Das federführende Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) übergab der Bund-Länder-Arbeitsgemeinschaft Gentechnik (LAG) deshalb die Aufgabe, Umsetzungsfragen kurzfristig und praxisorientiert anzugehen. Und die LAG fasste in ihrer letzten Sitzung am 6. und 7. November 2019 tatsächlich einen Beschluss:
„Die Regelung in § 28 Abs. 3 GenTSV (neu) gilt nicht rückwirkend. Der Zeitraum von fünf Jahren […] beginnt […] am 01. März 2021 zu laufen, d.h. eine Aktualisierung der Fortbildung muss spätestens bis zum 28. Februar 2026 erfolgt sein.”
Das klingt nach Entwarnung. Denn es erlaubt, das Ungleichgewicht von tausenden Projektleitern auf der einen Seite und nur ein paar Dutzend Kursanbietern auf der anderen Seite von 15 Monaten auf fünf Jahre zu verteilen.
Leider gibt es aber doch eine Schwachstelle. Anders als etwa Beschlüsse der Zentralen Kommission für die Biologische Sicherheit (ZKBS) haben LAG-Beschlüsse nur empfehlenden Charakter für Landesbehörden. Entsprechend unterschiedlich interpretieren diese auch die Rechtslage.
Nach der Lesart der obersten Landesbehörde von Nordrhein-Westfalen beispielsweise gilt die Neuregelung nach GenTSV § 28 für alte Projektleiterscheine nicht erst ab 28. Februar 2026, sondern schon ab 1. März 2021. Projektleiter müssen der Genehmigungsbehörde ihre erneuerte Sachkunde also direkt bestätigen. Dass eine Fristverschiebung durch die LAG am Ende sogar gesetzeswidrig sein könnte, dafür liefert Petra Kauch, Fachanwältin für Verwaltungsrecht und Geschäftsführende Gesellschafterin der AdvoGenConsulT (AGCT), einige Argumente in einem juristischen Kurzgutachten – siehe hier.
Im Gegensatz dazu bestätigte das federführende Fachreferat 222 des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL):
„Nach Prüfung durch das Fachreferat hält BMEL die Auslegung, wie sie in der LAG besprochen worden ist, für vertretbar. Dies gilt v.a., wenn die Länder bei der Rechtsanwendung und -auslegung zu dem Ergebnis kommen, dass eine Übergangsfrist bis März 2021 aus praktischen Gründen zu kurz bemessen ist.“
Und auch das Umweltministerium Nordrhein-Westfalen ergänzt:
„Projektleitern muss eine angemessene Frist gewährt werden. Die Frist wird sich nach den vorhandenen Kapazitäten für Fortbildungsveranstaltungen und ggf. an berufsbezogenen Gründen für eine zeitliche Verzögerung orientieren.“
Nachschulungen können offenbar hinausgezögert werden, zumindest bei guter Begründung.
Was ist also der Stand der Dinge? Nur eines ist gewiss: Rechtssicherheit sieht anders aus. Projektleiter sollten daher sicherstellen, dass sie mit der GenTSV-Interpretation ihrer lokalen Überwachungsbehörden vertraut ist. Auch sollten sie klären, ob eine womöglich im benachbarten Bundesland durchzuführende Fortbildung im eigenen Bundesland anerkannt wird. Denn ohne gültige Genehmigung wird der Betrieb einer gentechnischen Anlage der Sicherheitsstufen 3 oder 4 laut § 39 Gentechnikgesetz nach wie vor mit Freiheits- oder Geldstrafe geahndet. Auch bei Fahrlässigkeit.
Darüber hinaus weitete das BMEL die persönliche Haftung des Projektleiters in der Neuregelung von GenTSV § 33 noch weiter aus. Ordnungswidrigkeitsbescheide können nunmehr bei einer höheren Anzahl an Sicherheitsverstößen direkt an den Projektleiter adressiert werden.
Zu Dauer und konkreten Inhalten der Fortbildungskurse wird die LAG übrigens erst in ihrer nächsten Sitzung am 25. und 26.März 2020 Stellung beziehen. Eine konkrete Rechtslage samt ihrer Umsetzung lassen also weiter auf sich warten.
Henrik Müller
[Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version des Textes wurde die Freiheitsstrafe nach § 39 Gentechnikgesetz auch auf gentechnische Anlagen der Sicherheitsstufe 1 und 2 bezogen. Wir haben den Fehler korrigiert.]