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Das beste Poster?

(12.03.2021) Aus unserer Reihe 'Anekdoten aus dem Forscherleben': Welche Poster Konferenz-Preise bekommen – und welche wirklich gut sind.
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Was war das Postermachen früher für eine Plackerei: Schreiben, drucken, schneiden, Abzüge herstellen, gruppieren, kleben,... Drei volle Tage Arbeit mindestens. Zum Glück geht das heute mit moderner Software deutlich leichter. Doch dumm nur, dass der technische Fortschritt das „Machen“ zwar leichter, die Poster selbst aber noch lange nicht besser macht.

Ebenso wenig verhindert er, dass die auf jeder Konferenz üblichen Poster-Sessions weiterhin wie schon lange von demselben Virus befallen werden wie die Vorträge: Präsentiert wird fast nur, was bereits publiziert ist.

Man schaue sich etwa nur mal an, wer in aller Regel Posterpreise einsteckt.

Nehmen wir etwa den Fall der jungen Doktorandin Knosp: Vor etlichen Jahren nahm sie hoffnungsfroh an ihrer ersten Tagung teil. Voller Stolz hatte sie ihre damaligen Resultate auf etwa eineinhalb Quadratmeter ausgedruckt und aufgestellt. Natürlich konnte sie noch keine fertige Story präsentieren, immerhin aber einen wirklich vielversprechenden Start – echte „Work-in-Progress“ also. Genau dazu, so dachte sie, seien die Poster-Sessions doch eigentlich auch da.

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Gelangweilte Jury

Und Doktorandin Knosp hatte Glück. Drei, vier richtig schlaue Leute kamen zu ihr, lobten ihren Ansatz und diskutierten noch lange mit ihr, wie das Projekt weitergehen könne. Und begeistert notierte sie all die Ideen, die sie zusammen entwickelten.

Irgendwann später ging es dann um den Posterpreis der ganzen Veranstaltung. Als die Jury jedoch zu Doktorandin Knosps Poster kam, bemühten sich deren Mitglieder noch nicht einmal, irgendetwas zu verstehen. Nach nur zwei Minuten schlenderte der kleine Trupp gelangweilt weiter.

Den Preis verlieh die Jury schließlich Postdoc Müller aus der Gruppe des großartigen Geier. Dessen „Zeug“ war bereits im Vorjahr in JBC veröffentlicht worden, sodass die meisten Jury-Mitglieder es bereits kannten. Zu diskutieren gab es auch nicht mehr viel, es war ja schließlich eine fertige Story. Und dass diese nicht ganz schlecht sein konnte, hatten ja schon die JBC-Gutachter bestätigt. Eine leichte Entscheidung also.

Unsere Doktorandin ging demnach ohne Preis, aber mit viel Zuspruch und neuen Ideen zurück ins Labor. Und tatsächlich lief ihr Projekt genau so weiter, wie sie und ihre Poster-Diskutanten es sich ausgemalt hatten.

Ein Jahr später in Nature

Ein gutes Jahr später war Doktorandin Knosp Erstautorin eines weit beachteten Nature-Papers; Ihre Diskutanten von der Konferenz, mit denen sie weiterhin Kontakt hielt, erschienen im Acknowledgement. Auf den Gedanken, dass ihr Poster vielleicht schon damals besser gewesen sein könnte als das preisgekrönte, kam sie indes gar nicht mehr.

Ralf Neumann

(Foto: nuce.psu.edu)

(Die einzelnen Geschichten dieser Kolumne sind uns in aller Regel nicht genau so, aber doch sehr ähnlich referiert worden – oder selbst passiert.)

 

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Letzte Änderungen: 08.03.2021