nach zehn Stunden
Der SARS-CoV-2-Test der Italiener findet in 96-Well-Platten auf Filterpapierscheiben statt. Hierfür wird das Filterpapier zunächst mit BSA blockiert und luftgetrocknet. Anschließend pipettiert man vier Zutaten in jedes Well: den Rohextrakt von E. coli mit dem beschriebenen Konstrukt, rekombinante b-Galactosidase-w, das Farbstoffsubstrat CPRG (Chlorphenol-red-b-D-Galactopyranosid) sowie die zu analysierende Probe. Im positiven Fall wechselt die Farbe auf dem trocknenden Filterpapier von gelblich-orange zu rötlich-orange. Bei Raumtemperatur und Lufttrocknung steht das Ergebnis spätestens nach zehn Stunden fest.
Das Verfahren ist zwar noch nicht ganz ausgegoren, insbesondere was die Optimierung des Puffers betrifft. In Speichelproben, die amplifizierte SARS-CoV-2-RNA in verschiedenen Konzentrationen enthielten, funktionierte der Test aber und war relativ sensitiv – das Detektionslimit entspricht etwa einem Ct-Wert der qPCR von 29. Der Preis von nur 23 Cent pro Test spricht ebenfalls dafür, die Technik weiter zu optimieren.
Andrea Pitzschke
Notarangelo M. et al. (2021): Inexpensive and colorimetric RNA detection by E. coli cell-free protein synthesis platform at room temperature. medRxiv, DOI: 10.1101/2021.11.29.21267025
Bild: Pixabay/Comfreak & Innovative Genomics Institute, UC Berkeley (RNA)