Editorial

Von Archimedes inspiriert

(26.11.2020) Für mehr Nachhaltigkeit in der Zellkultur entwarfen Green Elephant Biotech eine spezielle, umwelt­freundliche Kultur­flasche mit Schraubenaufbau.
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Jan Zitzmann, Joel Eichmann, Felix Wollenhaupt und die CellScrew

Einen Elefanten verortet man zwar eher in der afrika­nischen Savanne, aber auch in der Pharma­industrie gibt es behäbige Dickhäuter, die sich bisweilen schwer damit tun, Verän­derungen anzugehen. Zum Beispiel beim Thema Umwelt­schutz und Nach­haltigkeit. „Eine Frage, die uns von Anfang an begleitet, ist, wie man den CO2- und Kunststoff-Footprint in Forschung und in der biopharma­zeutischen Produktion verringern kann“, sagen Green Elephant Biotech, ein Spin-off-Projekt der Technischen Hochschule Mittel­hessen in Gießen. „Wie einem Elefanten fällt einem Pharma­konzern ein Richtungs­wechsel nicht ganz leicht. Wir möchten den Elefanten helfen, grüner zu werden,“ haben sich Joel Eichmann, Jan Zitzmann und Felix Wollenhaupt auf die Fahnen geschrieben.

Dabei gibt es einiges zu bedenken, denn komplett auf Plastik-Einweg-Artikel zu verzichten (so wie es von manchen Universitäten bereits vorangetrieben wird, LJ berichtete), ergibt wenig Sinn. „Aufgrund des hohen Reinst­wasser-Verbrauchs in der Reinigung hat festes Equipment sogar häufig eine schlechtere Umweltbilanz als Single-use-Systeme,“ erklären die angehenden Gründer. Es kommt also auch auf die Art des Plastiks an und was man daraus macht.

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Pflanzen statt Erdöl

Und da hatten Green Elephant Biotech eine Idee. Man designe eine Material-sparende Zellkultur­flasche und verwende für deren Herstellung statt Erdöl-basierter Kunststoffe Pflanzen-basierte. Dann nenne man das Ganze CellScrew. „Die CellScrew wirkt erst einmal wie eine klassische Rollerflasche“, erklärt Flaschen-Erfinder Eichmann. „Allerdings verbergen sich im Inneren zwei Strukturen: Zum einen eine archimedische Schraube, durch welche das Zellkultur­medium durch Rotation gefördert wird und durch ein Rohr in der Mitte zurück­laufen kann. Das ermöglicht eine sehr Scherkraft-arme Durch­mischung. Zum anderen finden sich in der CellScrew mehrere Innen­zylinder, die konzentrisch angeordnet sind. Dadurch wird die Wachstums­oberfläche massiv vergrößert.“

Für die Herstellung der Schrauben­flasche im 3D-Druck­verfahren wird, so die Jung­unternehmer, bezogen auf Material­einsatz gegenüber Wachstumsfläche 90% weniger Plastik verbraucht als für herkömmliche Wannen­stapel-Systeme. Außerdem ist der verwendete Pflanzen­kunststoff gut untersucht und nachgewie­senermaßen äußerst biokompatibel – fristete bisher aber eher ein Nischen­dasein als Ausgangs­material für Zellkulturgefäße.

Völlig neue Themen

Ein passendes Druckverfahren und geeignete Materialien zu finden, sich mit ganz neuen Themen auseinanderzusetzen, waren dann auch die größten Hürden während der Entwick­lungsphase. „Dazu kommt, dass wir die CellScrew immer nur als Neben­projekt bearbeiten konnten, zuerst während der Promotion, dann parallel zu unseren Jobs in der Industrie.“

Mitte 2018 war der Prototyp fertig, Anfang 2019 das Patent angemeldet. Nun geht es ans Optimieren der Kultur­bedingungen. Zum Beispiel was Beschich­tungen angeht. „Wir verfolgen mit der CellScrew zunächst das Ziel, eine Oberfläche zu generieren, die vergleichbar mit dem aktuellen Tissue Culture (TC)-Standard ist. Dazu optimieren wir momentan unsere Oberfläche anhand eines Portfolios relevanter Zelllinien.“ Aber auch ohne Oberflächen-Beschichtung gab es schon einige vielver­sprechende Tests mit ersten Zelllinien.

Ein besonderes Augenmerk legen die angehenden Gründer auf den wachsenden Markt für Zellthera­peutika. Bei diesen Arznei­mitteln für neuartige Therapien (Advanced Therapy Medicinal Products, ATMP) werden körper­eigene Zellen, oftmals anspruchs­volle Stammzellen, entnommen, in vitro vermehrt oder manipuliert und wieder in den Patienten zurück­gegeben. „Hier wird es eventuell erforderlich werden, die CellScrew für diese Spezial­anwendung zu beschichten; gerade wenn mit einem chemisch definierten Kulturmedium gearbeitet werden soll“.

Wichtige Wettbewerbe

Mit ihrer Geschäftsidee von der nachhaltigen Zellkultur­flasche haben Green Elephant Biotech auch schon erfolgreich an einigen Gründer-Wettbewerben teilgenommen. Beim diesjährigen Science4Life Businessplan-Wettbewerb kamen sie beispiels­weise unter die ersten zehn (LJ stellte die aktuellen Gewinner­teams letzte Woche vor). Beim Hessen Ideen-Wettbewerb erreichten sie das Finale.

Dabei kann man als zukünftiges Start-up ganz unter­schiedliche Dinge aus diesen Wett­bewerben mitnehmen. So liegt der Fokus bei Science4Life darauf, aus einer Idee ein Geschäfts­modell zu entwickeln, sich in einen Investor hinein­zudenken. „Die unter­nehmerische Ausbildung kommt bei uns Natur­wissen­schaftlern ja meist etwas kurz, da ist so ein Angebot extrem hilfreich,“ sagen die Gründer. Beim Hessen Ideen-Wettbewerb geht es eher darum, Neugrün­dungen zu mehr Sichtbarkeit und medialer Aufmerksamkeit zu verhelfen. Und vielleicht auch schon Kontakt zu ersten Kunden und strate­gischen Partnern zu knüpfen. „Zu guter Letzt gibt es meistens auch Preisgelder zu gewinnen, mit denen junge Start-ups Prototypen oder Dienst­leistungen finanzieren können.“

Aus Frust gegründet

Die eigentliche Gründung von Green Elephant Biotech steht allerdings noch aus und soll im nächsten Frühjahr vollzogen werden. Die Motivation zur Firmen­gründung sollte jedoch zu denken geben. Denn nicht zuletzt war es Frust über das akademische System. „Als junger Wissen­schaftler bekommt man nur selten die Gelegen­heit, eine eigene Idee in die Umsetzung zu bringen. Als Student oder Doktorand muss die Idee meist ins Thema des jeweiligen Betreuers passen, Zeit und Ressourcen sind knapp und sind an die jeweils aktuellen Projekte gebunden. Eine Gründung ermöglicht es jungen Wissen­schaftlern frühzeitig eigene Ideen umzusetzen, und außerhalb des akade­mischen Systems weiter­zuforschen“, so Eichmann, Zitzmann und Wollenhaupt.

Leserinnen und Leser, die neugierig geworden sind und die CellScrew einem Praxistest im eigenen Labor unter­ziehen möchten, können das tun. „Anfang nächsten Jahres gehen wir in eine ‚Beta-Phase‘, in der wir die CellScrew gern anderen Forschungs­gruppen zur Verfügung stellen möchten, um ihre eigenen Anwendungen damit zu testen. Wer daran interessiert ist, kann dazu Kontakt mit uns aufnehmen.“

Kathleen Gransalke

Bilder (2): Green Elephant Biotech




Letzte Änderungen: 26.11.2020