2021: Corona und was sonst noch war (Teil 1)
(03.01.2022) Ein weiteres Jahr mit Schließungen, geplatzten Frisörterminen, aber auch hervorragender Forschung ist vorbei. Wir blicken noch einmal zurück.
Der Januar beginnt zunächst mit guten Nachrichten. In den USA geht die aberwitzige Präsidentschaft eines Immobilienbesitzers und TV-Sternchens nach vier langen Jahren endlich zu Ende. Und in der EU erhält nach Comirnaty, dem COVID-19-Impfstoff von Biontech/Pfizer am 21.12.2020, mit Modernas Spikevax ein zweites mRNA-Vakzin am 6.1.2021 seine Zulassung. Ende Januar kommt dann auch noch Astrazenecas Vaxzevria hinzu. „We’ll have more than enough safe and effective vaccines for protecting all Europeans“, lässt die EU-Kommissionspräsidentin verlauten. Es kann also losgeimpft werden, was das Zeug hält. Und das ist auch dringend nötig, hat Deutschland doch wegen anhaltend hoher Infektionszahlen gerade erst wieder seinen bereits seit November/Dezember bestehenden Lockdown verlängert.
Auf Laborjournal Online fragten wir im Januar: „Kann man mit Wettbewerben wirklich exzellente Wissenschaft ernten?“ Die Antwort erfahren Sie hier. Auch sonst stand bei uns SARS-CoV-2 im Mittelpunkt der Berichterstattung. So ging es etwa darum, wie man synthetische Nanobodies gegen SARS-CoV-2 -Zielproteine herstellen kann. Grazer Enzymologen erzählten uns außerdem, wie sie Bindeeigenschaften der Main Protease von SARS-CoV-2 mit Punktwolken vorhersagen. Und Andreas Meyer-Lindenberg sprach mit uns über die Auswirkungen der Pandemie auf die menschlichen Psyche. In unseren Artikeln zum Freiwilligen Wissenschaftlichen Jahr und zur unbefriedigenden beruflichen Situation von Postdocs spielte SARS-CoV-2 zur Abwechslung mal keine Rolle.
Im Februar sitzt Deutschland noch immer im Lockdown fest. Aber auch in Massen von Schnee und zum Teil deftigen Tiefsttemperaturen von bis zu minus 20 Grad, im thüringischen Mühlhausen wurden am 10. Februar um halb 4 Uhr nachts gar 26,4 Grad Celsius gemessen, minus versteht sich. Beim Schneemannbauen und Rodeln vergisst man die geschlossenen Geschäfte, Restaurants und Kneipen schnell. Die Bierbrauer allerdings schlugen Alarm: „Die Situation ist dramatisch und in der Nachkriegszeit ohne Beispiel“, beklagt sich etwa der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Brauer-Bundes. Unterdessen sind weltweit mehr als 100 Millionen Impfungen verteilt worden. Auf der anderen Seite hat die Pandemie bereits mehr als 2,5 Millionen Menschen das Leben gekostet.
Auf Laborjournal Online erzählten uns Wiener Forscher, wie sie SARS-CoV-2 mit einem in Tabakpflanzen exprimierten Lockvogel auf die falsche Fährte führen wollen. Auch Impfstoffe waren bei uns wiederholt Thema. Zum einen berichteten wir im Februar über 100 Jahre Impfstoff-Entwicklung in Dessau bei IDT Biologika, die zu diesem Zeitpunkt auch mit der Entwicklung eines SARS-CoV-2-Vakzins beschäftigt waren. Allerdings wenig erfolgreich. Zum anderen schauten wir uns die Lipidnanopartikel der mRNA-Impfstoffe genauer an, die, wie wir feststellten, nur wenige Firmen herstellen können. Als Schmankerl gab es zehn ketzerische Gebote zur wunderbaren Welt der Leistungsorientierten Mittelvergabe (LOM) an Medizinischen Fakultäten obendrauf.
Im März geht es Schlag auf Schlag. Erste Berichte über spezielle, seltene Hirnvenenthrombosen (später als Vakzine-induzierte immunogene thrombotische Thrombozytopenie, VITT, bezeichnet) nach der Gabe des Astrazeneca-Vakzins tauchen auf, die Mitte März dazu führen, dass der Impfstoff in Europa vorübergehend nicht mehr verimpft wird. Deutschland setzt den Impfstoff ab 18.3. wieder ein, allerdings bleibt die Bevölkerung skeptisch. Im März erhält ein weiteres Vektor-Vakzin die EU-Zulassung, das von Johnson & Johnson. Die unvollständigen Unterlagen des russischen Vektor-Impfstoffs Sputnik hingegen liegen bis heute unbearbeitet auf den Schreibtischen der Europäischen Arzneimittelagentur. In New York und Großbritannien entdecken Forscher neue Virusvarianten: B.1.526 und B.1.1.7. Nur Letztere wird sich durchsetzen und von der WHO den Name Alpha bekommen. In Deutschland wird bekannt, dass sich Politiker einer gewissen Partei mit medizinischen Masken ein goldenes Näschen verdient haben. Und Menschen stehen sich die Füße platt, nicht wegen Impfungen, sondern wegen der ersten Antigen-Schnelltests für zuhause, die von Discountern für fünf Euro das Stück angeboten werden. Anstellen konnte man sich ab Anfang März auch wieder bei Frisörsalons, die nach dem Winter-Lockdown als Erstes wieder öffnen durften. „Wenn jemand selbst geschnitten hat und es ist danebengegangen, dann bessern wir eben aus“, freut sich ein Frisör aus Leipzig.
Auch Laborjournal Online stand ganz im Zeichen von Corona. So erklärte uns Mario Rembold den eher subtilen Zusammenhang von „Corona und den Genen“, der den Krankheitsverlauf beeinflussen könnte. Auch die aufkommenden Virusvarianten und deren Sammlung in Datenbanken wie PANGO Lineages stellten wir vor. Der Wissenschaftsnarr beschäftigte sich mit Studien zur Wirksamkeit von Social-Distancing-Maßnahmen und kam zum Schluss, dass wir uns diesbezüglich von Botswana ein Scheibe abschneiden können. Auch aus den Laboren kamen Tipps, Tricks und Tools für die Pandemie-Bewältigung. Wie beispielsweise eine üppig bestückte Werkzeugkiste für die SARS-CoV-2-Forschung oder der CoroNaspresso, ein SARS-CoV-2-Test für zuhause – praktisch in einer Espresso-Kapsel.
Nach einem Rückgang im Februar steigen im April die Neuinfektionszahlen wieder an, auf teilweise über 20.000 pro Tag. Die sogenannte Bundesnotbremse, die bundesweit einheitliche Schutzmaßnahmen ab einer Sieben-Tage-Inzidenz von 100 vorgibt, tritt in Kraft und muss sogleich gezogen werden. Gleichzeitig steigen die Hausärzte in die Impfkampagne ein. Manchen geht das aber immer noch nicht schnell genug. Sie fliegen lieber nach Moskau, um sich dort mit dem russischen Impfstoff Sputnik immunisieren zu lassen, für 1.999 Euro inklusive Flug. „In Deutschland sagt der Impfrechner im Internet, dass ich irgendwann vielleicht zum Ende des Jahres drankomme“, heißt es zur Begründung. Wieder andere sparen sich das Ticket und erschleichen sich den Impf-Stich. Immer häufiger hört man von sogenannten „Impfdränglern“.
Dass nicht alles rundläuft in Deutschland in Sachen Pandemie beklagt auch Ulf Dittmer im Gespräch mit Laborjournal Online. „Man braucht schnelle Antworten“, sagt er, aber Deutschland ist zu träge und schlecht aufgestellt. Auch Themen abseits von COVID-19 haben uns im April auf LJ Online beschäftigt. Andreas Keller von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft sprach mit uns etwa über das Stipendienwesen an deutschen akademischen Einrichtungen. Wir machten uns außerdem darüber schlau, was hinter der Namensänderung des ehemaligen Heinrich-Pette-Instituts steckt. Und fragten nach, was es mit der „wissenschaftlich völlig unhaltbaren“ Empfehlung zu tierfreien Antikörpern des EU-Referenzlabors für Alternativen zu Tierversuchen auf sich hat.
Kathleen Gransalke
Alle Zitate stammen aus dem Meldungen-Archiv der Tagesschau.
Bild: AdobeStock/orawan & Laborjournal