Editorial

Mit bloßem Auge

(24.02.2021) Mit einer Bead-basierten PCR-Technik aus Japan braucht man kein Agarose-Gel, um das PCR-Produkt zu sehen – man erkennt es auch ohne technische Hilfen.
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PCR-Analysen mit normalen Thermo­cyclern sind oft eine Geduldsprobe. Anders als bei qPCR-Geräten, bei denen man die Produkt­zunahme beispiels­weise als steigende Fluores­zenzwerte unmittelbar verfolgen kann, fehlt ihnen das nötige Detektions-Modul. Also wartet man, bis die PCR vorüber ist, trennt den Ansatz in einem Agarose-Gel und schaut sich die Banden unter UV-Licht an.

Forscher vom japanischen National Institute of Advanced Industrial Science and Technology in Tsukuba sowie der Biotech-Firma Nippon Steel Eco-Tech entwickelten eine Methode, mit der man PCR-Produkte mit bloßem Auge erkennen kann. Banden­größen oder komplexe Reaktions­produkte kann man damit zwar nicht differen­zieren, aber die Aussagen „positiv“ oder „negativ“ sowie eine relative Mengen­angabe sind möglich.

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Bunte Tentakel-Partikel

Das Verfahren macht sich farbige Nanopartikel zunutze, die auf ihrer Oberfläche unzählige DNA-Tentakel tragen. Die Tentakel sind etwa 1 kb lang und beherbergen an ihrem Ende zwei verschiedene Typen einzel­strängiger DNA-Sonden. Ist das gesuchte PCR-Produkt in der Probe enthalten, hybridisiert an seinen beiden Enden je eine spezifische Sonde. Die Sonden binden auf der Zielsequenz mit einem Abstand von etwa 150 Nukleotiden. Das einzel­strängige PCR-Produkt kann hierdurch zwischen jeweils zwei Nanopartikeln eine Brücke bilden. Auf diese Weise entsteht ein Netzwerk aus PCR-Produkten und überbrückten Nanopartikeln, das als farbiges Aggregat mit bloßem Auge zu erkennen ist. In der Kontroll­reaktion kommt die Über­brückung nicht zustande, die Nanopartikel bleiben als Dispersion gelöst.

Ein wesentlicher Vorteil gegenüber anderen Nanopartikel-basierten Detektions-Verfahren – etwa mit Gold-Nanopartikeln, die man nach der PCR hinzufügt – ist der fix und fertig pipettierte PCR-Ansatz, wodurch sich sowohl der Aufwand als auch das Kontaminations-Risiko verringern. Mit Ultraschall stellt man während des Protokolls sicher, dass nur „echte“ Aggregate und keine verklumpten Artefakte detektiert werden.

Abstand halten

Die DNA-Tentakel mit freien Amino­gruppen werden in einem zweistufigen PCR-Verfahren gewonnen. Als Template verwendete die Gruppe eine 1 kb lange Region des humanen b-Globin-Gens. Sie dient als Baumaterial für die Tentakel und hat mit der eigentlichen (spezifischen) Sonde nichts zu tun. Die Sequenz kann beliebig sein und fungiert nur als flexibler Abstand­halter, damit die eigentliche Sonde nicht unmittelbar auf der Bead-Oberfläche klebt. Mit den Amino­gruppen werden die DNA-Tentakel über Succinimidyl-Bindungen mit den Latex­kügelchen verankert.

Der Vorwärts-Primer für die erste PCR setzt am Globin-Gen an und führt am 5‘-Ende eine kurze Adapter­sequenz ein. Der Rückwärts-Primer hybridisiert in 1-kb-Entfernung mit dem Globin-Gen-Template und hinterlässt am 5‘-Ende eine 25 Nukleotide lange Sonden-Sequenz. Dieses PCR-Produkt dient als Template für die zweite PCR, mit ähnlichen, aber kürzeren Primern. Der Vorwärts-Primer entspricht der Adapter­sequenz, trägt eine 5‘-NH2-Gruppe und wird in fünffacher Konzentration gegenüber dem Rückwärts-Primer eingesetzt. Der Rückwärts-Primer entspricht einer der zwei Sonden-Sequenzen.

Blaues Signal

Aus der asymmetrischen PCR entstehen überwiegend einzel­strängige Produkte. Nur einzel­strängige Sonden können einzel­strängige PCR-Produkte detektieren. Daher muss die PCR für die eigentliche Analyse ebenfalls asymmetrisch verlaufen. Der PCR-Ansatz enthält deshalb einen der beiden Ziel-spezifischen Primer im Überschuss. Hinzu kommen dNTPs, Polymerase und die Nanobeads mit den Tentakel-Sonden. Nach der PCR wird der Ansatz kurz mit Ultraschall behandelt. Proben, in denen nach wenigen Minuten blaue Präzipitate erscheinen, sind positiv.

Andrea Pitzschke

Tani H. et al. (2021): Naked-eye detection of specific DNA sequences amplified by the polymerase chain reaction with nanocomposite beads. Analytical Biochemistry, 617:114114

Bild: Pixabay/coyot




Letzte Änderungen: 24.02.2021