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Üppig bestückte Werkzeugkiste

(03.03.2021) Eine internationale Gruppe hat ein Tool-Kit zusammen­gestellt, das Laboren ohne Erfahrung mit Coronaviren die SARS-CoV-2-Forschung erleichtert.
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Zur Charakterisierung sowie für Impfstoff- und Medika­mententests benötigt man Viren in reprodu­zierbarer, kontrollierter Qualität. Da Coronaviren ein RNA-Genom besitzen, nutzen Virologen In-vitro-Transkriptions-Systeme, um mithilfe der reversen Genetik (RG) infektiöse Viren herzustellen. Dazu wird ein vollständiger, von einem revers-transkribierten Originalvirus stammender cDNA-Klon vor der Transfektion in die Zielzellen in vitro transkribiert. Gleichzeitig wird das Nukleokapsid-Gen von einem separaten „high-copy“-Konstrukt (in trans) in vitro transkribiert und danach co-transfiziert (Cell, 182(2):429-46.e14).

Diese Technik ist sehr umständlich. Eine große inter­nationale Gruppe mit Wissen­schaftlern aus Großbritannien, Australien, Estland, den Philippinen und Indien umgeht die In-vitro-Transkription deshalb mit einem speziellen Plasmid. Das Plasmid beherbergt einen infektiösen cDNA-Klon (icDNA) aus dem SARS-CoV-2-Stamm Wuhan-Hu-1 und ist Teil eines SARS-CoV-2-Werkzeugkastens.

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Auf Kommando

Die icDNA wird in einem Single-Copy-Plasmid aus insgesamt fünf Fragmenten mit entsprechend kompatiblen Restriktions-Schnittstellen zusammen­gebaut und mit einem polyA-Schwanz versehen. Flankiert wird die icDNA von einem Promoter sowie einem Terminator aus humanen Viren. Mit einem zusätzlichen Arabinose-induzierbaren Ori (Replikations­ursprung) kann die icDNA-Produktion in Bakterien­kulturen auf Kommando hochgefahren werden. Die Forscher konstruierten zudem verschiedene icDNA-Varianten mit Fluoreszenz- beziehungsweise Lumines­zenzmarkern, etwa mCherry, ZsGreen sowie NLuc. Transfizierte die Gruppe BHK-21-Zellen mit der icDNA, tauchten im Überstand der Zellen nach wenigen Tagen Viren auf.

Zur SARS-CoV-2-Werkzeugkiste gehören auch Antikörper gegen sämtliche SARS-CoV-2-Proteine. Ausgehend von cDNA stellte das Team jeweils ein rekombinantes Protein mit Glutathion-S-Transferase-Tag (GST) her sowie eines mit einem Anhängsel des Maltose-Bindeproteins (MBP). Die GST-Varianten injizierten die Forscher Schafen. Anschließend isolierten sie die gebildeten Antikörper (IgG) und reinigten sie mithilfe der entsprechenden MBP-Fusionsproteine. Die Antikörper nutzte die Gruppe für Versuche mit infizierten Vero-6-Zellen, etwa für Immuno­fluoreszenz-Analysen fixierter, permeabilisierter Zellen sowie in Westernblots, Immuno­präzipitationen und Co-Immuno­präzipitationen mit Zell-Lysaten.

Enthält Epithelzellen

Um den SARS-CoV-2-Infektions­prozess noch authentischer nachbilden zu können, enthält die Tool-Box zudem humane Lungen-Epithelzell­linien auf Basis von A549-Zellen. Letztere werden von SARS-CoV-2 nicht infiziert, weil ihnen sowohl der ACE2-Rezeptor als auch die Serin-Protease TMPRSS fehlen. TMPRSS zerlegt das S-Protein von SARS-CoV-2 und leitet damit die Infektion ein. Mit entsprechenden Vektoren kann man ACE2 und/oder TMPRSS jedoch in A549-Zellen exprimieren und die Auswirkungen beobachten. So werden zum Beispiel A549-Zellen, die sowohl ACE2 als auch TMPRSS exprimieren, besonders leicht infiziert, was sich in großen Plaques äußert. Die A549-Zelllinien sind insbesondere interessant, um die Wirksamkeit von Medikamenten zu überprüfen oder Infektions­prozesse zu verfolgen. Die Forscher wiesen mit ihnen zum Beispiel nach, dass der Kinase-Inhibitor Apilimod eine SARS-CoV-2-Infektion offenbar wesentlich besser verhindert als Remdesivir.

Die SARS-CoV-2-Konstrukte stellt die Gruppe auf dem Portal https://mrcppu-covid.bio zur Verfügung. Die Zelllinien und Virus-Stämme sind am UK National Institute for Biological Standards and Controls (www.nibsc.org) hinterlegt.

Andrea Pitzschke

Rihn S. et al. (2021): A plasmid DNA-launched SARS-CoV-2 reverse genetics system and coronavirus toolkit for COVID-19 research. PLoS Biology, 19(2): e3001091

Bild: Pixabay/Clker-Free-Vector-Images





Letzte Änderungen: 03.03.2021