Editorial

Einzelzell-Analyse in drei Dimensionen

(23.10.2019) Amy Herr ist ein kreativer Kopf. Ihr neuester Coup: ein photoreaktives PAGE-Gel für Elektrophorese und immunologische Protein-Detektion.
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Proteomische Methoden verbinden idea­lerweise Empfind­lichkeit und Genauig­keit mit hoher Geschwin­digkeit und einem guten Durchsatz. Will man das Proteom in Einzel­zellen untersuchen, muss man bislang Kompro­misse eingehen. Die Empfind­lichkeit der gängigen Technologien für die Proteom-Analyse auf Einzelzell-Ebene ist sehr begrenzt. Zudem stoßen sie an ihre Grenzen, wenn sie verschiedene Protein­formen (Proteo­formen) detektieren sollen, die von einem Gen exprimiert werden. Diese unter­schiedlichen Proteo­formen spielen aber eine zentrale Rolle in kritischen zellulären Prozessen, wie der Regu­lierung von Tumor­wachstum oder Therapie-Resistenzen von Tumoren.

Vom Prinzip her eignet sich insbesondere die Kapillar-Elektro­phorese, um Proteine individueller Zellen Größen-spezifisch zu trennen. Mittlerweile existieren Systeme, die einen guten Durchsatz ermöglichen. Leider sind diese für Einzelzell-Anwen­dungen nicht geeignet. Auch die Massen­spektro­metrie hat trotz ihrer hohen Empfind­lichkeit Schwächen bei der Einzelzell-Analyse, da sie in der Regel nur Proteine detektieren kann, die in hoher Konzen­tration in der Zelle vorhanden sind.

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Zu wenig Platz

Besser für Einzelzell-Analysen von Proteinen geeignet ist das von Amy Herrs Gruppe 2014 an der University of California, Berkeley, entwickelte Single-Cell-Immuno­blotting. Bei diesem wird ein Polyacryl­amidgel mit einer Mikrowell-Array-Struktur versehen. In den vielen winzigen Wells des Gels werden Zelllyse, Gelelektro­phorese und Western­blotting gleichzeitig und parallel mit einer Analyse-Geschwin­digkeit von etwa 200 Zellen pro Minute durch­geführt. Der beschränkte Platz auf der Gel-Fläche (xy-Ebene) verhindert jedoch einen noch höheren Durchsatz. Warum also nicht auch die dritte Dimension des Gels, die z-Ebene, für die Trennung und Analyse der Einzelzell-Proteine nutzen, dachte sich das Forscher­team um Herr und setzte diese Idee in der sogenannten 3D-Projektions-Elektro­phorese um.

Inspiriert durch multifunktionale Hydrogele entwickelte Herrs Gruppe ein 3D-Gelsystem für die parallele Protein­analyse hunderter individueller Zellen. Da das gesamte Volumen des Gels genutzt wird, ist die Dichte der Mikroarray-Struktur mit 25 Wells pro mm2 im dreidimen­sionalen System wesentlich höher als im planaren Single-Cell-Immuno­blotting-System, das nur zwei Wells pro mm2 enthält. Die elektro­phoretische Trennung der Proteine erfolgt in der dritten Dimension des gerade einmal einen Millimeter dicken Gels und läuft innerhalb von maximal 30 Sekunden ab. Mit einem raffinierten Trick wird die Migration der Proteine entlang der z-Achse rechtzeitig gestoppt: Durch eine kurze Bestrahlung mit UV-Licht wandelt sich die photo­reaktive Matrix des Hydrogels von einem molekularen Sieb zu einem immobili­sierenden Gerüst um, das die Proteine am Weiter­wandern hindert.

Auf die Größe kommt es an

Herrs Team drehte an verschiedenen Stellschrauben, um die Bedingungen für die Einzelzell-Analyse zu optimieren. Entscheidend für die möglichst effektive Besetzung der Wells sind die Zelldichte der Probe, die Absetz­zeit der Zellen sowie die Geometrie der Wells. Die Wahl des Lyse-Puffers richtet sich dagegen, wie bei anderen Analyse-Puffern, nach den zu unter­suchenden Zellen. Mit der richtigen Wahl der Gel-Poren­größe begrenzten Herrs Mitarbeiter Proben­verluste aufgrund Diffusions-bedingter Verdünnung auf ein Minimum. Die simple Formel hierfür lautet: kleine Poren für kleine Proteine, größere Poren bei größeren Proteinen.

Das Immunoblotting erfolgte innerhalb des Gels, wobei die Antikörper über ein zweites dünnes Gel aufge­tragen und anschließend elektro­phoretisch ins Gel transportiert wurden. Auch die Wasch­schritte erfolgten elektro­phoretisch.

Mit dem für Einzelzell-Analysen optimierten Protokoll testete die Gruppe ihre neue Elektro­phorese- und Immuno­blot-Technik an humanen BT474-Brust­krebs­zellen. Ziele für das Immuno­blotting waren die endogenen Proteine GAPDH und Aktinin. Mithilfe eines Licht­scheiben-Mikroskops sowie eines konfokalen Laser­mikroskops detektierten die Forscher die beiden Proteine innerhalb des Gelvolu­mens mit der erwarteten unter­schiedlichen elektro­phoretischen Mobilität. Das gemessene GAPDH-Signal vor dem Immuno­blotting stimmte mit dem räumlichen Signal der Zellen innerhalb des Gels vor dem Beginn der Elektro­phorese überein. Die Licht­scheiben-Mikroskopie war aufgrund des größeren Lichtfelds für die Detektion besser geeignet und erfasste bei der Messung nach dem Immuno­blotting zehnmal mehr Blots als die konfokale Mikroskopie. Zudem war sie auch wesentlich schneller.

Bis zu sechs Zellen pro Sekunde

Von der Zelllyse bis hin zur Photoauswertung können mit der neuen Technik hunderte Zellen gleichzeitig und parallel mit einer Geschwin­digkeit von 2,5 bis 6 Zellen pro Sekunde analysiert werden. Die Zeit, die zwischen der Analyse der ersten und der letzten Zelle vergeht, ist hierdurch minimal. Das ist ein großer Vorteil gegen­über seriellen Einzelzell-Methoden, bei denen schon mal über eine Stunde zwischen der Analyse der ersten und der letzten Zelle vergehen kann. Zudem ist der Durchsatz im Vergleich zur seriellen Einzelzell-Kapillar­elektro­phorese um das 70 bis 180-fache höher. Zu guter Letzt verbraucht Herrs 3D-Projektions-Elektro­phorese zehnmal weniger Proben­volumen als ein planarer Einzelzell-Westernblot.

Miriam Colindres

Grist S. et al. (2019): 3D projection electrophoresis for single-cell immunoblotting. BioRxiv, doi: 10.1101/805770







Letzte Änderungen: 23.10.2019