Editorial

Phönix aus der Asche

Der Deutsch-Serbe Miodrag Stojkovic hat pluripotente humane Stammzellen aus vermeintlich toten Embryonen isoliert und vermehrt -- und bringt damit Ethiker ins Schwitzen.

(26.06.2006) Miodrag Stojkovic ist gebürtiger Serbe, promovierter Tierarzt und Stammzellforscher. 1998 gehörte er zu dem Team um Eckhart Wolf, das am Institut für Molekulare Tierzucht der Münchner Ludwigs Maximillians Universität das Klonkalb Uschi züchtete -- das erste Tier, das auf deutschem Boden nach dem "Dolly"-Verfahren des somatischen Kerntransfers entstand.

2003 ging Stojkovic mit seiner deutschen Frau nach Newcastle, da er die Stammzell-Projekte, die ihm vorschwebten, hierzulande aufgrund der strengen Rechtslage nicht machen konnte. "Ich verstehe die deutschen Gesetze zwar nicht, aber ich akzeptiere sie", zitiert ihn hierzu die ZEIT.

2005 erregte der deutsche Staatsbürger dort wiederum weltweites Aufsehen, als er von den britischen Behörden als Erster eine Lizenz zum Klonen menschlicher Embryonen bekam. Seine Experimente brachten jedoch nur schmalen Erfolg: Die Klone überlebten nur wenige Tage, Stammzellen waren aus ihnen nicht zu gewinnen.

Zugleich überwarf sich Stojkovic mit der Leiterin seines Instituts, Alison Murdoch, der er vorwarf die Klon-Ergebnisse vor Veröffentlichung und Begutachtung ohne Absprache mit ihm medienwirksam in einer Pressekonferenz vorgestellt zu haben. Dies war nach seinen Angaben "ein entscheidender Grund" wieder die Koffer zu packen und Anfang des Jahres nach Valencia an das Centro de Investigacion Principe Felipe umzuziehen.

Und auch von hier aus bringt Stojkovic sich gerade wieder weltweit ins Gepräch. In einem "Online vorab"-Artikel der Zeitschrift Stem Cells beschreibt er mit seinem Team die Gewinnung von Stammzellen aus menschlichen Embryonen, die nach einem frühen Zellstadium nicht mehr weiter wuchsen -- sogenannte "late-arrested embryos".

Diese arretierten Embryonen, die bei über der Hälfte aller Reagenzglasbefruchtungen entstehen, gelten als nicht entwicklungsfähig und werden gemeinhin weggeworfen. Dennoch konnte Stojkovic aus insgesamt 13 solcher Embryonen, die länger als zwei Tage im 16-24 Zellstadium verharrt waren, zwei Zelllinien mit klaren Charakteristika pluripotenter Stammzellen zum Auswachsen bringen. Eine von ihnen differenzierte sich sowohl in der Kulturschale als auch in der Maus in alle drei Keimblätter.

Stojkovic hatte sicherlich seine eigenen Erfahrungen mit den deutschen Stammzellregeln im Sinn, wenn er den Artikel schließt: "In Ländern mit wenig flexibler Politik bieten arretierte Embryonen nun eine ethisch unbedenklichere Quelle für die Gewinnung von und Forschung mit humanen embryonalen Stammzellen." Die Wissenschaftler seien nun in der Lage Material zu verwenden, dass ansonsten entsorgt würde, sagt er in der Pressemeldung seines Instituts.

Eine Einschätzung, die zum Beispiel auch Donald Landry, Direktor der Abteilung für Experimentelle Therapeutik des Medizinischen Zentrums der Columbia-Universität in New York, teilt: "Die Entnahme von Stammzellen aus einem als tot zu betrachtenden Embryo sei ethisch auf derselben Stufe wie die Organentnahme aus toten Patienten."

Die Kritiker sehen dagegen eine neue Baustelle aufgemacht und argumentieren, dass ein arretierter Embryo offenbar doch nicht ganz tot sein könne, wenn man aus ihm lebende Zellen gewinnen und kultivieren könne.

Wie gesagt, man kennt arretierte Embryonen schon lange aus der In vitro-Fertilisation. Und da man weiß, dass sie nicht entwicklungsfähig sind, wirft man sie weg. Streng genommen ist das Kind also hier schon in den Brunnen gefallen -- und wer bei arretierten Embryonen jetzt plötzlich Bedenken hat, müsste zuerst einmal dieses Feld wieder aufrollen.

Doch diesen Schauplatz überlässt der Forscher Stojkovic lieber anderen. Sein süffisanter Kommentar in der Süddeutschen Zeitung: "Ich will keine Ethiker glücklich machen."

Ralf Neumann





Letzte Änderungen: 05.10.2006