Editorial

Mit Vollgas zerlegt

(11.08.2021) Die Konzentrations­bestimmung von DNA-Lösungen mit sehr langen DNA-Fragmenten ist meist ungenau. Exakter geht’s mit Vortexer und Glaskügelchen.
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Im Gegensatz zu den kurzen, maximal 300 Basen langen Reads der Short-Read-Sequenzierung produzieren Long-Read-Verfahren nicht enden wollende DNA-Sequenzen mit Längen von zehn Kilobasen (kb) bis zu mehreren Megabasen (Mb). Der Rekord liegt gegenwärtig bei knapp über vier Mb. Die Jagd nach immer längeren Reads ist aber mehr als nur ein akademisches Wettrennen. Mit den langen Reads können Forscher zum Beispiel Struktur­varianten im menschlichem Genom aufspüren, die meist deutlich länger als 300 Basenpaare sind und bei der Short-Read-Sequenzierung unter den Tisch fallen. Das Gleiche gilt für große Teile des Genoms, die Short-Read-Sequenzierer durch häufige Wiederholungen oder einen hohen GC-Gehalt vor unlösbare Probleme stellen und deshalb noch weitgehend unerforscht sind.

Um möglichst lange Reads zu erhalten, benötigt man als Ausgangs­material intakte DNA mit sehr hohem Molekulargewicht, die DNA-Fragmente mit Längen von mehreren Mb enthält. Das Handling dieser sogenannten Ultra-High-Molecular-Weight (UHMW)-DNA ist aber gar nicht so einfach – insbesondere wenn man bisher nur mit üblicher DNA zu tun hatte, die viel kürzere DNA-Fäden und entsprechend kleinere Molekular­gewichte aufweist.

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Klebrig und glibberig

Durch die klebrige und glibberige Konsistenz der UHMW-DNA wird nicht nur die DNA-Extraktion zu einer heiklen Angelegenheit – auch die ansonsten simple Bestimmung der DNA-Konzentration mit einem Spektro­photometer oder einem Fluorimeter wird zu einer echten Heraus­forderung. Mit dem Photometer misst man die Absorption der DNA-Lösung bei 260 Nanometern (OD 260), das Fluorimeter detektiert die Bindung spezifischer Fluoreszenz-Farbstoffe an die DNA. In beiden Fällen muss man eine möglichst homogene DNA-Lösung in die Messküvetten der Geräte pipettieren, um reprodu­zierbare Werte für die DNA-Konzen­trationen zu erhalten. Mit UHMW-DNA ist das beinahe ein kleines Kunststück. Einige Protokolle raten deshalb dazu, kleine Aliquots der DNA-Lösung aus dem oberen, mittleren und unteren Sektor des Reaktions­gefäßes zu entnehmen und aus diesen einen Mittelwert der DNA-Konzentration zu berechnen.

Paul ’Giron’ Koetsier und Eric Cantor von New England Biolabs’ Produkt­entwicklungs-Abteilung stellten aber auch bei dieser Vorgehensweise sehr große Schwankungen fest, als sie eine UHMW-DNA-Probe mit einer Konzentration von etwa 200 ng/µl mit einem Photometer sowie einem Fluorimeter analysierten. Zudem lieferte die Konzentra­tionsmessung mit dem Fluorimeter deutlich zu niedrige Werte im Vergleich zur Messung mit dem Photometer. Letzteres führen Koetsier und Cantor darauf zurück, dass ein kleines Quantum des Proben­volumens aus der Pipettenspitze herausgezogen wird, wenn die Spitze aus der Probenlösung austritt.

High statt Ultra-High

Um diesen Problemen aus dem Weg zu gehen, schlagen die beiden vor, die Konzentra­tionsmessung nicht mit UHMW-DNA durchzuführen, sondern mit High-Molecular-Weight (HMW)-DNA, deren Molekular­gewicht unter 250 kb liegt – und sich deshalb wie normale Flüssigkeiten pipettieren lässt. Koetsier und Cantor entwickelten auch gleich noch ein simples Verfahren, mit dem sich UHMW-DNA in HMW-DNA zerlegen lässt. Für dieses benötigt man lediglich einen Vortexer sowie ein Glaskügelchen (Bead) mit einem Durchmesser von drei bis vier Millimetern. Zehn Mikroliter der UHMW-DNA-Lösung füllt man in ein kleines Reaktions­gefäß, gibt das Glas-Bead dazu und vortext das Ganze mit Vollgas in kurzen Intervallen von fünf bis zehn Sekunden für eine Minute. Die mehrere Mb langen DNA-Fäden der UHMW-DNA werden hierdurch auf 20 bis 150 kb-Fragmente zurechtgestutzt, die sich sehr viel leichter pipettieren lassen und damit wesentlich besser für akkurate Konzentra­tionsmessungen geeignet sind.

Die Bead-Vortexing-Technik ist aber nur praktikabel, wenn die Konzentration der UHMW-DNA unter 250 ng/µl liegt. In höher konzentrierten Proben bis etwa 500 ng/µl zerstückelt man die DNA-Fragmente besser, indem man die DNA-Lösung durch die feine Nadel einer Spritze presst, in der die DNA-Fäden durch die Scherkräfte auseinander­gerissen werden.

Beide Techniken liefern leicht zu handhabende HMW-DNA, mit der sich die Konzentration der ursprünglichen UHMW-DNA sehr zuverlässig und ohne größere Schwankungen sowohl mit dem Spektro­photometer als auch dem Fluorimeter messen lässt.

Harald Zähringer

Koetsier P. & Cantor E. (2021): A simple approach for effective shearing and reliable concentration measurement of ultra-high-molecular-weight DNA. BioTechniques, DOI: 10.2144/btn-2021-0051

Bild: Pixabay/PixLoger (DNA) + Pixabay/Clker-Free-Vector-Images (Tornado), Montage: LJ





Letzte Änderungen: 11.08.2021