Editorial

Toxizität und Grapefruit-Saft

(13.06.2019) Mal anders: Nicht super-spezifisch, sondern Motiv-erkennend sind die Antikörper des Reutlinger Start-ups Signatope und damit prädestiniert für Biomarkertests.
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Laborjournal fragt: Warum heißt Ihre Firma Signatope? Oliver Pötz, Geschäftsführer und Biochemiker, antwortet.

Herr Pötz, in unserer Rubrik „Warum heißt Ihre Firma ...“ befragen wir unsere Inter­viewpartner nicht nur zum Unternehmens­namen, sondern auch zu Technologie und Gründungsgeschichte.

Oliver Pötz: Das eine hängt mit dem anderen zusammen. Ich muss aber gestehen, dass der Name nicht von uns, sondern von unserem Businesscoach kam.

Ein Businesscoach? Hat der Sie am Anfang Ihrer Gründungszeit begleitet?

Pötz: Ja. Zur Gründungsgeschichte muss ich ein wenig ausholen. Schon Mitte 2005 bin ich während meiner Doktorarbeit über einen Antikörper gestolpert, der an sehr kurze Sequenzen bindet. Gemeinsam mit einigen Arbeitsgruppenleitern, Dieter Stoll, Markus Templin und Thomas Joos, entstand die Idee, solche Antikörper systematisch zu generieren. Damit hätten wir ein Tool, das universeller einsetzbar wäre als Antikörper es im Allge­meinen sind. Denn in der Regel möchte man einen Antikörper so molekülspezifisch wie möglich. Unser Antikörper jedoch erkannte ein Motiv und war dadurch in der Lage, mehrere Moleküle mit eben diesem Motiv zu binden, die dann in der Folge im Massenspektrometer identifiziert werden können. Mit dieser Idee haben wir 2012 den GO-Bio-Preis gewonnen. Bei diesem Förderprogramm wird quasi ein Businesscoach mitgefördert, der zum Beispiel bei der Erstellung eines Businessplans hilft. Das war Octavian Schatz.

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Folge war dann 2016 die Ausgründung von Signatope?

Pötz: Richtig. Mein Kollege Hannes Planatscher und ich haben das GO-Bio-Projekt vorangetrieben. Thema war der Einsatz dieser Antikörper zur Entwicklung von Bio­markertests, die Medikamenten-induzierte Organschädigungen nachweisen können. Der Charme dieser Antikörper ist, dass man diese Tests auch in verschiedenen Tierspezies einsetzen kann.

Das ist insbesondere für klinische Studien relevant, bei denen eine Übertragbarkeit von Tierexperimenten auf die Tests mit menschlichen Probanden anstehen.

Pötz: Genau, wir können quasi die gleichen Antikörper nutzen, um Tests für viele verschiedene Tierspezies aufzusetzen.

Und das erreichen Sie darüber, dass Sie spezifische …

Pötz: … Antikörper gegen sehr kurze Epitope generieren, …

... die dann in allen Spezies gleich sind?

Pötz: Ja genau. Um Biomarker mit dem Massenspektrometer zu detektieren, müssen wir die Proben vorher enzymatisch zu Peptiden verdauen. Die werden dann von unseren Antikörpern herausgefischt. Und da sind wir schon beim Namen. Herr Schatz meinte: Wir haben Antikörper gegen spezifische Protein-Epitope; und wir haben Signatur-Peptide, sogenannte proteolytische Peptide, die eindeutig für dieses Protein sind. Aus Signatur und Epitop wurde dann Signatope.

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Signatope-Geschäftsführer Oliver Pötz. Credit: Signatope

Inzwischen gibt es einige Ableitungen, wie Signatox, Signaxeno und Signaxim. Was hat es damit auf sich?

Pötz: Bei Signatox geht es um Medikamenten-induzierte Organschädigung, also Toxizitäts-Biomarkertests. Das Xeno kommt von Xenobiotika. Wir messen in Gewebe oder Zellkulturen Proteine, die für den Medikamenten-Stoffwechsel zuständig sind. Pharmaunternehmen müssen testen, ob die Behandlung mit einem neuen Wirkstoff bestimmte Metabolismus-Enzyme induziert, sogenannte Cytochrom-P450-Enzyme. Ist das der Fall, kann es sein, dass andere Medikamente durch diesen Wirkstoff beeinträchtigt werden. Sie haben sicherlich schon einmal davon gehört, dass bestimmte Medikamente nicht mehr verstoffwechselt werden, wenn man Grapefruit-Saft getrunken hat. Teile des Safts inhibieren ein Enzym, das CYP3A4. Solche Dinge werden mit Signaxeno ausgetestet. Das Dritte, Xim, bezieht sich auf die Assay-Entwicklung, die wir anbieten. Inzwischen haben wir eine Bibliothek von mehr als 350 Antikörpern. Wenn wir eine Anfrage bekommen: ‚Wir möchten uns gern Protein ABC anschauen, könnt ihr uns dafür einen Test entwickeln oder habt ihr dafür schon einen Antikörper?‘, dann schauen wir in unsere Datenbank und können direkt mit der Assay-Entwicklung loslegen. Andere Unternehmen müssen unter Umständen erst einmal Zeit investieren, um den passenden Antikörper zu generieren.

Offensichtlich funktioniert das Prinzip. Dank GO-Bio und High-Tech-Gründerfonds ist Signatope für ein junges Start-up gut finanziert.

Pötz: Ja, ich kann ruhig schlafen. [lacht]

Und jetzt sind Sie auch noch Teil des TransBioLine-Konsortiums zur Entwicklung neuer Biomarker. Dieses Projekt der Innovative Medicines Initiative ist ein Zusammenschluss von insgesamt 27 großen und kleinen Unternehmen sowie Forschungsinstituten, das bis 2024 mit insgesamt 28 Millionen Euro finanziert wird. Sie arbeiten dort Hand in Hand mit zum Beispiel Pfizer. Was können Sie, was Pfizer nicht kann?

Pötz: Es ist nicht Pfizers Aufgabe, Proteine zu quantifizieren, sondern Medikamente zu entwickeln. Die Analyse von Protein-Biomarkern in Tox-Studien werden oft an externe Auftragslabore vergeben. Diese Tox-Biomarker, also Biomarker zur Detektion Medika­menten-induzierter Organschädigungen, sind unser Unternehmensfokus, deshalb sind wir Teil dieses Konsortiums. Für uns als kleine Firma ist es natürlich grandios, mit den großen Pharmafirmen in diesem Projekt zusammenzuarbeiten.

Die Fragen stellte Sigrid März

    Steckbrief Signatope

  • Gründung: 2016
  • Sitz: Reutlingen
  • Mitarbeiter: 9
  • Produkt: Biomarker zur Detektion Medikamenten-induzierter Organschädigungen



Letzte Änderungen: 13.06.2019