Editorial

So viel Schlamperei?

(31.07.2020) Die Errata zu publizierten Papern nehmen zu. Daten und Bilder werden verwechselt, vergessen, vertauscht oder verdoppelt – immer „aus Versehen“. Kann das in der Häufung sein?
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1) Auszug aus dem Corrigendum eines Nature-Artikels:

"We introduced two errors (by inadvertently removing five data points, two from the wild type and three from Ripk2-/-) into this figure when we were asked to provide a higher-resolution version at the production stage."

2) Auszug aus dem Corrigendum eines Nucleic Acid Research-Artikels:

"The LSD1 panels were inadvertently duplicated on the construction of Figure 4D."

3) Auszug aus dem Corrigendum eines Froniers in Human Neuroscience-Artikels:

"A small part of the data on five of the 43 patients was accidentally displaced in the data file, which affected two of the results presented in the original manuscript."

4) Auszug aus dem Erratum eines Cell-Papers:

"[…] the panel for DMSO control (0.1% apoptosis) was misplaced in the next panel for Y-27632-treated control (0.3% apoptosis)."

5) Auszug aus dem Erratum eines Nature Communications-Artikels:

"This Article contains errors in Figs 4 and 6 that were introduced during the production process. In Fig. 4d, the lane labels ‘HA-JMJD2B mut’ and ‘HA-JMJD2B’ on the western blot were inadvertently switched. In Fig. 6b,c, labels for the red and green lines were also accidentally swapped."

Editorial

Ups, Verzeihung!

Ohne Probleme ließen sich dieser Liste der „inadvertent and accidental errors, duplications and misplacements“ jede Menge weitere Beispiele anfügen. Insbesondere in den letzten Jahren haben Corrections und Errata massiv zugenommen – und auffallend oft bezichtigen sich die Forscher darin selbst solcher versehentlicher Schlampereien. In unserem Blog hatten wir dieses Muster bereits einmal folgendermaßen persifliert:

„Uuups, Verzeihung – da ist uns wohl beim Zusammenstellen der Abbildungen etwas durcheinander geraten. Und jetzt ist dummerweise Bande X, Scan Y oder Gewebeschnitt Z nochmals in eine zweite Abbildung hineingerutscht, die ja ein ganz anderes Experiment zeigt. Aber keine Angst, wir haben die richtige Bande U, Scan V oder Gewebeschnitt W natürlich wieder gefunden – und zeigen sie Euch jetzt hier im Erratum. Vergesst also die alte Abbildung, nehmt diese hier – und Ihr werdet ganz schnell sehen, dass alles, was wir geschrieben haben, natürlich trotzdem unverändert richtig ist. Die Daten im Erratum zeigen das ja jetzt auch viel schöner. Nicht böse sein, kann ja mal passieren. Und wenn Euch in anderen Abbildungen wieder etwas auffällt, meldet Euch einfach – wir kriegen das hin!”

Jetzt mal ehrlich!

Doch lassen wir den Witz beiseite. Tatsächlich sind solche schlampige „Versehen“ gerade in dieser Häufung natürlich nicht wirklich lustig. Zumal sie sowieso nur schwer zu glauben sind. Denn jetzt mal ehrlich: Wenn all dieses Verwechseln, Vergessen, Vertauschen und Verdoppeln beim Zusammenstellen der Abbildungen für eine Publikation tatsächlich aus Versehen („inadvertently“) geschieht – ja, wie schlampig wird denn da gearbeitet? Kann man den Autoren dann überhaupt bei irgendetwas trauen, wenn solch gravierende Dinge aus Versehen passieren?

Und überhaupt: Ist es nicht vielmehr so, dass gerade die Ergebnisse, die man nach langer, mühevoller Arbeit am Ende tatsächlich in einem Paper präsentieren kann, fast schon heilig sind – dass man sie hütet wie kleine Schätze und auf fast schon paranoide Weise aufpasst, dass nichts Schlimmes mit ihnen passiert? Vor allem, dass man da um Himmels willen nichts verwechselt?“

Macht man sich diese sicherlich naheliegende „Psychologie“ hinter dem Erstellen eines Papers klar, muss es einem doch arg schwer fallen, in solchen Fällen immer an völlig unschuldige Verwechslungen zu glauben.

Ralf Neumann

(Foto: Adobe Stock / momius)

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Letzte Änderungen: 30.07.2020