Editorial

Nachwuchs für die Biotech-Börse

Die Münchener Firma Wilex möchte im Spätherbst 2006 aufs Parkett. Der Entwickler von Antikrebs-Therapeutika will mit dem Erlös die weitere Entwicklung seiner Produktkandidaten finanzieren. Doch nicht nur Wilex drängt es aufs Parkett.

(13.10.2006) Die deutsche Biotechnologie ist in heftiger Bewegung. Nachdem kürzlich das Erlanger Unternehmen November nach sieben Jahren Börsenzugehörigkeit seinen vorläufigen Exitus bekanntgeben musste und in Insolvenz ging, steht der Nachfolger schon bereit: Die Münchener Biotechfirma Wilex wird demnächst verkünden, wieviele Aktien man zu welchem Preis an kaufwillige Anleger ausgeben will. Ziel ist das Prime Standard-Segment der Frankfurter Wertpapierbörse

Wilex ist kein Wirtschaftsgigant. Die kleine Firma, gegründet im September 1997 von Münchener Krebsforschern um Olaf Wilhelm, beschäftigt gerade mal 44 Mitarbeiter. Die Umsätze sind nicht nennenswert, die Verluste dafür riesig. Das ist bei einem forschenden Präparateentwickler, der am finanziellen Tropf von Investoren hängt, auch nicht anders zu erwarten. Die bisherige Bilanz der Geldeinwerbung sieht nicht mal so schlecht aus; nach anfänglichen drei Millionen Euro, die Wilex im März 1998 erhielt, kamen in drei weiteren Etappen weitere 64,5 Millionen Euro hinzu. Das derzeit noch vorhandene Geld reicht dem Unternehmen, so Wilex-Pressesprecherin Juliane Giese, noch "bis weit in das Jahr 2007". Anders gesagt: In sechs Monaten ist die Kasse leer. Dem will man in München nun mit einem Börsengang abhelfen. Ein solcher sollte, je nach Kauflaune der Anleger, zwischen 30 und 60 Millionen Euro bringen.

Antikörper-Attacke aufs Nierenzellkarzinom

Wilex entwickelt Wirkstoffe gegen Krebs. Neben den Protease-Inhibitoren WX-UK1 und WX-671 (beides niedermolekulare Substanzen, die derzeit in der klinischen Phase I getestet werden) setzt das Team um Vorstandschef Wilhelm vor allem auf den monoklonalen Antikörper Rencarex (WX-G250) große Hoffnungen. G250 steht kurz vor der Zulassung und wirkt laut Wilex gegen das Nierenzellkarzinom (NZK), eine der bösartigsten Krebserkrankungen überhaupt.

Das therapeutische Potenzial von Rencarex/G250 wurde in den frühen 90er Jahren in der Arbeitsgruppe von Sven Warnaar an der Universität Leiden (Niederlande) entdeckt. Warnaar war bis zu seiner Pensionierung im Jahr 2003 Forschungschef bei Wilex. Der G250-Antikörper bindet ans MN/CAIX-Antigen, das auf der Zelloberfläche von über 90 % der klarzelligen Nierenzellkarzinome gefunden wird. Von gesundem Nierengewebe wird MN/CAIX hingegen nicht exprimiert. Das NZK-typische Antigen findet sich zudem auch in anderen, soliden Tumoren, etwa bei Patienten mit Lungen-, Brust- oder Dickdarmkrebs.

Orphan Drug Status erteilt

Rencarex wird momentan in einer Phase-III-Studie als Zusatztherapie an Patienten mit nicht-metastasierendem NZK getestet. In den bisherigen Studien an mehr als 100 Patienten habe der Antikörper gute Sicherheits- und Verträglichkeitseigenschaften gezeigt, so Wilex. Rencarex soll die Krebszellen zerstören und damit Nierentumore am weiteren Wachstum beziehungsweise am Wiederauftreten hindern. Der Produktkandidat besitzt in den USA und in Europa "Orphan Drug Status"; ein solcher Status wird für experimentelle Medikamente gewährt, die sich gegen seltene, für große Pharmakonzerne wirtschaftlich uninteressante Krankheiten richten. Für Wilex bedeutet das: Der Zulassungsantrag wird beschleunigt bearbeitet, man ist von Gebühren befreit, und falls die Zulassung erfolgreich ist, genießt man zehnjährige Exklusivrechte.

Die zu erwartenden Börsengangsmillionen (vermutlich 30 bis 60 Millionen Euro) sollen, so das Unternehmen, der weiteren Entwicklung von Rencarex und anderer Produktkandidanten zugute kommen. Im April 2004 hat Wilex für Rencarex ein für Südeuropa gültiges Entwicklungs- und Marketingabkommen mit der spanischen Pharmafirma Laboratorios del Dr. Esteve (Barcelona) abgeschlossen. Gegenüber Laborjournal sprach die Wilex-Pressesprecherin Juliane Giese von 10.000 bis 28.000 NZK-Patienten mit hohem Rückfallrisiko, die nach erfolgreicher Zulassung innerhalb der EU für eine Rencarex-Behandlung in Frage kämen. Weltweit erkranken jährlich etwa 150.000 Patienten an klarzelligen Nierenzellkrebs, die Hälfte davon in der Europäischen Union und Nordamerika. Die Gesellschaft plant, in Europa die Zulassung für Rencarex frühestens im Jahr 2008 zu beantragen.

Weitere Biotech-Börsengänge in Vorbereitung

Eine Reihe weiterer Biotech- und Life-Science-Unternehmen wollen sich 2006 aufs Parkett wagen. Diese Börsengangskandidaten sind (ohne Gewähr): Die Hannoveraner Pharmafirma Liponova (angepeilter IPO-Termin: 26. Oktober 2006), der Berliner Biodiesel-Hersteller Ecodasa AG (Ende Okt./Anfang Nov. 2006), der Biogasanlagen-Bauer Biogas Nord AG aus Bielefeld (Mitte November 2006), der Duftstoff-Produzent Symrise AG aus Holzminden (Herbst 2006), die Heidelberg Pharma AG sowie der Biodiesel-Hersteller Petrotec AG aus Borken.

Winfried Köppelle





Letzte Änderungen: 12.10.2006