Editorial

Kerbholz für Einzel­strangbrüche

(08.01.2020) Cas9-Nickasen werden in verschiedenen CRISPR-Varianten eingesetzt. Mit der NickSeq-Technik kann man herausfinden, wie oft sie das Ziel verfehlen.
editorial_bild

DNA-Einzelstrangbrüche oder Nicks sind die am häufigsten vorkommenden DNA-Schäden. Innerhalb eines Tages können in einer Zelle zehntausende Nicks auftreten, die von Reparaturenzymen behoben werden. Bleiben die Einkerbungen in der DNA bestehen, drohen nicht nur schwerwiegende neurodegenerative Krankheiten und Tumore, sondern auch kürzer werdende Telomere, die sich negativ auf die Lebenserwartung auswirken können. Nicks entstehen insbesondere in Gegenwart reaktiver Sauerstoff-Spezies treten aber auch ganz natürlich auf, etwa bei der DNA-Replikation oder infolge der Aktivität von Topoisomerasen.

Cas9-Nickasen, die Einzelstrangbrüche verursachen, kommen aber auch bei verschiedenen CRISPR-Varianten zum Einsatz. So kann man zum Beispiel mithilfe von zwei guideRNAs Nicks auf gegenüberliegenden Strängen erzeugen, wodurch sich das Risiko von Off-Target-Effekten verringert. CRISPR-Basen-Editoren bestehen ebenfalls aus einer cas9-Nickase, die jedoch zusätzlich mit einer Cytidin- oder Adenosin-Des­aminase versehen ist. Die Des­aminase katalysiert an der gewünschten Position den Austausch von Cytosin zu Thymin beziehungsweise Adenin zu Guanin. Der Einzelstrangbruch durch die cas9-Nickase aktiviert das Mismatch-Reparatur-System, wodurch sich die Editier-Effizienz erhöht.

Editorial

Komet zu ungenau

Einzelstrangbrüche sind zwar weniger gefährlich als Doppelstrangbrüche, die Off-Target-Aktivität von cas9-Nickasen ist dennoch ein permanentes Risiko, insbesondere bei klinischen Anwendungen. Die exakten Positionen von Einzelstrangbrüchen zu finden, ist aber alles andere als einfach. Mit dem häufig bei ihrer Suche eingesetzten alkalischen Komet-Assay lässt sich nur das generelle Ausmaß der Brüche abschätzen.

Paul C. Blainey und sein Team vom Broad Institute in Cambridge, USA, haben jedoch ein Verfahren entwickelt, mit dem sich die Position eines Einzelstrangbruchs auf das Nukleotid genau bestimmen lässt. Ihre sogenannte NickSeq-Technik nutzt ein degeneriertes universelles Pyrimidin- (dPTP) beziehungsweise Purin-Nukleotid (dKTP), das über Nick-Translation in die DNA integriert wird. Der Einbau verschiebt den Einzelstrangbruch ein Stück in 3‘-Richtung. Nach Entfernen überschüssiger dPTPs sowie dKTPs wird die Nick-Translation mit normalen dNTPs und Biotin-dUTP fortgesetzt, wodurch der Bruch weiter in 3‘-Richtung gerückt und zudem Biotin eingebaut wird.

Nur in eine Richtung

Nach der Fragmentierung der DNA durch dsDNA-Fragmentase sowie der Ligation von Sequenzier-Adaptern werden die Abschnitte mit Strept­avidin-beladenen Magnet-Kügelchen herausgefischt. Anschließend werden sie mit einer PCR amplifiziert und danach sequenziert. Bei der Sequenz-Analyse verraten sich DNA-Abschnitte mit Einzelstrangbrüchen durch ein eindeutiges Mutations-Signal, das sich ausgehend vom ursprünglichen Bruch, über einige Basen in 3‘-Richtung erstreckt. Da die Nick-Translation den Bruch immer nur in 3‘-Richtung schieben kann, Nukleotide also von 5‘ nach 3‘ eingebaut werden, lässt sich klar sagen, auf welchem Strang der Bruch stattgefunden hat.

Nach ein paar Trockenübungen mit Oligo-Einzelstrangbrüchen spielte die Gruppe die NickSeq-Technik am E.-coli-Genom (4,6 Mbp) durch. Hierzu verwendete sie die D10A-pCas9-Nickase sowie zwei guideRNAs, die theoretisch neun Nicks erzeugen sollten. Tatsächlich identifizierten Blaineys Mitarbeiter neun Mutations-Signale und die dazugehörigen Positionen der Strangbrüche. Dass keine Off-Target-Brüche auftraten, war wenig überraschend, da die gewählten gRNAs nur zu den anvisierten Gen-Sequenzen passten.

Komplizierte DNA

Bei Experimenten mit humaner DNA wurde die Sache schon komplizierter. Auch hier setzte die Gruppe die spCas9-Nickase ein und lotste sie mit einer passenden gRNA zum AAVS1-Lokus. Dieser existiert im menschlichen Genom nur einmal. Aus ihren Sequenzier-Ergebnissen schlossen die US-Forscher jedoch, dass fünf weitere Brüche in DNA-Regionen auftraten, die jeweils drei oder vier Fehlpaarungen zur gRNA aufwiesen.

Auch bei der Gen-Editierung oder dem Basen-Editing mit cas9-Nickasen ist also Vorsicht geboten. Mit NickSeq hat man aber zumindest ein Werkzeug zur Hand, mit dem man möglichst fehlerfreie cas9-Nickasen entwickeln und auf Herz und Nieren testen kann.

Andrea Pitzschke

Elacqua J. et al. (2019): NickSeq for genome-wide strand-specific identification of DNA single-strand break sites with single nucleotide resolution. BioRxiv, DOI: 10.1101/867937

Foto: Pixabay/tookapic




Letzte Änderungen: 08.01.2020