Editorial

Remember, remember

(15.11.2021) Trägheit gehört zwar zu den sieben Todsünden, trotzdem muss sie im Leben gelegentlich einfach sein, meint unsere TA.
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Seit nunmehr 15 Jahren benutze ich ein und denselben Merkzettel. Nicht nur für die Dinge, die regelmäßig erledigt gehören – sondern schlichtweg für alles, woran ich im Laufe des langen Arbeitstages so denken muss. Natürlich könnte ich mir jedes Mal eine neue Notiz schreiben, aber das wäre wirklich etwas viel verlangt.

Mein Universal-Merkzettel besteht aus dem Verschluss­oval eines Latex­handschuh-Pakets der Größe S. Auf die weißblaue Außenseite dieses Pappovals schrieb ich vor 15 Jahren in schönster Sonntags­schrift: Denk an die Erbsen! Damals ergab dieser Satz absolut Sinn.

Das Saatgut für unsere Forschungs-Erbsen wurde in getrockneter Form angeliefert und aufbewahrt. Bevor sie in die Aussaat-Schalen kamen, mussten wir sie über Nacht zum Vorquellen in Wasser einlegen. Also gab ich jeden Donnerstag­mittag eine abgemessene Menge Trocken-Erbsen in eine große Plastikwanne, spülte sie einmal kräftig mit Wasser ab und ließ sie dann bis zum Feierabend in der wasser­gefüllten Wanne stehen.

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Wichtig war jedoch, dass ich das im Laufe des Nachmittags dunkel und schleimig gewordene Stehwasser vor dem Nachhause­gehen auswechselte und die Erbsen nochmals kräftig durchspülte. Warum das so wichtig war, begriff ich allerdings erst, als ich es einmal vergaß.

Der tiefdunkle Pfuhl in der Plastikwanne, den ich am nächsten Morgen vorfand, sorgte für einen nachhaltigen Lerneffekt. Unnötig zu erwähnen, dass die Erbsen keine besonders hohe Keimungs­rate mehr aufwiesen.

Am selben Tag bastelte ich mir meinen Memozettel: Denk an die Erbsen!

Damals hatte das jeder Kollege verstanden. Heute obliegt der Erbsen-Wässe­rungsdienst einem anderen Mitarbeiter, weshalb meine Raum­genossen die vier Worte auf dem Zettel beim ersten Anblick betrachteten wie das kryptische Manuskript einer unter­gegangenen Kultur.

„Welche Erbsen?“

Als ich es erkläre, ist mein Gegenüber fassungslos von so viel Bequemlichkeit.

„Schreib doch einen neuen Zettel! Schreib ‚Platten für Eleonore aus dem Brutschrank nehmen’, oder so.“

„Warum sollte ich so eine lange Notiz schreiben?“

„Damit du an die Platten für Eleonore denkst, und nicht an Erbsen.“

Ich winke ab.

„Vertrau mir. Mein Zettel ist wie ein Knoten im Taschentuch. Er erinnert mich daran, dass ich an etwas Bestimmtes denken wollte, dann überlege ich, was das war – und lande schnur­stracks bei den Platten für Eleonore.“

Er verschwindet kopfschüttelnd.

Ist doch wahr! Soll ich etwa für jedes Anliegen einen eigenen Memozettel schreiben? Das wäre viel zu viel Mühsal und führt im Endeffekt zum gleichen Ergebnis wie mein Uralt-Zettel.

Dieser hat bisher nur ein einziges Mal versagt: Und zwar ausgerechnet, als ich ihn rauslegte, damit er mich daran erinnerte, dass ich eine neue Lieferung Erbsen bestellen wollte.

Na ja, no Zettel is perfect!

Maike Ruprecht

Bild: Laborjournal

Diese Kolumne erschien zuerst in Laborjournal 11-2021.


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Letzte Änderungen: 15.11.2021