Gemeinsam für die Biowissenschaften
(09.11.2020) Karl-Josef Dietz ist neuer Präsident des VBIO. Der Bielefelder Pflanzenphysiologe ist Fan der DFG und des Nachwuchses, aber kein Fan von Bürokratie.
Bereits vor 13 Jahren, als man über die Gründung des Verbands Biologie, Biowissenschaften und Biomedizin in Deutschland (VBIO e. V.) diskutierte, war Dietz mit von der Partie. Seit vier Jahren engagiert er sich im Präsidium. „Als Dachverband werden wir von den politischen, gesellschaftlichen und wissenschaftlichen Akteuren wahrgenommen und gefragt“, erläutert Dietz. „So können wir der wachsenden Bedeutung der Bio-Fächer für die Bewältigung der aktuellen Herausforderungen, zum Beispiel in den Bereichen Nachhaltigkeit, Biodiversität und Gesundheit den nötigen Nachdruck verleihen.“
Der VBIO entstand 2007 durch den Zusammenschluss des Verbandes Deutscher Biologen und biowissenschaftlicher Fachgesellschaften und des Verbundes biowissenschaftlicher und biomedizinischer Gesellschaften. Dem unabhängigen, Mitglieder-finanzierten Verband gehören 5.500 individuelle Mitglieder, 26 Fachgesellschaften sowie 75 kooperierende Mitglieder in Form von Firmen, Fakultäten und Instituten an. Die Einzelmitglieder des VBIO engagieren sich ehrenamtlich in Landesverbänden, um bei den jeweiligen Landesministerien zum Beispiel Einfluss auf Bildungsfragen bezüglich der Biologie zu nehmen. Die Landesverbände gestalten zudem Fortbildungen, Publikationen oder Tagungen.
Wenig Anerkennung
„Leider bringen Mitgliedschaften und Ehrenämter inzwischen beruflich häufig wenig Anerkennung ein, obwohl sie für das Funktionieren der wissenschaftlichen Community sehr wichtig sind. Auch das Internet stellt als Informationsquelle eine große Konkurrenz dar. Hinzu kommt der weitverbreitete Zeitmangel. Wir müssen neue Formate finden, um auch für Jüngere ein interessantes Angebot zu machen“, berichtet der neue Präsident. „Neue Mitglieder sind herzlich willkommen, gerade auch solche, die sich aktiv engagieren wollen, zum Beispiel bei der Gestaltung von Online-Formaten für Absolventen oder der Ausarbeitung einer biopolitischen Stellungnahme. Damit das mit einem vertretbaren Aufwand möglich ist, arbeiten wir in Netzwerken und Kompetenzgruppen.“
Dietz ist seit 1997 Lehrstuhlinhaber für Biochemie und Physiologie der Pflanzen an der Universität Bielefeld. Von 2012 bis 2019 war er Präsident der Deutschen Botanischen Gesellschaft. Finanziert durch die Einnahmen aus der Gesellschafts-eigenen Zeitschrift Plant Biology wurden 2014 von ihm die Eduard-Strasburger-Workshops für Pflanzenwissenschaftler eingerichtet. Gruppen aus Doktoranden und Postdocs können mit Unterstützung eines etablierten Wissenschaftlers einen Antrag auf eine eigene kleine Tagung stellen. Der letzte Workshop zur Interaktion von Pflanzen und Mikroben fand trotz Pandemie mit knapp 20 Teilnehmern im März 2020 statt.
Keine Angst vor kniffligen Themen
Mit seiner eigenen Arbeitsgruppe erforscht Dietz die Akklimatisierung von Pflanzen an Lichtintensität, Hitze, Kälte und andere abiotische Stressoren. Eine besondere Rolle spielen dabei die 1996 von ihm und Margarete Baier in Pflanzen entdeckten 2-Cystein Peroxiredoxine (Plant Mol Biol, 31(3):553-64). Inzwischen hat der Pflanzenforscher zu diesem Thema 47 Fachartikel veröffentlicht. Peroxiredoxine sind Bestandteil eines redoxregulatorischen Netzwerks in der Zelle, das metabolische Enzyme, Transkriptionsfaktoren, Translation oder Zellteilung kontrolliert und moduliert. Sie sind auch Regulatoren der Photosynthese. „In pflanzlichen Zellen ist dieses Netzwerk wesentlich vielfältiger als in tierischen Zellen. Dies lässt viel Raum für maßgeschneiderte molekulare Reaktionen, wenn Pflanzen kombinatorischen Umweltbedingungen ausgesetzt sind. Darüber hinaus erforschen wir den Signaltransfer aus den Chloroplasten hin zum Zellkern“, so der Wissenschaftler.
Auf die Frage nach besonders harten Nüssen in seiner Forschungskarriere erklärt der Pflanzenphysiologe: „Aus meiner Erfahrung gibt es zwei Arten von kniffligen Projekten. Es sind einerseits solche, die sich durch zufällige Beobachtungen in Versuchen, die eigentlich andere Hypothesen verfolgten, sprungartig weiterentwickeln. Andere Projekte sind knifflig, weil sich erst durch Zusammentragen von Ergebnissen über viele Jahre und Jahrzehnte ein klares Bild ergibt.“
Inbrunst und Eureka bei den Jüngsten
Seit 17 Jahren engagiert sich Dietz auch als Juror bei „Jugend forscht“. „Das sind großartige Wettbewerbe. Mein Eindruck ist, dass die ‚Jugend forscht‘-Arbeiten wieder an Qualität zunehmen“, urteilt der Wissenschaftler. „Dabei sind häufig nicht diejenigen Projekte besonders spannend, die mit großem Aufwand, beispielsweise mit universitären Gruppen durchgeführt werden, sondern Projekte, die zu einfachen Hypothesen überzeugende Ergebnisse liefern und mit Inbrunst vorgetragen werden.“ Unvergesslich seien die Versuche einer elfjährigen Forscherin, die eingefärbtes Getreide an Hühner verfütterte, um herauszufinden, ob Hühner eine bestimmte Farbe bevorzugen. Sie taten es nicht.
Zur Zeit unseres Gesprächs bereitet der Pflanzenforscher gerade die Vorlesungen für das neue Semester vor. Die Pandemie macht es ihm nicht gerade leichter, da der Stoff digital aufbereitet und vermittelt werden muss. Außerdem vermisst Dietz den direkten Kontakt mit den Studenten.
Weniger Papierkram
Als Präsident des VBIO möchte er den wissenschaftlichen Nachwuchs stärken. „Ich bin ein Fan der DFG, besonders der Einzelsachmittelanträge und der Forschergruppen, da auch Nachwuchswissenschaftler mit diesen Mitteln sehr gut eigenständige Themen bearbeiten können. Schlagkräftige Strukturen können aber nicht nur aus Kleingruppen bestehen. Wichtig ist auch ein kooperatives, kollegiales Umfeld, gute Ausstattung und Planungssicherheit“, so Dietz. „Die Biowissenschaften werden ihren Lösungsbeitrag zu Herausforderungen des ‚Global Change‘ leisten, wenn sie in der Öffentlichkeit verankert und politisch kontinuierlich befähigt und unterstützt werden. Dazu müssen wir die Politiker ermutigen und den Dialog mit der Öffentlichkeit ausbauen.“ Nicht zuletzt brauche es für eine leistungsfähige Forschung in Deutschland weniger Bürokratie, die viel zu viel Zeit und Energie binde. „Ich freue mich auf die Herausforderungen der nächsten Jahre als VBIO-Präsident und auf das, was wir gemeinsam für die Biowissenschaften erreichen werden!“
Bettina Dupont
Bild: CeBiTec, Universität Bielefeld