Editorial

Plötzlich ein neues Feld

(16.07.2021) Die Geschichte eines Forschungsförderers, der sich einmal zu sehr auf gewisse Themen festlegte.
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Es war einmal ein großer Forschungsförderer... Na ja, eigentlich gibt es ihn ja noch heute... Also anders: Vor einiger Zeit musste dieser Forschungsförderer wieder neu beschließen, wofür er seine Euro-Millionen in den nächsten Jahren ausgeben wollte. Folglich berief man eine große Expertenkommission ein, die in langen Sitzungen auslotete, welche Forschungsfelder denn tatsächlich brennende Probleme unserer Gesellschaft angehen könnten und zugleich genügend große Erfolge für die nahe Zukunft versprächen. Nur solche sollten die entsprechenden Fördermillionen überhaupt verdienen.

Und so zurrte die Große Kommission schließlich drei „Prioritätsthemen“ fest.

Zu jedem davon berief die Organisation jetzt eine eigene „Programmkommission“, die das jeweilige „Prioritätsprogramm“ endgültig ausarbeiten sollte. Entsprechend wurden die „Prioritätsthemen“ nochmals in Schwerpunkte unterteilt, die wiederum mit möglichst konkreten Strategien und Zielen bis hin zu Teil- und Zwischenzielen unterfüttert wurden.

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Forscher zu Zulieferern

Am Ende hatte die Organisation damit jeweils einen bis ins Detail ausgetüftelten Sieben-Jahres-Förderplan, in dessen Rahmen natürlich nur diejenigen Fördergelder beantragen durfte, deren Forschung zielgenau hineinpasste.

„Top-down“ nennt man solch ein Förderkonzept, und – ehrlich gesagt – viele Forscher mögen es nicht. Vor allem, da sie hierbei hauptsächlich auf reine Zulieferer reduziert werden, die ein paar Erkenntnisbausteine für ein hypothetisches Gebäude produzieren dürfen, das ein ganz anderer Architekt geplant hat. Dummerweise gibt es aber gerade dafür viel, viel Geld ... 

Die auserwählten Prioritätsprogramme waren gerade gestartet, da hatten in einem anderen Teil der Welt zwei Forscher abseits aller Programmförderung einen brillanten Eureka-Moment. Quasi über Nacht eröffneten deren Resultate ein völlig neues Feld, das bislang ungeahnte methodische Möglichkeiten für die gesamte biomedizinische Grundlagenforschung versprach – inklusive der Entwicklung neuer Produkte in der Life-Science-Industrie.

Mitmischen geht nicht mehr

Die „Prioritäten“ der Organisation lagen jetzt jedoch für die nächsten sieben Jahre fest, und dummerweise ließ sich „das neue Feld“ dort auch nirgendwo nachträglich reinquetschen.

Noch dümmer, dass jede Menge Forscherinnen und Forscher im Land tatsächlich die Motivation und Expertise besaßen, um in dem neuen Feld maßgeblich mitmischen zu können. Doch die mussten sich jetzt auf den mühsamen Weg nach anderen Fördermöglichkeiten machen – während in anderen Teilen der Welt „das Feld“ bereits förmlich explodierte.

Ralf Neumann

Illustr.: AdobeStock / 1STunningART

 

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Letzte Änderungen: 14.07.2021