Editorial

Wie stark ist mein Signal?

(25.09.2019) Mit aneinander hängenden GFPs lässt sich die Power von Kernlokalisations-Signalen exakt bestimmen – wenn man einen zusätzlichen Strep-Tag anbringt.
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Adventssamstag in der Fußgänger­zone. Für den Fahrrad­kurier, der hier durch­kommen will, wird es eng. Mit einer fetten Pack­tasche auf dem Gepäck­träger bahnt er sich seinen Weg. Den Transport-Anhänger kriegt er da unmöglich durch. Oder vielleicht doch? Auf die Zelle übertragen entspricht sein Vorwärts­drang einem Transport­signal, und seine Ladung der Größe eines Proteins. Je stärker das Signal, desto größer darf das zu transpor­tierende Protein sein.

Marcus Nalaskowski und seine Kollegen vom Institut für Biochemie und Signal­transduktion des Universitäts­klinikums Hamburg-Eppendorf setzen auf dieses Prinzip, um Zellkern-gerichtete Transport­signale (NLS) zu beurteilen. Ein zu charakteri­sierendes NLS wird mit einer Serie unterschiedlich langer Ketten aus GFP-Gliedern fusioniert. Zuneh­mende Kettenlänge erschwert den Transport. Ein NLS, das beispielsweise ein GFP-Quartett noch an sein Ziel bringen kann, ist schwächer als eines, das ein Sixpack schafft. Transport­erfolg oder Versagen zeigen sich unter dem Fluoreszenz­mikroskop. Leuchtet der Kern, war das NLS stark genug. Bleibt er jedoch finster und das Leuchten stammt vornehmlich aus dem Cytosol, war das Motiv zu schwach.

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Plasmide im Internet

Wer die Serie systematisch durchspielt, weiß am Ende, ab welcher Kettenlänge dem NLS die Puste ausgeht. Mutierte Varianten des NLS oder etwa auch NLS homologer Proteine kann man so zum Kräfte­vergleich antreten lassen. Netterweise stellen die Entwickler der GFP-Konkatemere die Plasmidserie (mit 1-12 GFP-Einheiten) auf AddGene zur Verfügung (#122488-122499).

Einen Haken hatte die Sache bisher aber: Richtig verlässliche quanti­tative Aussagen ließen sich nicht treffen. Schließlich ändert sich mit der Anzahl an GFP-Einheiten die Expressions-Effizienz (lange Proteine produziert die Zelle nun einmal langsamer, Fehler- und Abbaurate sind größer) und auch die Fluoreszenz-Intensität. Dummer­weise ist dieser Effekt nicht proportional oder irgendwie kalkulierbar. Ein möglicher Alternativ­weg über die Immun­detektion führt in dieselbe Sackgasse: Je mehr GFP-Einheiten an einer Kette hängen, desto mehr Epitope für Antikörper gibt es. Das Signal im Westernblot, aus Zellkern- und sonstigen Extrakten ist also nicht vergleichbar zwischen Proben mit unterschiedlich langen GFP-Ketten.

Für das Hamburger Team war klar: Eine Strategie zur Normali­sierung musste her, die jedes Fusions­protein unabhängig von dessen Kettenlänge gleich­behandelt. Die Lösung ist ein Strep-Tag, der als Fusions­peptid N-terminal der GFP-Kette vorausgeht. Mit seinen nur zehn Aminosäuren macht er nur einen Bruchteil des Gesamt­proteins aus und sollte daher für ein NLS kein spürbarer Mehrauf­wand sein. Dank der Kürze ist auch die Klonierung unkompliziert, zwei komple­mentäre Oligos mit überstehenden Enden tragen die gesamte Bauanleitung für den Strep-Tag. Der Tag kommt nur einmal im gesamten Protein vor. Egal, wie viele GFP-Einheiten ihm folgen, sollte sich auch via Strep-Tag-Detektion die Expressions­effizienz und Protein­verteilung ermitteln lassen.

Per Blot oder Mikroskop

Die Detektion geht in zweierlei Weise: Per Immunoblot subzellulärer Protein­extrakte oder wesentlich einfacher mithilfe der Fluoreszenz­mikroskopie und Auswertung der digitalisierten Bilder (ImageJ). In beiden Fällen wird das Verhältnis von Kern-zu-Cytosol-Signal (n/c) ermittelt. An Fluores­zenzdaten zum Strep-Tag gelangt man über ein StrepMAB-classic-Chromo546-Konjugat. Die Zellen werden dafür zunächst fixiert, gewaschen, und dann mit dem Konjugat inkubiert.

Konkret nutzten die Hamburger für ihre transienten Expressions­experimente H1299-Zellen (Lungenkrebszellen). 24 Stunden nach der Transfektion erfolgte deren Fixierung. Unter den verschiedenen getesteten Fixierungs­agenzien (Aceton, Methanol, Ethanol, Formalin, Paraform­aldehyd) und -mixturen (teilweise mit Triton) ging Paraform­aldehyd/Methanol als Sieger hervor. Das Protokoll dazu: Zellen 24 Stunden nach der Transfektion in PBS waschen, für zehn bis zwanzig Minuten bei 37°C in vier Prozent PFA fixieren, mit PBS waschen und mit eiskaltem Methanol bei -20°C für fünf bis zehn Minuten permeabilisieren.

Zwar hatten auch Formalin-fixierte Zellen die bevorzugten Eigen­schaften (klare Signale, kein unspezifisches Binden), doch müsste dieses Fixierungs­mittel, anders als PFA/MeOH, immer frisch hergestellt werden. Von anderen Agenzien lässt man lieber die Finger, denn die führen zu GFP-Denatu­rierung oder unspezifischen Signalen.

Methode durchgespielt

Signale fixierter Zellen, nämlich jene aus GFP-Fluoreszenz und von Chromo546 (anti-Strep-Immuno­mikroskopie) geben Auskunft darüber, wie stark ein NLS ist, beziehungs­weise wie stark das Fusions­protein exprimiert wird. Mit vier verschiedenen NLS hat das Team seine neue Methode durchgespielt: Also jeweils die Serie aus einer bis acht GFP-Einheiten inklusive Strep-Tag damit fusioniert und Zellen mit den je acht Konstrukten transfiziert.

Aus den (dank Strep-Tag-Daten normalisierten) GFP-Signalen bestimmten die Hamburger dann die NLS-Stärke. Hierfür wird das n/c-Verhältnis in einem Diagramm auf der Y-Achse aufgetragen. Auf der X-Achse die jeweils eingesetzte GFP-Konkatemer-Anzahl. Als Indikator für die NLS-Stärke gilt der X-Wert, bei dem das n/c-Verhältnis genau 1:1 beträgt. Das ist quasi die Größe eines hypothe­tischen GFP-Konkatemers (muss kein Ganz-Zahlen-Wert sein).

Andrea Pitzschke

Zweifel A. et al. (2019): A toolkit for expression of Strep-tagged enhanced green fluorescent protein concatemers in mammalian cells. Analytical Biochemistry, 586:113430




Letzte Änderungen: 25.09.2019