Editorial

Vier Kammern fürs Zellenzählen

(21.07.2021) Schaltet man vier Kammern mit größer werdenden Volumina hintereinander, lässt sich der Konzentrations­bereich eines Hämacyto­meters erweitern.
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Vor mehr als einem Jahrhundert erfand der Franzose Louis-Charles Malassez eine Zählkammer für rote Blutkörperchen. Dass sein Hämacytometer noch Generationen von Forschern wichtige Dienste beim Zählen von Zellen leisten würde, hätte er wohl selbst nicht gedacht.

Eine Zählkammer besteht im Wesentlichen aus einer dicken Glasscheibe mit exakter Vertiefung, auf die ein Deck­gläschen aufgelegt wird. Die Probe wird seitlich auf die Kammer aufgetragen, anhand von Newtonschen Ringen am Rand erkennt man, wenn die Flüssigkeit zwischen den zwei Glas­oberflächen eingeschlossen ist. Unter dem Mikroskop zählt man danach die Zellen oder Partikel, die in einem in die Zählkammer eingravierten Raster mit unterschiedlich großen Quadraten enthalten sind.

Eine Schwachstelle hat das Hämacytometer trotz diverser Verbesserungen und automatisierter Zähltechniken aber noch immer: Die Konzentration der zu zählenden Zellen muss zwischen 105 und 106 Zellen pro Milliliter liegen. Liegt sie höher oder niedriger, muss man sie entsprechend einstellen – und das kostet Zeit.

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Breites Zählfenster

Die meisten Standard-Zählkammern haben ein fixes Volumen von 0,1 Mikrolitern, das bei einer Proben­konzentration von 105 bis 5 x 106 Zellen pro Milliliter 10 bis 500 Zellen enthält. Damit man auch Zellen in Proben zählen kann, die außerhalb dieses Messbereichs liegen, hat das Team des koreanischen Bioingenieurs Dong Woo Lee von der Konyang University ein Hämacytometer konstruiert, das vier Kammern mit unterschiedlichen Volumina enthält (siehe Bild).

Die aus dem Kunststoff PDMS gefertigte Zählkammer bietet in vier nebeneinander liegenden Vertiefungen Platz für 0,1, 0,2, 0,4 und 0,8 Mikroliter Flüssigkeit. Das Zählfenster für die möglichen Zelldichten ist hierdurch deutlich breiter und reicht von 5 x 103 bis 106 Zellen pro Milliliter. 1,5 Mikroliter Probe genügen, um dieses Konzentrations­spektrum abzudecken. Durch die große Kammer kann man auch Proben mit deutlich geringeren Zelldichten zählen als in klassischen 0,1-Mikroliter-Zählkammern. Zählt man relativ dichte Proben in den kleineren drei Volumina aus, lässt sich die Zellzahl im größeren Volumen anhand eines simplen Diagramms berechnen. Gegenüber einer klassischen Zählkammer mit einem fixen Volumen von 0,8 Mikrolitern verringert sich der Zählaufwand damit deutlich.

Kein Deckgläschen nötig

Die Multi-Volumen-Zählkammer aus PDMS ist 2,5 Zentimeter lang, 2 Millimeter hoch sowie 3 Millimeter breit und ist auf einem gläsernen Objektträger aufgebracht. Die Probe wird in eine runde Einlass­öffnung an einem Ende der Zählkammer pipettiert und wandert zuerst in die 0,1-Mikroliter-Kammer und danach in die sich anschließenden Kammern mit größeren Volumina. Die Kammern sind unterschiedlich tief, haben aber die gleiche Grundfläche. In anderen Worten: Je größer das Volumen, desto höher ist der „Pegelstand“. Am Ende der Zählkammer befindet sich ein kleines Loch, über das Luft entweichen kann. Bis auf die Einfüll­öffnung und das Luft-Ablass-Loch ist die Zählkammer dicht – ein zusätzliches Deckgläschen benötigt man also nicht.

Andrea Pitzschke

Thunyaporn R. et al. (2021): Multi-volume hemacytometer. Sci Rep 11, 14106

Bild: Thunyaporn et al.





Letzte Änderungen: 21.07.2021