Editorial

Ausgeknockt seit 30 Jahren

(07.08.2019) Ob als Krankheitsmodell oder zur Aufklärung biologischer Prozesse, die Knockout-Maus ist aus der Forschung nicht mehr wegzudenken. 1989 wurde die erste geboren.
editorial_bild

In den 1980er Jahren versuchten sich Mario Capecchi, Martin Evans, Rudolf Jaenisch, Elizabeth Robertson, Oliver Smithies und andere daran, in embryonalen Stammzellen (ES) der Maus, gezielt Genmutationen einzufügen. Die Probleme, die sie dafür allerdings lösen mussten: wie kann man eine spezifische Mutation in einem Gen erzeugen und wie lässt sich diese Mutation in eine Mauslinie übertragen.

Heute wissen wir, dass das grundlegende Prinzip hinter der Erzeugung von Knockout-Mäusen mehrere Schritte beinhaltet. Zuerst isoliert man klonale embryonale Stammzellen mit der gewünschten Mutation, die zuvor mit einem Vektor und per Elektroporation in die Zelle eingebracht wurde. Durch eine Positiv-Negativ-Selektion können diese Zellen angereichert werden.

Editorial
An Fellfarbe erkannt

Anschließend injiziert der Experimentator diese Zellen in eine Blastocyste und transferiert diese wiederum in ein scheinschwangeres Mäuseweibchen. Um die gewünschte Mutation innerhalb der Mauslinie selektionieren zu können, besitzen die Spenderin der Blastocyste und die Empfängerin unterschiedliche Fellfarben. An der Fellfarbe erkennt man die Ver­teilung der Mutation innerhalb der Chimären. Damit am Ende eine Mauslinie entsteht, die ausschließlich die gewünschte Mutation trägt, werden die Nachkommen solange aufgrund ihrer Fellfarbe mit normalen Mäusen gekreuzt, bis das Gen komplett inaktiviert ist.

Um Knockout-Mäuse zu erstellen, greifen Wissenschaftler auf das sogenannte Gene-Targeting-Verfahren zurück. Der besondere Vorteil: Forscher können sich den Ort der Mutation gezielt aussuchen und die Mutation je nach biologischer Fragestellung modulieren. So lässt sich beispielsweise zwischen einer Null-Mutation (vollständige Ausschaltung der Genfunktion), einer hypomorphen Mutation (veränderte Aktivität des Gen-Produkts) oder der Einführung von Reporter-Genen wählen.

Örtlich oder zeitlich begrenzt

Da die Maus schon seit Dekaden zu den beliebtesten Modellen für genetische Studien zählt, überrascht es nicht, dass es gerade für sie eine Vielzahl von unterschiedlichen Knockout-Linien gibt. Dabei lassen sich diese Mutationen ortsabhängig in Zellpopulationen oder Organe einführen (räumliche Beschränkung) oder zu einer bestimmten Zeit im Leben einer Zelle bzw. Organismus (zeitliche Beschränkung).

Auch 30 Jahren nach ihrer Erstbeschreibung, werden Knockout-Mauslinien beständig weiterentwickelt. So enthalten manche Linien Erkennungssequenzen des Enzyms Cre, die sogenannten loxP-Sequenzen. Kreuzt man solche Mäuse mit Mäusen, die das Gen für die Cre-Rekombinase tragen, wird das Zielgen durch die Rekombinase modifiziert. Die Aktivität von Cre kann zudem durch die Verwendung von spezifischen Promotoren so gesteuert werden, dass das Enzym nur in bestimmten Geweben aktiv ist. Ebenso ist es möglich, dem Promoter ein Element hinzuzufügen, das erst durch einen bestimmten Liganden wie Tetracyclin, Typ-I-Interferon oder Tamoxifen aktiviert wird.

Mit dem Cre-Lox-System lassen sich auch existierende Gene durch andere austauschen. Dieser „Knockin“-Ansatz taugt zum Beispiel dafür, Mäuse zu „humanisieren“, um menschliche biologische Prozesse in der Maus nachvollziehen zu können.

Nobles Finale

Zurück zu den Knockout-Pionieren. Für ihre Arbeiten erhielten Mario Capecchi, Martin Evans and Oliver Smithies 2007 den Nobelpreis für Physiologie oder Medizin. „Es war ein schönes Finale für die Arbeit meines Lebens“, kommentierte Smithies, der 2017 91-jährig verstarb, die Auszeichnung in „The Scientist“.

Knockout-Mäuse sind seither ein essentieller Bestandteil der medizinischen Forschung. Ohne sie hätten viele biologische Erkenntnisse niemals errungen werden können.

Frederique Wieters



Letzte Änderungen: 07.08.2019