Editorial

Nicht ohne Mitte

(23.07.2021) Mittelautorschaften haben gemeinhin nicht den besten Ruf. Dabei gibt es Gründe, sie zu schätzen.
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Beispielsweise gab es einmal einen eher unscheinbaren Prof, der auf ziemlich vielen, bisweilen auch gut veröffentlichten Papern mit drauf stand – allerdings immer irgendwo im Niemandsland der Autorenliste. Auf einem Kongress stieß dann ein Postoc seinen jüngeren Labor-Kollegen an, deutete auf einen kleinen Mittfünfziger und flüsterte: „Schau mal, das da drüben ist Petschke. Irgendwann hat einer seiner Mitarbeiter mit viel Glück diesen Antikörper gemacht, den jetzt alle gut brauchen können. Seitdem verteilt er ihn natürlich großzügig – und dafür nehmen sie ihn auf jedes Paper mit drauf.“

Es sind Geschichten wie diese, die anlässlich gewisser Mittelautoren immer wieder den süffisanten Spruch provozierten: „Ah, der hat dann wohl nicht mehr getan, als das Tier festzuhalten.“ Was zeigt, dass Mittelautoren allenfalls “niedere” Beiträge zugeschrieben werden. Und das oftmals ziemlich pauschal, ob zu Recht oder nicht.

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Weil dich niemand mag?

Vor kurzem jedoch präsentierte ein Kommentar in einem US-Blog einen völlig neuen, positiveren Blickwinkel auf Mittelautorschaften. Der Autor schrieb sinngemäß:

„Jede Autorschaft ist wichtig. Natürlich wird man primär nach Erstautor- oder Letztautorschaften beurteilt. Doch wenn du – etwa als Postdoc – dazu noch weniger „gewichtige“ Mitautorschaften bei weiteren Arbeiten aus deinem Labor vorweisen kannst, zeigt das, dass du ein wichtiger Bestandteil des großen Ganzen sein kannst. Immer nur der Erst- oder Letztautor zu sein, könnte dich zwar als unabhängig erscheinen lassen, allerdings ebenso als unkooperativ. Oder was womöglich wahrscheinlicher ist: dass niemand dich mag.“

Interessanterweise wurde in der anschließenden Diskussion dieser eher positive Blick auf Mittelautorschaften durchaus bestätigt. So schrieb etwa einer:

„Ich habe immer nur gehört, dass jemand mit fehlenden Mittelautorschaften als Nicht-Teamplayer beargwöhnt wurde. Daher wurde mir eher zugeraten, neben den Veröffentlichungen als Erstautor immer auch ein paar Paper in mittlerer Position mitzuzeichnen.“

Weil du keine Hilfe bist?

Ein anderer wies dagegen auf den folgenden Aspekt hin:

„Eine alternative Interpretation ist, dass ein Mangel an Veröffentlichungen als Mittelautor bedeuten kann, dass du nicht in der Lage bist, das anzubieten, was andere brauchen – beispielsweise Daten, analytische Fähigkeiten, die richtige Ausrüstung…“

Natürlich braucht man primär Erst- und Seniorautorschaften, um voranzukommen und/oder das Ansehen zu halten. Aber nach dem oben Gesagten können einem fehlende Mittelautorschaften offenbar auch als Zeichen für Unkooperativität sowie Mangel an Teamfähigkeit und Networking ausgelegt werden. Oder als Unfähigkeit, bei Projekten anderer effektiv zu helfen – sei es intellektuell oder technisch.

Wie auch immer, das ideale Paper-Portfolio scheint demnach nicht unbedingt allein aus Erst- und Seniorautor-Artikeln zu bestehen, vielmehr sollten zu einem gesunden Gesamteindruck immer wieder ein paar Mittelautorschaften dazwischen gestreut sein. Oder wie es eine weitere Kommentatorin ausdrückte:

„Es sieht so aus, als wäre ein gewisses Verhältnis zwischen beiden am besten.“

Ralf Neumann

Illustr.: M. Gymrek

 

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Letzte Änderungen: 22.07.2021